Anomalien der Gerinnung bei Tonsillektomie-Nachblutungen : eine retrospektive Analyse prospektiv erhobener Daten

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2017

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Die Nachblutung stellt ein ernstzunehmendes Risiko bei Tonsillektomien dar. Zur Minimierung des Risikos werden präoperativ hämostaseologische Routineuntersuchungen durchgeführt.Das Ziel der vorliegenden retrospektiven Studie war die umfassende Analyse von Blutungsereignissen im Zusammenhang mit einer Tonsillektomie und einer evtl. bestehenden Gerinnungsstörung. In einem Zeitraum von über 5 Jahren (01.01.2005 31.09.2010) wurden Daten von 1060 Tonsillektomiepatienten unter Ausschluss von tumorassoziierten Indikationen erfasst. Präoperativ wurde eine hämostaseologische Routinediagnostik bestehend aus den Globaltests Quick/INR, aPTT und der Blutungs-zeit durchgeführt. Im Falle von abnormen Testergebnissen oder einer Nachblutung erfolgten weiterführende Einzelfaktoranalysen.In 124 Fällen trat eine postoperative Blutung nach Tonsillektomie auf, was einer Nachblutungsrate von 11,7% (124/1060) entspricht. Am häufigsten betroffen waren dabei männliche Patienten mit einem Anteil von 57,3% (71/124). Die Nachblutungen traten zwischen dem OP-Tag und dem 14. postoperativen Tag auf, mit je einem Häufigkeitsgipfel innerhalb der ersten 24 Stunden, am 5. und am 6. postoperativen Tag. Bei 1,6% (17/1060) der Patienten traten Mehrfachblutungen auf.Eine Blutgerinnungsstörung konnte bei 4,6% (48/1060) der Patienten nachgewiesen werden. Diese wurde in 77% (37/48) der Fälle präoperativ festgestellt. Unter den 33% (11/48) Patienten mit postoperativ ermittelten Gerinnungsstörungen erlitten 72,7% (8/11) eine Nachblutung. 47,9% (23/48) der Patienten mit Gerinnungsstörung hatten ein von-Willebrand-Jürgens-Syndrom (vWJS). Dieses stellte mit einem Anteil von 2,2% (23/1060) am Gesamtkollektiv die häufigste nachgewiesene Gerinnungsstörung dar. Nur 73,9% (17/23) der Patienten mit einem vWJS wiesen jedoch abnorme Werte bei der präoperativen Gerinnungsuntersuchung auf. Insgesamt trat bei 31,3% (15/48) der Patienten mit Gerinnungsstörung eine Nachblutung auf. 66,7% (10/15) dieser Patienten waren vom vWJS betroffen. Bei 5,3% (56/1060) des Gesamtkollektivs wurden präoperativ abnorme Werte bei der Gerinnungsdiagnostik gemessen. Von diesen 56 Patienten konnte bei 57,1% (32/56) eine Gerinnungsstörung diagnostiziert werden. Bei 19,6% (11/56) dieser Patienten trat eine Nachblutung auf.Grundsätzlich konnte die Kenntnis über eine regelrechte Blutgerinnung oder über eine bestehende Gerinnungsstörung eine Nachblutung nicht verhindern. Die massenhafte Durchführung eines Gerinnungsscreenings muss daher generell kritisch betrachtet werden. Oftmals liefert sie eine große Anzahl von außerhalb des Normbereichs liegenden Laborwerten, ohne dabei zwangsläufig das Nachblutungsrisiko zu minimieren. Die vorliegend am häufigsten diagnostizierte Gerinnungsstörung, das vWJS, die auch mit einem erhöhten Nachblutungsrisiko assoziiert war, wurde trotz der präoperativen hämostaseologischen Untersuchung in 26,1% (6/23) der Fälle, also bei rund 1 von 4 Betroffenen, nicht aufgedeckt. Die Blutungszeit war lediglich bei 0,6% (5/888) des Gesamtkollektivs verlängert und hatte eine sehr geringe prädiktive Aussagekraft hinsichtlich eines Blutungsereignisses nach Tonsillektomie sowie einer Gerinnungsstörung. Dagegen konnte ein Zusammenhang zwischen abnormen Globaltestergebnissen und Gerinnungsstörungen gefunden werden. Gleichzeitig wurde ein erhöhtes Nachblutungsrisiko bei Gerinnungsstörungen belegt.Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass ein vollständiger Verzicht der präoperativen Gerinnungsuntersuchung vor Tonsillektomien trotz fehlender Reduktion der Nachblutungsrate nicht empfehlenswert ist. Vielmehr sollten bei einer auffälligen Blutungs- und Familienanamnese weiterführende Gerinnungsanalysen durchgeführt werden, welche die Diagnostik eines vWJS mit einschließen. Dadurch kann der Patient von einer erhöhten Aufmerksamkeit des Operateurs bis hin zum Bereithalten möglicher medikamentöser Therapeutika im Falle einer Nachblutung profitieren. Nur dann kann eine Minimierung des Nachblutungsrisikos durch präoperative Gerinnungsdiagnostik gewährleistet werden


