Usleber, EwaldAkineden, ÖmerÖmerAkineden2025-07-172025-07-172025https://jlupub.ub.uni-giessen.de/handle/jlupub/20713https://doi.org/10.22029/jlupub-20063Die Identifizierung und Analyse von Lebensmittelsicherheitsrisiken sind zentrale Aspekte der Lebensmittelwissenschaften und des präventiven Verbraucherschutzes. Im Rahmen dieser Habilitationsschrift wurden Studien zu den weltweit bedeutenten lebensmittelassoziierten bakteriellen Infektionserregern Cronobacter spp. (ehemals Enterobacter sakazakii) im Lebensmittelbereich dargestellt. Diese opportunistischen Krankheitserreger haben in den letzten Jahrzehnten aufgrund ihrer direkten Assoziation mit lebensbedrohlichen Infektionen (Meningitis, Septikämie, nekrotisierende Enterokolitis), insbesondere bei Neugeborenen und Frühgeborenen, erhöhte Aufmerksamkeit erlangt. In den meisten Fällen wurde pulverförmige Säuglingsnahrung als Infektionsquelle identifiziert. Die in dieser Arbeit zusammengestellten wissenschaftlichen Veröffentlichungen im ersten Themenkomplex befassen sich mit verschiedenen Aspekten des Vorkommens von Cronobacter spp. in Säuglingsnahrungsmitteln und Getreidebeikost für Kleinkinder sowie in Trockenteigwaren, um die Exposition des Verbrauchers abzuschätzen und zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit beizutragen. In der ersten Studie (Studie 1) wurde die Kontaminationssituation von Säuglingsanfangsnahrung auf dem deutschen Markt mit Cronobacter spp. auf Speziesebene für die Jahre vor und um die Zeit, als die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 am 1. Januar 2006 in Kraft trat, retrospektiv untersucht. Eine Neubewertung der Cronobacter-Isolate (zuvor als E. sakazakii isoliert) bot eine Datenbasis für Langzeitbeobachtungen. Für Deutschland waren bis zur Veröffentlichung dieser Studie (Studie 1) keine Daten zur Verteilung der Spezies innerhalb der Gattung Cronobacter in Säuglingsanfangsnahrung verfügbar. Nach Inkrafttreten der europäischen Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 für Cronobacter in Säuglingsanfangsnahrung war E. sakazakii im Jahr 2006 noch die zweithäufigste Enterobacteriaceae-Spezies in Säuglingsanfangsnahrung auf dem deutschen Markt. In der ersten Studie wurden alle untersuchten Isolate, die über viele Jahre hinweg aus Säuglingsnahrungsproben gewonnen wurden, entweder als C. sakazakii oder, in geringerem Maße, als C. malonaticus identifiziert. C. sakazakii war die vorherrschende Cronobacter-Spezies in pulverförmiger Säuglingsnahrung. Dies deutete stark darauf hin, dass die Kontaminationssituation von Säuglingsanfangsnahrung in Deutschland von C. sakazakii und gelegentlich von C. malonaticus dominiert wurde. Die Dominanz von C. sakazakii und C. malonaticus stimmte jedoch mit ähnlichen Studien aus anderen Ländern überein, die Cronobacter-Isolate aus Säuglingsanfangsnahrung und Produktionsumgebungen untersuchten. Eine weitere Schlussfolgerung war zudem, dass ein Vergleich von „neuen“ Isolaten mit den in dieser Studie beschriebenen dazu beitragen könnte, Trends und Entwicklungen bei der Kontamination von Säuglingsanfangsnahrung mit C. sakazakii und C. malonaticus zu identifizieren. Dies könnte wichtige Erkenntnisse für langfristige Strategien zur Minimierung solcher Kontaminationen in der Herstellung von Säuglingsanfangsnahrung liefern. Eine sich anschließende vergleichende Sequenzanalyse unterschiedlicher Cronobacter spp.