Malek, ClaudiaClaudiaMalek2023-03-032002-04-252023-03-032002http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:26-opus-7586https://jlupub.ub.uni-giessen.de/handle/jlupub/10552http://dx.doi.org/10.22029/jlupub-9935Die anthropologische Geschlechtsbestimmung Erwachsener beruht in erster Linie auf dem Ausprägungsgrad bestimmter Form- undGrößenmerkmale des Skelettes. Eine Bestimmung ist dann nur eingeschränkt oder gar nicht möglich, wenn das zu untersuchendeSkelettindividuum nur fragmentarisch vorhanden ist und entsprechende Geschlechtsmarker fehlen. Mitte des 20.Jh. fand man bei Sektionsmaterial heraus, daß der Gehalt an Zitrat (Kalziumsalz der Zitronensäure) in den Wirbelkörpern derFrauen im Alter zwischen dem Beginn der geschlechtlichen Reife und dem Klimakterium signifikant höher ist als bei Männern des gleichenAlters. Für die quantitative Bestimmung der Zitratkonzentration werden mehrere Methoden beschrieben, die alle als mehr oder wenigerkosten- und zeitintensiv beschrieben werden. In den letzten 50 Jahren wurde hauptsächlich die Methode nach HESS (1956) angewendet,bei der es allerdings zu vielen Fehlern kommen kann. Aus diesem Grunde ist in dieser Arbeit zum ersten Mal auch die enzymatischeMethode nach BOEHRINGER MANNHEIM (1994) auf ihre Anwendbarkeit auf Knochenmaterial getestet worden. Diese Methode dientebisher nur zur Bestimmung des Zitratgehaltes von Lebensmitteln und besticht im allgemeinen durch ihre Einfachheit und Genauigkeit. Es wurden insgesamt 225 verschiedene Knochenproben aus 6 verschiedenen Untersuchungsgruppen auf ihren Zitratgehalt getestet. Siewurden alle geschlechtsbestimmt und das Ergebnis mit dem wirklichen Geschlecht, bzw. der anthropologischen (morphometrischen)Geschlechtsbestimmung verglichen. Dabei konnten folgende Ergebnisse erzielt werden: Die mit der enzymatischen Methode nach BOEHRINGER MANNHEIM (1994) errechneten Zitratkonzentrationen liegen bei beidenGeschlechtern und in allen Altersgruppen (insgesamt 54 Knochenproben der Lendenwirbelsäule) bei frischem Knochenmaterial ausObduktionen und Operationen über denen, die mit Hilfe der Methode nach HESS (1956) am gleichen Material gewonnen wurden. DieBestimmungssicherheit der Methode nach BOEHRINGER MANNHEIM (1994) liegt geringfügig, aber nicht signifikant, über der derMethode nach HESS (1956) und bei beiden Methoden bei über 90%. Darüber hinaus ist die Bearbeitung einer Untersuchungsserie mit derZitratmethode nach BOEHRINGER MANNHEIM (1994) billiger, wesentlich einfacher und weniger zeitaufwendig. Die Zitratkonzentrationen zeigen an historischem Material (hier 68 Proben von je 5 verschiedenen Skelettregionen) keine signifikantenUnterschiede zwischen verschiedenen Skelettregionen oder zwischen den Knochenzonen Kompakta und Spongiosa. Da der Zitratgehaltdes Knochens aber nicht nur durch die Einlagerung während des Lebens, sondern auch durch den Abbau während der Bodenlagerungbestimmt wird, läßt sich keine Aussage über unterschiedliche Einlagerungen in die verschiedenen Knochenzonen Kompakta undSpongiosa treffen. Die Bestimmungssicherheit mit der Zitratmethode liegt bei der Verwendung von Lendenwirbelkörperspongiosa (hier100%) etwas über der von Extremitätenkompakta (hier 94,4%). Die Methode der Zitratbestimmung zur Geschlechtsbestimmung läßt sich offenbar nur dann auf Kinder der Altersgruppen Infans I und InfansII (0-12 Jahre) anwenden, wenn