Die Auswirkungen der durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.05.1995 - IX ZR 108/94 begründeten Anlaßrechtsprechung zu weitgefaßten Bürgschaftszweckerklärungen auf die Lehre vom Kontokorrent

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2003

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Mit seinem Urteil vom 18.05.1995 - IX ZR 108/94 hat der Bundesgerichtshof die sogenannte Anlaßrechtsprechung zu vorformulierten weitgefaßten Sicherungszweckerklärungen in Kontokorrentkreditbürgschaften begründet. Nach dieser Rechtsprechung soll auch eine nachträgliche Erweiterung der Hauptschuld, die nicht zu einer betragsmäßigen Erhöhung der Haftung führt, gegen das in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB enthaltene Leitbild eines Verbotes der Fremddisposition verstoßen. Der angenommene Verstoß gegen das Verbot der Fremddisposition läßt sich jedoch bei teleologischer, gesetzessystematischer und historischer Betrachtung weder aus § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB noch aus anderen bürgschaftsrechtlichen Vorschriften ableiten. Aus diesem Grund können auch die §§ 305 ff. BGB nicht herangezogen werden. In der Arbeit wird nachgewiesen, daß der Gesetzgeber im Gegenteil ein wirtschaftliches Bedürfnis für eine nachträgliche Erweiterung der Hauptschuld gesehen und gebilligt hat.

Insbesondere ruft die nunmehr zugrundegelegte Auslegung von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB einen Wertungswiderspruch in der Rechtsprechung hervor. Denn auch die im Rahmen der handelsrechtlichen Vorschrift von § 356 HGB seit der vorletzten Jahrhundertwende von der Rechtsprechung im Kern beibehaltenen Lehren von der novatorischen Wirkung des Saldoanerkenntnisses und der Haftung für den niedrigsten anerkannten Saldos führen dazu, daß der Bürge für weitere andere Verbindlichkeiten haftet. In beiden Bürgschaftssachverhal-ten wird die Haftung, der Summe der erfaßten Verbindlichkeiten nach, durch künftige Forderungen, die nicht Gegenstand des Sicherungsvertrages waren, erweitert. Daraus resultiert eine Verlängerung der Haftungsdauer nebst dem damit verbundenen höheren Eintrittsrisiko für den Bürgen. Die durch die Lehre von der Haftung für den niedrigsten anerkannten Saldo verursachte Veränderung der Hauptschuld führt zu einem noch schwerwiegenderen Eingriff in die Privatautonomie des Bürgen, da die Erweiterung der Haftung automatisch, also ohne eine darauf gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung des Sicherungsgebers, allein durch die Einstellung der gesicherten Forderung in eine laufende Rechnung eintritt. Die zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft begründeten Verbindlichkeiten stellen somit Verträge zu Lasten Dritter dar. Der Bundesgerichtshof hat folglich durch seine Anlaßrechtsprechung selbst die Unhaltbarkeit seiner Theorien im Rahmen der Saldofeststellung aufgezeigt. Die Abläufe im Kontokorrent erfordern keine besonderen Theorien, sondern können durch die in § 364 II BGB enthaltene Vermutung einer Leistung erfüllungshalber rechtlich eingeordnet werden. Dies bedeutet, daß der sich aus der Verrechnung ergebende kausale Saldo und die darin noch enthaltenen Sicherheiten neben dem aus dem Saldoanerkenntnis nach § 782 BGB folgenden abstrakten Saldo bestehen bleibt.

Da es sodann auf die Zusammensetzung des kausalen Saldos ankommt, kann auch die im Kontokorrent von der Rechtsprechung vertretene verhältnismäßige Gesamtaufrechnung nicht beibehalten werden. Diese wenig praktikable Form der Verrechnung läßt sich durch die Anrechnungsregeln für den Aufrechnungsvertrag in §§ 396 I, 366 BGB ohne Funktionsverlust für das allgemeine handelsrechtliche Kontokorrent ersetzen.

Dagegen bringen die Kontokorrentpartner im Bereich des Bankenkontokorrents durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen in Verbindung mit dem praktizierten Ablauf einen abweichenden rechtsgeschäftlichen Willen zum Ausdruck. Hierbei muß zwischen den jeweils vierteljährlich periodisch erfolgenden Saldoanerkenntnissen und der rein rechnerisch staffelförmig durchgeführten Verrechnung unterschieden werden.

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