-Stämme bildete die Grundlage, um erstmals zusammenhängende Fragen zum Nachweis sowie zur intra- und interspezifischen Variabilität des Genus Cronobacter beantworten zu können. Die Daten dieser Studie (Studie 1) zeigten eine vergleichsweise hohe Heterogenität der untersuchten Isolate, welche mittels hier etablierter Analyse (PFGE-, MLST-und 16S rRNA-Gen, rpoB-Gen, fusA-Gen) in den weiteren Studien auch diagnostisch genutzt werden konnte. Anhand der umfangreichen molekularbiologischen Untersuchungen konnten innerhalb des Genus zuverlässige Spezies-spezifische (Studie 5) und Genus-spezifische (Studie 6) Nachweisverfahren entwickelt werden, die in den im zweiten Themenkomplex angegebenen Studien dargestellt. Die weitverbreitete Präsenz von Cronobacter spp. in verschiedenen Lebensmitteln, insbesondere in pulverförmigen Milchtrockenerzeugnissen und Umweltproben, sowie die Fähigkeit dieser Bakterien, unter trockenen Bedingungen zu überleben, verdeutlichen die dringende Notwendigkeit einer umfassenden Untersuchung der Kontamination von Getreidebeikost-Produkten für Säuglinge und Kleinkinder sowie trockenen Teigwaren. Bis zur Veröffentlichung der Studien lagen keine verlässlichen Daten zur Häufigkeit von Cronobacter spp. in solchen Produkten vor. Solche Untersuchungen sind besonders wichtig, um das Gesundheitsrisiko für empfindliche Bevölkerungsgruppen, wie Kinder und ältere Menschen, besser bewerten zu können. Diese Daten sind unerlässlich, um das potenzielle Risiko für Kinder und andere gefährdete Verbrauchergruppen fundiert einschätzen zu können. Die zweite Studie (Studie 2) befasst sich mit der Lebensmittelsicherheit von Getreidebeikost für Säuglinge und Kleinkinder, insbesondere hinsichtlich mikrobiologischer Kriterien und Mykotoxinkontamination. In der Europäischen Union wird Getreidebeikost für Säuglinge und Kleinkinder gemäß der Richtlinie 2006/125/EG der Kommission reguliert, die jedoch keine mikrobiologischen Kriterien enthält. Während die mikrobiologischen Parameter Cronobacter spp., präsumtives B. cereus und Enterobacteriaceae in milchbasierte kommerzieller Säuglingsnahrung unter 6 Monaten durch die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 reguliert werden, gilt diese Verordnung nicht für Getreidebeikost. Diese Studie stellte die erste umfassende Untersuchung von Getreidebeikost-Produkten auf dem deutschen Markt dar, die sowohl mikrobiologische Qualität als auch Mykotoxinkontamination untersuchte. Obwohl pathogene, opportunistische oder Verderbsbakterien nicht direkt mit Mykotoxinen assoziiert sind, kann ein allgemeines Defizit bei der Aufrechterhaltung wirksamer Maßnahmen zur Sicherstellung der Lebensmittelsicherheit und -qualität in der Produktion von Getreidebeikost beide Aspekte negativ beeinflussen. Die mikrobiologischen Analysen der untersuchten Getreidebeikost-Produkten aus dem Einzelhandel zeigten, dass nur eine sehr geringe Anzahl von Proben Werte in einem oder mehreren Parametern aufwies, die signifikant über dem unauffälligen Datenset der analytischen Befunde lagen. Es konnte jedoch keine klare Assoziation zwischen spezifischen Getreidebeikost-Zutaten oder Kombinationen von Zutaten und dem Auftreten bestimmter Bakterien festgestellt werden, da die Mehrheit der Produkte aus mehreren Getreidearten bestand. Diese Produkte wiesen die bemerkenswertesten Funde auf, einschließlich Isolate von C. sakazakii, A. baumannii, P. brenneri und B. wiedmannii. Obwohl C. sakazakii nur in geringem Umfang isoliert wurde, stellt das Risiko durch niedrige Keimgehalte von Cronobacter spp. in Säuglingsnahrung für Frühgeborene und Neugeborene eine bedeutende Gefahr dar, welche durch die frische Zubereitung und den sofortigen Verzehr von Getreidebeikost minimiert werden kann. In der dritten Studie (Studie 3) werden weitere lebensmittelhygienisch relevante Fragestellungen zur mikrobiologischen Beschaffenheit von Trockenteigwaren, insbesondere im Hinblick auf das Vorkommen von Cronobacter spp., untersucht. Die Studie 3 stützt die Hypothese, dass die Fähigkeit dieses Bakteriums, in getrockneten Teigwaren zu überleben, auf dessen Toleranz gegenüber Trockenheit