Lehrende lernen Lernberatung : Qualitativ-interaktionsanalytische Betrachtung einer Lernberatungssequenz zum Kursinhalt Autogenes Training im Rahmen eines Qualifizierungsprojekts für Kursleiter/innen
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Zusammenfassung
Im Kontext der Diskussion um selbstgesteuertes Lernen werden gegenüber der Erwachsenenbildung seit Beginn der 1990er Jahre umfassende Transformations- und Innovationsanforderungen auf unterschiedlichen Ebenen formuliert. Bezogen auf die Personengruppe der Kursleitenden verdichtet sich die Debatte in der Forderung nach einer mehr oder weniger radikalen Veränderung des professionellen Selbstverständnisses und reüssiert unter dem Begriff Lernberatung .
Mit diesem Schlagwort, das seine Attraktivität u.a. auch aus seiner Funktion als begriffliche Schnittstelle zweier aktuell hochkonjunktureller Diskussionsbereiche innerhalb der Erwachsenenbildung (selbstgesteuertes Lernen und Beratung) bezieht, wird - wenn auch oft relativ unspezifisch - eine Abwendung vom Prinzip der linearen Wissensvermittlung mit dem Ziel der Ermöglichung, Begleitung und Unterstützung stärker selbstgesteuerter Lernprozesse gefasst. Dabei bleibt jedoch (neben vielem anderen, wie beispielsweise den Konsequenzen auf der organisationalen oder finanzierungstechnischen Ebene) nach wie vor unklar, welche konkreten Kompetenzen Lernberatende für ihr verändertes professionelles Handeln benötigen und wie diese zu erwerben sind. Hinzu kommt, dass Lernberatung auch konzeptionell bisher keineswegs einheitlich gefasst ist.
Gleichwohl wird Lernberatung als veränderte Handlungs- und Interaktionsform - (nicht nur) in vielfältigen Forschungs- und Modellprojekten - bereits durchgeführt und ist damit unbestreitbar Teil, erwachsenenbildnerischer Realität. Doch was geschieht tatsächlich in diesen Lernberatungsprozessen? In welcher Weise nehmen Kursleitende ihre neue Rolle wahr? Wie etablieren sie eine Lernberatungssituation? Auf welche Verhaltensmuster, welches Vorwissen greifen sie zurück, um in einer neuen Tätigkeit Handlungssicherheit zu erlangen? Und: Wie verhalten sich die Teilnehmenden im Umgang mit dem neuen Element erwachsenenbildnerischer Praxis? Was erwarten sie von ihren Lernberater/innen? In welchen Situationen, mit welchen Zielsetzungen und Erwartungen nehmen sie Lernberatung wahr? Welche Schwierigkeiten tauchen dabei auf?
Kurz: Wie gelingt es den Akteur/innen, der neuen Praxis durch ihre Handlungen Sinn zu geben? Und wie stellen sich Lernberatungen dann als Teil der erwachsenenbildnerischen Realität dar?
Um sich dieser Frage zu nähern, wendet sich die vorliegende Arbeit dem Phänomen Lernberatung empirisch zu. Dafür wird eine Lernberatungssequenz, die in einem Kurs zum Thema Autogenes Training im Kontext eines Qualifizierungsprojekts für Kursleitende stattfand, ausgewertet. Die Analyse erfolgt dabei als qualitative Interaktionsanalyse, die sich dadurch auszeichnet, dass die zu erforschende Handlung in ihrer Sequenzialität, d.h. in ihrem tatsächlichen Interaktionsverlauf aufgegriffen und eng am Text Satz für Satz mikroanalytisch interpretiert wird. Als methodologische Orientierungspunkte werden hierfür sowohl die (ethnomethodologische) Konversationsanalyse als auch die Objektive Hermeneutik herangezogen.
Die empirische Analyse wird dabei gerahmt von einem theoretisch orientierten Teil, in dem die Debatte um selbstgesteuertes Lernen historisch, begrifflich und hinsichtlich der verwendeten Begründungsebenen aufgearbeitet wird (Kapitel 2) und unterschiedliche Konzepte zur Lernberatung referiert werden (Kapitel 3), sowie von einer forschungsgeschichtlich-methodologischen Einordnung, in der neben einem Exkurs zur Geschichte empirischer Forschungen in der Erwachsenenbildung die gewählte Analyseform der Sequenzanalyse sowohl hinsichtlich ihrer theoretischen und methodologischen Bezüge als auch anhand der Darstellung exemplarischer Studien umfassend dargestellt wird.
Als eine zentrale Erkenntnis der empirischen Analyse lässt sich formulieren, dass Lernberatungshandeln in der Praxis offensichtlich nicht ausschließlich - wie in der Literatur häufig beschrieben - vom Handlungsschema der Lehre abzugrenzen ist, sondern - gerade im Bereich körper- und gesundheitsbezogener Angebote - die Grenze zum (quasi-)therapeutischen Gespräch schnell überschritten werden kann. Die Mikroanalyse kann dabei aufzeigen, wie sich dies im Gespräch im Einzelnen vollzieht, wie die Bedeutung im Gesprächsverlauf zwischen den Beteiligten interaktiv ausgehandelt wird und wie sie ihre Erwartungen, Rollenvorstellungen und Selbstbilder dabei in die gemeinsame Situation einbringen.
Within the debate surrounding the increasingly discussed role of self-directed learning in continuing adult education, one repeatedly finds the demand for a shift in the professional conduct of overseeing learning from traditional approaches to a facilitated learning environment. This thesis illustrates relevant theoretical background and empirically deals with the question, how such learning consultation take place in adult education practice. Which expectations do the participants themselves introduce to situations and how do they negotiate expectations and interpretations in the course of interaction? For this thesis an analytical assessment of a learning consultation situation within an autogenous training seminar was conducted. As one main result can be asserted that the learning consultation in practice obviously is not only reliant upon action schemes for teaching but also relies to some degree upon almost therapeutic-type consultations that can quickly go beyond the boundaries of ordinary learning environments.