Die mittellateinische Goliardendichtung und ihr historischer Kontext : Komik im Kosmos der Kathedralschulen Nordfrankreichs

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2018

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Die Arbeit widmet sich einem bestimmten Typus mittellateinischer Dichtung, der sog. "Goliardendichtung", und entwickelt auf Grundlage von geschichts- und literaturwissenschaftlichen Ansätzen folgende Definition: Ausgehend von der handschriftlichen Attribuierung mittellateinischer Gedichte mit Golias und goliardus verstand das Hoch- und Spätmittelalter unter Goliardendichtung die gereimte weltliche lateinische Dichtung des Hochmittelalters, deren maßgebliche Intention Komik ist und die diese Komik auch durch Thematik und Handlung, vor allem aber auf poetologischen Metaebenen von Sprache, Intertext und Semantik erzeugt. Sie entstand im Zeitraum zwischen circa 1115 und circa 1255 im Schulsystem des Säkularklerus zwischen Loire und Somme und hauptsächlich an den dortigen Kathedralschulen und deren Kosmos, wurde aber über größere zeitliche, geographische und institutionelle Räume rezipiert. Zur hedonistisch-revolutionären Skandaldichtung wurde sie von frühneuzeitlichen Archivaren und schließlich der Forschung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verklärt, die ihre Thematiken als Erlebnisdichtung sozial niedrigstehender Klerikervaganten missverstand, anstatt in ihrer omnipräsenten Komik eine mit moralisierenden und pädagogisch-didaktischen Momenten angereicherte Rollendichtung zu sehen. Biographische, zeitliche, geographische, stilistisch-intentionale, thematische und situative Indizien deuten jedoch auf die Kathedralschulen Nordfrankreichs als nicht einzigen, aber maßgeblichen historischen Kontext von Goliardendichtung. Diese boten mit ihrem Fokus auf Grammatik und Rezeption römischer Dichtung sowie geringer Institutionalisierung und fehlender Lehrpläne ihren Lehrern eine zwar nicht unbegrenzte, aber signifikante geistige Freiheit, was das Entstehen von Goliardendichtung ermöglichte und ihre Popularität förderte, aber mit dem Bedeutungsverfall der Kathedralschulen durch die aufkommenden Universitäten auch zu ihrem Ende führte.


Based on the manuscript attribution of medieval poetry with Golias and goliardus, the High and Late Middle Ages understood goliardic poetry to be the rhymed secular Latin poetry of the High Middle Ages, whose primary purpose was a comical one. This comical intent was evident in theme and plot, but could mostly be found on the poetological meta-layers of language, intertext and semantics. Goliardic poetry was written in a time frame between circa 1115 and 1255 in the school system of secular clergy between Loire and Somme, and mainly in the cathedral schools of that region and their cosmos, but was read for a longer timeframe, also being received in wider geographical and institutional spaces. Goliardic poetry was turned into revolutionary hedonistic scandal poetry by archivists of the early modern era and research since the middle of the 19th century, which understood the thematic focus as the experience poetry of socially low-ranking clerical vagrants (goliards) instead of viewing its omnipresent comedy as role poetry enriched with moralising and sometimes pedagogical and didactical elements. Biographical, temporal, geographical, intentional-stylistic, thematic and situative evidence points to the cathedral schools of northern France as the not exclusive but decisive historical context of goliardic poetry. With their focus on grammar and the reception of antique Roman poetry as well as little institutionalisation and lack of curricula, they offered their teachers a not unlimited, but significant freedom of thought, which enabled the emergence of goliardic poetry and fostered its popularity, but, with the cathedral schools decline in significance, also sealed its end as universities became more common.

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