und Hitze zurückzuführen sein könnte. Ein hoher Prozentsatz (38,6%) der Proben war qualitativ positiv für verschiedene Indikatorkeime für Hygiene und opportunistische Krankheitserreger innerhalb der Familie der Enterobacteriaceae wie Citrobacter freundii, Enterobacter cloacae, Pantoea agglomerans, Klebsiella pneumoniae, Escherichia coli und Serratia spp. Cronobacter spp. konnten aus 10,6% der Proben aus Deutschland, Italien, Kasachstan und China isoliert werden. Neben der unzureichenden biochemischen Identifizierung wurde eine weitere Identifikation der Isolate mittels rpoB-Sequenzanalyse und MLST vorgenommen. Aufgrund des hohen Grades an Homologie zwischen diesen Cronobacter spp. war die rpoB-Sequenzanalyse nicht ausreichend, um zwischen diesen Spezies klar zu unterscheiden. Daher wurden die Isolate weiter mittels fusA-Allele- und MLST-Analyse untersucht. C. sakazakii war in dieser Studie die dominierende Spezies, was mit der ersten Studie zur Häufigkeit von Cronobacter-Isolaten aus pulverförmigen Säuglingsnahrungsprodukten übereinstimmt (Studie 1). Zwei Isolate waren allerdings C. turicensis und eines war C. muytjensii. Diese Befunde bedürfen jedoch weiterer Betrachtung. Das häufige Vorkommen von Cronobacter spp. in rohen getrockneten Teigwaren könnte eine zusätzliche Risikobewertung rechtfertigen, einschließlich gefährdeter Verbrauchergruppen außer Säuglingen. Derzeit gibt es keine Vorschriften für Cronobacter spp. in Lebensmitteln außer für Säuglingsanfangsnahrung, und es gibt keine veröffentlichten Belege für lebensmittelbedingte Erkrankungen durch Cronobacter spp. aus anderen Lebensmitteln. Andere Studien aus der Fachliteratur legten aber nahe, dass es möglicherweise andere klinisch relevante Quellen für Cronobacter-Infektionen bei älteren Erwachsenen geben kann und pflanzenbasierte Lebensmittel derzeit nicht ausgeschlossen werden können. Neben der Betrachtung zum Vorkommen von Cronobacter spp. in Säuglingsnahrungsmitteln (Studie 1) und Getreidebeikost-Produkten für Säuglinge und Kleinkinder (Studie 2) in Deutschland wurde eine Untersuchung an Folgenahrung aus Indonesien auf Enterobacteriaceae inklusive Cronobacter spp. vorgenommen. Die abschließende Studie zu diesem Themenkomplex (Studie 4) untersuchte die Kontaminationssituation von Säuglingsnahrungsprodukten aus Südostasien, insbesondere im Hinblick auf das Vorkommen von Enterobacteriaceae-Spezies in den fertigen Folgenahrungsprodukten. Bei den Enterobacteriaceae handelt es sich nicht um klassische Krankheitserreger, sondern um Bakterien, die an opportunistischen Infektionen beteiligt sein können und über Lebensmittel übertragen werden. Die Untersuchungen bestätigten die hohe Nachweishäufigkeit von Enterobacteriaceae in den Produkten mehrerer lokaler Hersteller. Die Charakterisierung der Enterobacteriaceae-Isolate zeigte ein breites Spektrum, darunter E. sakazakii sowie weitere Enterobacteriaceae wie Pantoea spp., E. hermannii, E. cloacae, Klebsiella pneumoniae, Citrobacter spp., Serratia spp. und E. coli. Besonders bemerkenswert war die hohe Prävalenz von E. sakazakii, der in 13,5 % der untersuchten Proben nachgewiesen wurden, was zu den bis zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung dieser Studie höchsten berichteten Werten zählte. Die Untersuchungsergebnisse dieser Studie lieferten eine wichtige Datengrundlage für zukünftige Expositionsabschätzungen. Das Infektionsrisiko durch opportunistische Krankheitserreger in pulverförmiger Säuglingsnahrung betrifft in erster Linie Frühgeborene und Neugeborene. Allerdings sollte auch Folgenahrung, die teilweise für Säuglinge ab 4 Monaten empfohlen wird und in der vorliegenden Studie positiv auf E. sakazakii getestet wurde, als potenziell gefährlich eingestuft werden. Die medizinische