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Psychiatrische Alltagsforschung an der Marburger Philipps-Universität in der NS- und Nachkriegszeit - Analyse der Dissertationen unter Prof. E. Kretschmer und Prof. W. Villinger im Zeitraum von 1926 bis 1959

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2021

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Zusammenfassung

Für die vorliegende Arbeit wurden medizinische Dissertationen, die zwischen 1926 und 1959 an der Nervenklinik der Philipps-Universität Marburg veröffentlicht wurden, gesucht und als Quellenmaterial herangezogen. Die Untersuchung dieser Dissertationen erfolgte im Rahmen eines europaweiten Forschungsprojekts, das 2014 von Volker Roelcke und Simon Duckheim mit dem Text „Medizinische Dissertationen aus der Zeit des Nationalsozialismus: Potential eines Quellenbestands und erste Ergebnisse zu „Alltag“, Ethik und Mentalität der universitären medizinischen Forschung bis (und ab) 1945“ angestoßen wurde. Möglichst viele universitäre Institute und Abteilungen sollen sich an diesem Projekt beteiligen, um neue Erkenntnisse über den „normalen“ Forschungsalltag während des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit zu gewinnen. Der Konflikt zwischen Wissensgewinn in der medizinischen Forschung am Menschen bei gleichzeitiger Einhaltung ethischer und rechtlicher Grundsätze soll in den Blick genommen werden. In der vorliegenden Arbeit wurden Dissertationen aus dem Fachbereich der Psychiatrie und Neurologie an der Philipps-Universität in Marburg ausgewählt, da psychiatrische und neurologische Patienten als eine gesellschaftliche Randgruppe diskriminiert wurden und in diesem Zusammenhang während der NS-Zeit oft für unkontrollierte Forschungszwecke rekrutiert wurden. Als weiteres Auswahlkriterium wurden Dissertationen in Erstbetreuung von den beiden Ordinarien der Nervenklinik in Marburg, Prof. E. Kretschmer und Prof. W. Villinger, in die Untersuchung eingeschlossen, da mithilfe der Arbeiten der Promovierenden die Forschungsschwerpunkte und die Forschungsarbeiten der beiden Professoren während ihrer Zeit in Marburg vielseitig reflektiert und kritisch bewertet werden können. Im Anschluss an die Recherche der Dissertationen wurden zwei Kategorisierungsschemata entwickelt, die die unterschiedlichen Formen und Themen der 108 Dissertationen strukturiert veranschaulichen sollen. Die „Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“ von 1931, als zeitgenössische Regulierung der Forschung am Menschen, wurden hinzugezogen und die Dissertationen hinsichtlich der Einhaltung dieser Richtlinien untersucht. Die Untersuchung der Dissertationen ergab, dass diese Arbeiten einen vielseitigen Einblick in den Forschungsalltag an der Marburger Nervenklinik ermöglichen, obwohl die Aussagekraft einzelner Dissertationen aufgrund mangelnder Informationen und fehlender Daten zu den Versuchspersonen teilweise eingeschränkt ist. Die unterschiedlichen Forschungsschwerpunkte der beiden Professoren prägten die Themen der Forschungsarbeiten an der Marburger Nervenklinik zwischen 1928 und 1960 und beeinflussten auch die Formen der medizinischen Forschung am Menschen. Unter der Betreuung von Kretschmer wurden mehr Versuchspersonen und Patient/-innen für Forschungsprojekte der Konstitutionslehre rekrutiert, wohingegen die Promovierenden in der Betreuung Villingers für ihre Forschungsarbeiten, die sich insbesondere mit kinder- und jugenpsychiatrischen Erkrankungen beschäftigen, Patientenakten auswerten. Beide Professoren konnten während ihrer Marburger Zeit ihre Forschungsanliegen intensiv verfolgen, während sie sich auch an gesellschaftliche und politische Umstände der NS- und Nachkriegszeit anzupassen wussten. Das Probandenkollektiv, das größtenteils psychiatrische Patienten der Marburger Nervenklinik umfasste, wird in den bearbeiteten Dissertationen nie detailliert beschrieben. Das Vorgehen bei der Rekrutierung der Versuchspersonen und Patient/-innen sowie zentrale Inhalte der Reichsrichtlinien (informierte Einwilligung und Aufklärung) werden nicht thematisiert. Einer einheitlichen und ausführlichen Dokumentation des ärztlichen Umgangs mit den Versuchspersonen oder Patient/-innen wurde von den Promovierenden und ihren Betreuern keine zentrale Bedeutung zugesprochen. In den Dissertationen lassen sich keine Hinweise finden, die eine Relevanz der Richtlinien von 1931 für den Forschnungsalltag an der Marburger Nervenklinik zwischen 1928 und 1960 belegen. Die Untersuchung der DFG-Förderakten, als zusätzliche Quellen, zeigen aber in Teilen eine indirekte Umsetzung der Richtlinien von 1931. Zusammenfassend wird anhand der vorliegenden Arbeit deutlich, dass die Promovierenden dem Wissensgewinn Priorität einräumten und die Einhaltung der Dokumentation ethischer und juristischer Grundsätze hinsichtlich der unmittelbaren Forschung am Menschen durchgehend vernachlässigt wurde.

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