wenigstens eines der Kinder mit anthropologischen oder archäologischen Methoden als männlich oderweiblich bestimmt wurde. Mit diesem 'Marker' können dann die anderen Kinder ebenfalls einem Geschlecht zugeordnet werden. DieBestimmungssicherheit liegt dabei bei 87,5% und damit deutlich unter der Bestimmungssicherheit bei Erwachsenen (hier 100%). DerNachweis, daß auch Skelettindividuen im Alter von über 60 Jahren mit dieser Methode nicht mehr als männlich oder weiblich zu bestimmensind, konnte nicht erbracht werden. Anscheinend sinkt die Bestimmungssicherheit aber ab (hier 80% bei 61-82jährigen gegenüber 100%bei 18-60jährigen). Die Bestimmungssicherheit der Zitratmethode nach BOEHRINGER MANNHEIM (1994) liegt bei allenUntersuchungsgruppen bei über 90% (zwischen 94% und 100%), im Durchschnitt aller untersuchten Knochenproben bei 96%. Skelettserien von verschiedener geographischer Herkunft oder aus unterschiedlichen zeitlichen Epochen lassen sich prinzipiell nichtmiteinander vergleichen. Ein einzelnes gefundenes Skelett kann demnach nicht als männlich oder weiblich bestimmt werden, da keineVergleichsdaten zur Verfügung stehen. Ein Vergleich der Zitratkonzentration dieses Skelettes mit einer zeitlich und räumlich benachbartenSerie kann, muß aber nicht, ein richtiges Ergebnis bei der Geschlechtsbestimmung ergeben. Weiterhin ist es wichtig, das ungefähre Alterdes Skelettindividuums zum Zeitpunkt des Todes, bzw. der Knochenentnahme zu kennen, da die Zitratkonzentration des Knochensaltersabhängig ist. Die Anwendbarkeit der Zitratmethode auf Leichenbrände (hier 25 Individuen) bietet eine neue Möglichkeit derGeschlechtsbestimmung an nur fragmentarisch vorhandenen Skelettindividuen. Insgesamt kann aus den in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen zu Möglichkeiten und Grenzen der Zitratmethode zurGeschlechtsbestimmung alter bodengelagerter menschlicher Knochen geschlossen werden, daß es nicht möglich ist, ein einzelnes Skelettoder Skelettfragment durch die Erfassung der Zitratkonzentration als männlich oder weiblich zu bestimmen. Eine Geschlechtsbestimmungist durchführbar, wenn eine möglichst große Anzahl von Skelettindividuen der gleichen Serie untersucht wird, die also den gleichengeologischen und klimatischen Bedingungen unterworfen war. Auf diese Weise erhält man einen Überblick über die Variabilität derZitratkonzentration innerhalb dieser Serie und kann mit Hilfe eines statistisch ermittelten Trennwertes zwischen Männern und Frauen einerAltersgruppe hohe Werte den Frauen und niedrige Werte den Männern zuweisen. Ebenso kann eine Probe eines als Mann oder Fraubekannten Skelettes als 'Geschlechtsmarker' zur Wiederfindung der Geschlechter der gleichen Altersklasse und der gleichen Seriedienen. Eine relativ große Konzentrationsdifferenz zwischen den Geschlechtern (hier zwischen 4,2% in der Altersstufe Senil bis 46,4% bei21-30jährigen) erlaubt eine Einordnung der Individuen.Die Geschlechtsbestimmung mit der Zitratmethode nach BOEHRINGER MANNHEIM (1994) ist einfach, sicher und günstig. Sie bietetdamit die Möglichkeit die anhand morphometrischer Merkmale erstellten Geschlechtsbestimmungen abzusichern, bzw. nicht bestimmbareIndividuen einer Serie einem Geschlecht zuzuordnen.de-DEIn Copyrightddc:570Untersuchungen zu Möglichkeiten und Grenzen der Zitratmethode zur Geschlechterbestimmung alter bodengelagerter menschlicher Knochen