Über die Beeinflussung der Lagewahrnehmung und des visuellen Systems mittels Über- und Unterdruck auf den Unterkörper

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2001

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Die Lagewahrnehmung als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung blickt auf eine lange Tradition zurück. Gegenwärtig rückt sie wiedervermehrt in den Fokus der Forschung, wobei insbesondere die Untersuchung der Subjektiven Horizontalen Position (SHP) und derSubjektiven Visuellen Vertikalen (SVV) im Vordergrund stehen. Die Entwicklung von Modellen und Theorien hat in dem tierexperimentellenBereich begonnen und sich auf den Humanbereich ausgeweitet.

Es liegen zahlreiche Befunde sowohl im Tier- als auch im Humanbereich vor, die sich mit den Funktionsweisen des visuellen Systems, derPropriozeption und des Vestibularorgans nicht erklären lassen. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit des Vorhandenseins eines weiterenSystems, dessen sich die Lagewahrnehmung bedient und das möglicherweise auf die Verteilung des Blutvolumens innerhalb des Körpersreagiert. Auf dieser Basis wurde eine Versuchsanordnung entwickelt, die den Nachweis eines gravizeptiven Systems ermöglichen sollte. Inden im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen sollten verschieden Aspekte des Einflusses von Über- und Unterdruck aufdie Lagewahrnehmung und das visuelle System betrachtet werden.

In Studie 1, 2 und 5 wurde das bereits zuvor von Vaitl, Mittelstaedt und Baisch (1997) erfolgreich eingesetzte Versuchsdesign erneutverwendet. Hierbei stellte sich die auf einem Kippbett liegende Versuchsperson in den 4 Experimental-Phasen mit Hilfe einerFernbedienung in einem vollkommen abgedunkelten Raum aus 16 vorgegebenen Winkeln in die Position ein, die sie als waagerechtempfand (Subjektive Horizontale Position, SHP). Die vier Experimental-Phasen unterscheiden sich durch den Druck, der mit Hilfe einerDruckkammer auf den Unterkörper ausgeübt wurde (Baseline 1 (0 mmHg), Lower Body Positive Pressure (LBPP, +30 mmHg), Baseline 2(0 mmHg), Lower Body Negative Pressure (LBNP, -30 mmHg)). In der Untersuchung zur Stabilität der Effekte von LBPP und LBNP (Kögel,1998: Studie 1) wurden hohe Korrelationen in den Einstellungen der SHP zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten gefunden. LBPPund LBNP bewirken somit reliable Veränderungen der Einstellung des Kippbetts.

In Studie 2 wurden größere Winkelbeträge vorgegeben und zu jeder Einstellung der SHP ein Sicherheitsurteil abgefragt. Es zeigte sich,das die Vorgabe größerer Winkelbeträge keinen Einfluss auf die Einstellung der SHP hat. Bei den Studien 3 und 6 wurde das Kippbett inhorizontaler Position belassen. Mit dem Experiment 3 wurde der Versuch unternommen, eine Schwellenbestimmung des gravizeptivenSystems vorzunehmen, in dem im Grenzverfahren auf- und absteigende Druckfolgen sowohl bei Unter- als auch bei Überdruck vorgegebenwurden. Aufgabe der Versuchsperson war es hierbei, die Reizgröße zu bestimmen, bei der eine Empfindungsänderung bezüglich ihrerLagewahrnehmung auftrat (von der Empfindung "geneigt" zu "waagerecht" bzw. von "waagerecht" zu "geneigt"). Es zeigte sich, das eineSchwellenbestimmung sehr schwierig ist: Die Versuchspersonen zeigten sehr heterogene Muster, die nur bei einem Teil derVersuchspersonen eine Schwellenbestimmung zuließ.

Studie 4 untersucht die Adaptationsvorgänge des gravizeptiven Systems durch die Analyse der SHP innerhalb der vierExperimentalphasen. Hierbei konnte nur bei wenigen Probanden ein Verlauf beobachtet werden, der für eine Adaptation charakteristischist. Somit muss aufgrund der vorliegenden Daten davon ausgegangen werden, dass keine Adaptation in untersuchten Zeitfenster zubeobachten ist. In Studie 5 wurde die Flussgeschwindigkeit der Arteria cerebri media (ACM) als abhängige Variable erhoben. Die Datenzeigen eine Zunahme der cerebralen Flussgeschwindigkeit in der linksseitigen ACM unter LBPP und eine Abnahme unter LBNP. Diebislang beobachteten Effekte bei der Einstellung der SHP (unter LBPP stellen sich die Versuchspersonen mit dem Kopf nach oben, unterLBNP mit dem Kopf nach unten ein) konnten auch in diesem Versuch repliziert werden. Durch thorakale Volumenverschiebung wirddeutlich mehr Varianz der SHP aufgeklärt als durch die cerebrale Flussgeschwindigkeit. In Experiment 6 wurde der Einfluss von Über- undUnterdruck auf die Subjektive Visuelle Vertikale (SVV) untersucht und somit auf das visuelle System untersucht, das in den bisherigenVersuchen konsequent ausgeschlossen wurde. Es konnte gezeigt werden, das der Über- und Unterdruck auf den Unterkörper nicht nureinen Effekt auf die SHP hat, sondern auch auf die Einstellung einer Leuchtlinie. Unter LBPP wurde die Leuchtlinie aus Sicht derVersuchspersonen weiter nach rechts eingestellt als in der Baseline-Bedingung ohne Druck, in der LBNP-Phase hingegen weiter nachlinks. Somit konnten erstmals Einflüsse des Über- und Unterdrucks auf das visuelle System nachgewiesen werden, die nachgegenwärtigem Erkenntnisstand über das gravizeptive System vermittelt werden. In der letzten Fragestellung (Studie 7) wurden mehrereStichproben zusammengefasst, um einen Gesamtüberblick über die Effekte von LBPP und LBNP auf das thorakale Volumen und die SHPzu bekommen.

Insgesamt trägt diese Arbeit dazu bei, die physiologischen Grundlagen des angenommenen gravizeptiven Systems zu erschließen unddessen Auswirkungen auf grundlegende Wahrnehmungsleistungen des Menschen nachzuweisen.

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