Grundlagen, Theorien, Perspektiven

Herausgeber: Helmut Rösing; Arbeitskreis Studium Populärer Musik e.V.
Hamburg: CODA-Verlag, 1994

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:26-opus-51642

Zusammenfassung:
Auch wenn es manche nicht wahrhaben wollen und immer noch über das Für und Wider von Rock, Pop, Jazz in der akademischen Lehre und in den Schulen streiten: Die Popularmusikforschung verfügt mittlerweile über ein elaboriertes Instrumentarium wissenschaftlicher Methoden, um ihrem Untersuchungsgegenstand gerecht zu werden. In dem vorliegenden Heft sind fünf Referate von ASPM-Arbeitstagungen aus den Jahren 1993 (Rauischolzhausen bei Gießen) und 1994 (Remscheid) zusammengefaßt, die das auf unterschiedliche Weise belegen. Wie der Titel des Heftes "Grundlagen - Theorien - Perspektiven" signalisiert, sind die forschungsleitenden Erkenntnisinteressen und die Untersuchungsmethoden vielfältig. Methoden der historischen Musikforschung kommen ebenso zum Zuge wie Methoden der systematisch-vergleichenden Musikwissenschaft, Die Trennung des Faches in zwei unterschiedliche Teilgebiete ist damit praktisch aufgehoben.
In allen fünf Beiträgen geht es um "Grundlagen", jedoch aus unterschiedlicher Perspektive und mit unterschiedlicher Theoriebildung. Hans-Peter Reinecke setzt sich mit der Frage auseinander, was denn eigentlich der Begriff des Populären in der Musik meine, und arbeitet ein Stück Mentalitätengeschichte des 19. Jahrhunderts auf. Diese bildet die Voraussetzung für eine Neukonstruktion der Begrifflichkeit des Populären im 20. Jahrhundert jenseits verfestigter Stereotypien.
Aus ganz anderer Blickrichtung nähert sich Christian Rolle der populären Musik unserer Zeit. Zentral ist für ihn der Begriff der ästhetischen Erfahrung, der üblicher Weise der Rezeption musikalischer Kunstwerke vorbehalten bleibt. Nicht nur strukturelle Komplexität - so die These - läßt Musik zum Medium ästhetischer Erfahrung werden, sondern auch ihre rhythmische Seite. Hier stehen Groove und musikalisches Timing für die "Leibhaftigkeit" ästhetischer Erfahrung. Grundlagen afro-amerikanischer Musik werden in dem Beitrag von Bernd Hoffmann am Beispiel der Sprache in Blues und Rap aufgezeigt. Das Black American English erweist sich hier als eine Konstante schwarzer Identität Ober Jahrzehnte hinweg. Ohne fundierte Kenntnis dieser Sprache und der dahinter stehenden Vorstellungswelt ist eine angemessene Interpretation der Texte von populärer afro-amerikanischer Musik schlichtweg unmöglich. Handwerklich im positiven Sinn ist der Beitrag von Martin Pfleiderer. Wie hilfreich Transkriptionen sein können, wenn es darum geht, wichtige Strukturmerkmale und Charakteristika von Kollektivimprovisationen zu benennen, belegt er an Beispielen aus dem Stück "A Brain for the Seine" des Art Ensemble of Chicago. Allerdings mit der Einschränkung, daß man sich dabei des Wechselverhältnisses von Hörerfahrung, analytischer Fragestellung, Analysemethode und Transkriptionsart sehr wohl bewußt sein muß.
In meinem eigenen Beitrag werden wahrnehmungs- und sozialpsychologische Faktoren der Musikrezeption im Überblick dargestellt. Dabei ging es mir darum, deutlich zu machen, daß Musikrezeption nicht ausschließlich musikstilabhängig ist (wie es Adorno behauptete), sondern ein aktiver Prozeß in einem Netzwerk von Variablen, welches erklingende Musik, rezipierende Person, aktuelle Hörsituation und gesellschaftlich geprägte Vorstellungen umfaßt.
Neu schließlich ist in diesem Heft die Informationsecke "wo - was - wer". Sie soll zu einer festen Einrichtung werden. Dabei hoffen wir auf die Mitarbeit unserer Leser. Die Info-Ecke wird umso reichhaltiger werden, je mehr Informationen von Ihnen an unsere Geschäftsstelle fließen.

Recent Submissions