Haemorrhage after tonsillectomy is the most common postoperative complication. Preoperative coagulation screenings are therefore routinely performed.The aim of this retrospective study was a comprehensive analysis of post-operative haemorrhage with tonsillectomy linked to a possible bleeding disorder.During a period of over 5 years, data of 1060 patients who underwent tonsillectomy were collected and analysed. Tumor-related indications were excluded. Preoperative coagulation screening including aPTT, INR and bleeding time was carried out. In case of abnormalities in the coagulation screening or posttonsillectomy bleeding, further detailed coagulation screenings were performed.124 patients had post-tonsillectomy haemorrhagic complications, resulting in a bleeding-rate of 11.7% (124/1060). Male patients were prevalently affected (57.3%). Bleeding occurred between the day of operation and the 14th postoperative day, with a peak within the first 24 h, as well as around the 5th and 6th day after surgery. 1.6% (17/1060) of the patients experienced multiple bleedings.A bleeding disorder could be detected in 4.6% (48/1060) of the patients. In 77% (37/48) of these patients with coagulation disorders, the diagnosis was available before surgery. Despite a preoperative coagulation screening, 33% (11/48) of the patients with bleeding disorders were only identified after surgery. Amongst these 11 patients, 8 (72.7%) suffered from post-tonsillectomy haemorrhage. 47.9% (23/48) of the patients with a bleeding disorder and thus 2.2% (23/1060) of all patients were diagnosed with Von Willebrand disease. This was the most commonly found bleeding disorder. However, only 73.9% (17/23) of these patients presented with abnormal coagulation values. Among the patients with a singular post-operative bleeding complication, 31.6% (15/48) had a bleeding disorder. 67% (10/15) of these Patients were diagnosed with Von Willebrand disease. The coagulation screenings showed abnormalities in 5.3% (56/1060) of all patients. 57.1% (32/56) of these patients were diagnosed with bleeding disorder. 19.6% (11/56) of the patients with abnormalities in the coagulation screenings experienced postoperative haemorrhage.In principle our results show that a normal coagulation or the knowledge about a coagulation disorder will not necessarily prevent post-tonsillectomy haemorrhage. A routine preoperative coagulation screening in all patients needs to be considered with caution, as some values, especially the aPTT, are influenced by many different external parameters. The most common bleeding disorder, Von Willebrand disease, was found to be related to a higher bleeding risk. It could, however, not be reliably identified by means of the routine coagulation screenings. 26.1% (6/23) of the patients with Von Willebrand disease had normal results in the coagulation screenings.The bleeding time was found to be the least reliable value in predicting bleeding disorders or bleeding risk in this study. Only 0.6% (5/888) of the patients had a prolonged bleeding time. On the other hand, routine coagulation screenings (aPTT/Quick) helped to identify more than half of the bleeding disorders, while bleeding disorders could be related to a higher bleeding risk.As a conclusion, patients with an abnormal medical bleeding history should undergo further detailed coagulation screenings including tests for Von Willebrand disease in order to reduce the risk of post-tonsillectomy haemorrhage.

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