Überwachung in Indonesien ist nicht gut etabliert, und es fehlen statistische Daten zur Gesundheit von Säuglingen. Dennoch könnte ein relativ hoher Anteil der Säuglinge in Indonesien Ernährungs- oder Immunitätsdefizite aufweisen, was sie zu einer Hochrisikogruppe für Infektionen mit E. sakazakii und anderen opportunistischen Krankheitserregern macht. Wenn pulverförmige Säuglingsnahrung nicht ordnungsgemäß zubereitet und gelagert wird, könnten diese Produkte daher ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Säuglinge in Indonesien darstellen. Die Arbeiten im zweiten Themenkomplex umfassen zwei Arbeiten zur Entwicklung von schnellen Nachweisverfahren von Cronobacter spp. mittels molekularbasierter Techniken in Säuglingsnahrungsfertigprodukten, um die mikrobiologische Sicherheit dieser Produkte zu erhöhen. In Anbetracht der Ergebnisse der vorliegenden Studien würde jedoch eine genauere Identifizierung und Charakterisierung aller Cronobacter-Isolate aus kontaminierter Säuglingsanfangsnahrung, die die Qualitätskontrollen der Hersteller umgehen konnte, die Passgenauigkeit einer spezifischen Risikobewertung verbessern. Insbesondere die neuen entwickelte PCR-basierten Nachweisverfahren (Studie 6) sowie das NALFIA-System (Studie 5) im Rahmen dieser Arbeit scheinen ein wichtiger Ansatz zu sein, um die Identifizierung einer potenziellen Häufung bestimmter Stämme aus unterschiedlichen Säuglingsnahrungsmitteln zu erleichtern. Ein besonderer Fortschritt wurde durch die Entwicklung des NALFIA-Systems erzielt. Dieses kombiniert die Effizienz der PCR-Amplifikation mit der Sensitivität und Benutzerfreundlichkeit von Lateral-Flow-Immunoassays. Es ermöglicht einen spezifischen und sensitiven Nachweis von Cronobacter sakazakii und Cronobacter malonaticus in Säuglingsnahrung bei Nachweisgrenzen unter 10² KbE/ml. Die Fähigkeit, Ergebnisse in weniger als zwei Stunden bereitzustellen, stellt eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zu den zeitaufwendigen kulturbasierten Verfahren dar. Die Integration heterobifunktionaler DNA-Sonden und der Nachweis ihrer Abbauprodukte erhöhen die Zuverlässigkeit und Spezifität des Tests zusätzlich. Das NALFIA-System bietet eine praktikable, sensitive und spezifische Alternative zu traditionellen Nachweismethoden. Seine Implementierung könnte die mikrobiologische Sicherheit von Säuglingsnahrung signifikant verbessern, indem es dazu beiträgt, Qualitätskontrollmaßnahmen zu stärken und das Infektionsrisiko für empfindliche Bevölkerungsgruppen, wie Säuglinge und Kleinkinder, zu minimieren. In der zweiten Studie (Studie 6) wurde die Entwicklung von zwei Genus-spezifischen PCR-Methoden für Cronobacter spp. basierend auf den Sequenzen des 16S rRNA-Gens berichtet. Unterschiede in den hypervariablen Regionen V1, V2 und V3 ermöglichten die Konstruktion des PCR2Systems, das Cronobacter spp. zuverlässig identifiziert und von anderen Enterobacteriaceae differenziert. Das entwickelte PCR2-System erweist sich als vielversprechend, um Cronobacter spp. nach der Primärkultur auf Standardmedien oder direkt in nicht-selektiven Anreicherungsmedien zu detektieren. Diese Methode könnte die Diagnose von Cronobacter spp. in Lebensmitteln und bei neonatalen Infektionen verbessern, da sie eine schnelle und spezifische Identifizierung ermöglicht. Zusammenfassend stellen die entwickelten molekularen Nachweismethoden bedeutende Fortschritte dar, die eine verbesserte Kontrolle und Sicherheit in der Produktion von Säuglingsnahrung unterstützen und gleichzeitig die Diagnostik von Cronobacter spp. vereinfachen und beschleunigen.deIn Copyrightddc:630Cronobacter spp. in Lebensmitteln: Vorkommen, Nachweis und Bedeutung für die Lebensmittelsicherheit unter besonderer Berücksichtigung von Säuglingsnahrung