Walter, PeterPeterWalter2023-03-282001-11-222023-03-282001http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:26-opus-5384https://jlupub.ub.uni-giessen.de/handle/jlupub/16040http://dx.doi.org/10.22029/jlupub-15422Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Auswertung ausgesuchter deutscher Printmedien (hier an Beispielen aus der FAZ, FR, SZ, TAZ sowiedes SPIEGEL und Focus) hinsichtlich ihrer Perzeption und Bewertung der europapolitischen Entscheidungen des Bundeskanzlers HelmutKohl. Da mit dem Beginn der Wiedervereinigung Deutschlands ab dem Herbst 1989 die deutsche Frage in den Vordergrund deseuropäischen Kontextes gestellt wurde, setzt der analytische Teil dort ein. Im einleitenden Teil wird die Rolle der Bundesregierung und desKanzlers im europäischen Kontext seit ihrem Amtsantritt im Oktober 1982 lediglich zusammenfassend skizziert. Die Themenschwerpunkte sind: Das Zehn-Punkte-Programm Kohls zur deutschen Einheit, die Zustimmung der Alliierten aus dem ZweitenWeltkrieg - und da besonders die der Sowjetunion-, die Vollendung der Einheit, der Vertrag von Maastricht und die Diskussion um dieEinführung des Euro, die Verhandlungen über eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik sowie die Vollendung der politischeneuropäischen Union. Aus rund 3600 ausgewerteten Presseveröffentlichungen zwischen 1989 und 1998 wurden 38 davon exemplarischausgewählt, im Wortlaut wiedergegeben und hinsichtlich ihrer Darstellungstendenzen diskutiert. Entgegen einer weit verbreitetenöffentlichen Meinung konnte dabei nicht festgestellt werden, dass sich diese Presseorgane grundsätzlich in ein Kohl-freundlich und wenigerfreundlich gesinntes Lager einordnen lassen. Zwar lassen sich Unterschiede hinsichtlich der Akzeptanz und Toleranz der politischenEntscheidungen und der Person Kohls verifizieren, doch von einer eigentlichen Zustimmung bestimmter Medien kann dabei nichtgesprochen werden. Bei jenen Medien, die präsumtiv eine eher ablehnende Haltung gegenüber Kohl erwarten ließen, wird dasphänotypische Erscheinungsbild oftmals mit einer negativen Interpretation seiner Leistung gleichgesetzt. Dies überrascht um so mehr, daes sich bei den Textbeispielen explizit nicht um die Kategorie des politischen Kommentars, sondern um den Ereignisbericht handelt. Einegrundsätzlich wertneutrale Berichterstattung konnte dabei in keinem Fall nachgewiesen werden. Allerdings enthalten Berichte im Innenteileiner Zeitung im Allgemeinen einen höheren Anteil von Bewertungselementen als Titelseitenberichte. Die ausgewerteten Magazin-Berichtewiesen grundsätzlich Bewertungen auf. Aufgrund der nachweislich hohen Auflagenzahlen dieser Blätter darf von einem nicht unerheblichen Verbreitungsgrad ausgegangenwerden. Die Tatsache, dass die Politik aber auch die Person Helmut Kohls in den hier vorgestellten und insgesamt ausgewertetenPressetexten tendenziell eher skeptisch bis ablehnend betrachtet wurden, steht dabei in einem unübersehbaren Gegensatz zu einem alsFolge zu erwartenden Wählerverhalten. Besonders an den Beispielen zur deutschen Wiedervereinigung ließ sich nachweisen, dass einigeMedien nicht ohne zum Teil größere Anstrengung von der Aufrechterhaltung der Zweistaatlichkeitsthese abrückten und sich schließlich derVollendung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 anschlossen. Wenig differenzierend wird dabei mit der Tatsache umgegangen,dass es nicht der Bundeskanzler Helmut Kohls sondern die allgemeine politische Lage in der DDR und Osteuropa war, die dieWiedervereinigung herbeiführte bzw. wesentlich begünstigte. Allerdings wird an diesen Beispielen auch deutlich, wie sehr dieses Ereignismit Helmut Kohl personifiziert wurde. Hierin kann ein Wesensmerkmal der politischen Berichterstattung erkannt werden. Die MaastrichterVereinbarung, die nationalen Währungen zugunsten des Euro aufzugeben, wurde hinsichtlich der D-Mark unisono als zu hoher Preis undals Kohls persönliche Niederlage interpretiert. Wurde die europäische Einigung und damit die Verlagerung nationaler Kompetenzen aufdie europäische Ebene von den Printmedien in den Jahren 1989/90 grundsätzlich positiv gewertet, dies sich jedoch nicht zu Gunsten Kohlsniederschlug, verlagerte sich spätestens seit dem Amsterdamer Gipfel 1997 die anfänglich weitgehend pro-europäische Haltung derMedien hin zu einer betont nationalen Interessenswahrung. Dass Kohl in der letzten Phase seiner Kanzlerschaft ebenfalls dazu überging,die deutschen Interessen zu betonen, wurde ihm letztlich als Versagen seiner Europapolitik und damit als seine persönliche Niederlageangelastet. Hinsichtlich der Fülle des auszuwertenden Materials wurde auf eine eingehende Diskussion des theoretischen Ansatzes etwa die überMöglichkeiten der Einflussnahme von Medien auf das Leserverhalten weitgehend verzichtet. Im Ergebnis hat diese Arbeit darlegen wollen, dass der Einfluss der Presse doch nicht so entscheidend gewesen sein kann und das von ihrimmer wieder vorhergesagte Ende der Ära Kohl erst nach 16 Jahren eintrat. Helmut Kohl war damit länger als alle seine Vorgänger Chefeiner deutschen Bundesregierung. Die Diskrepanz zwischen der Medienperzeption und der Zustimmung zu seiner Politik durch denRezipienten (d.h. Wähler), wenngleich mit immer geringer werdenden Voten könnte nicht größer sein.de-DEIn CopyrightIntegrationspolitikHelmut KohlPrintmedienddc:320Die Darstellung der europäischen Integrationspolitik des Bundeskanzlers Helmut Kohl in ausgewählten deutschen Printmedien