Rumänien - Entwicklungshemmnisse : Korruption als Institution phanariotischer Herrschafts- und Wirtschaftsstrukturen ; Gespräche in Siebenbürgen

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2013

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Die vorliegende Arbeit stellt Entwicklungshemmnisse Rumäniens in einen Zusammenhang mit den dort herrschenden Institutionen im Sinne von Lebensregeln. Der Autor kennt Rumänien seit 1991. Anfangs waren Hilfstransporte Anlass, das Land kennen zulernen. Von 1995 bis 2000 arbeitete er als Lehrer im siebenbürgischen Medias. Seit 2000 besucht er regelmäßig die Region, die ihm zur zweiten Heimat wurde.Um Regeln einer Gesellschaft aufzuspüren, eignen sich am besten qualitative Verfahren. Teilnehmende Beobachtung und ero-epische Gespräche waren daher Methoden der Datenerhebung. Aus vielen Berufsgruppen, mit einem Schwerpunkt bei Lehrkräften, fand der Autor GesprächspartnerInnen, denen er wegen der oft sensiblen Inhalte Anonymität zusicherte. Durch seine dortige Tätigkeit hatte der Autor einen außerordentlich guten Zugang zum Feld. Die Interpretation der erhobenen Daten geschah mit Hilfe der sozialwissenschaftlich-hermeneutischen Paraphrase. Eingebettet war sie in die Erfahrungen des Autors. Bei der Interpretation halfen dem Autor Personen, die entweder in Rumänien dauerhaft leben, aber Westeuropa mit seinen Institutionen kennen oder Menschen, die in Rumänien aufgewachsen sind und nach ihrer Emigration nun in Deutschaland leben. Trotz aller Fortschritte seit 1989 ist die rumänische Entwicklung im osteuropäischen Vergleich verzögert. Ein Ausdruck dieser Hemmnisse ist die immer noch hohe Emigrationsrate meist junger Menschen aus Rumänien.Ursache der Entwicklungshemmnisse sind keinesfalls fehlende Ressourcen. Rumänien verfügt über sehr hohe landwirtschaftliche Potentiale. Auch bieten herrliche Landschaftsräume in Kombination mit der traditionellen Gastfreundschaft große touristische Möglichkeiten. Gründe der Blockade sind die in der dortigen Gesellschaft herrschenden Institutionen. Gerade Korruption wirkt in Rumänien als blockierende Institution derart stark, das sogar die EU sie mit deutlichen Worten anklagt.Korruption zeigt sich als Entwicklungsblockierer in vielen Bereichen. In großem Stil werden EU-Fördermittel veruntreut. Nepotismus ermöglicht, dass inkompetente Personen Schlüsselstellungen in Wirtschaft und Politik erhalten. Trotz Krankenversicherungsbeiträgen müssen Kranke bei Behandlungen, die über eine Notfallversorgung hinausgehen, extra an die Behandelnden bezahlen. Offiziell sind solche Praktiken natürlich verboten. Hochdotierte Geschenke in Euro werden aber erwartet und von den Patienten aus Angst vor einer schlechten Behandlung auch gegeben.Ohne Extra-Honorare an den bürokratischen Apparat werden Amtshandlungen nicht bearbeitet oder zumindest lange verschleppt. Der Staat und seine Entwicklung werden wesentlich geschwächt, wenn Beamte und Beamtinnen nur gegen privat vereinnahmte Extra-Zahlungen arbeiten. Amtshandlungen und Rechtsprechung werden so zu kaufbaren Dienstleistungen . Aus rumänischer Sichtweise ist das Erzwingen und Annehmen von Schmiergeldern nicht unbedingt eine kriminelle Handlung. Es ist eher das notwendige Einfordern eines Extra-Honorars , um das offizielle, meist viel zu knapp bemessene Grundgehalt aufzubessern. Arbeitsplätze, die ein hohes Gehalt versprechen, müssen gekauft werden. Es besteht dann das Recht, auf eigene Rechnung legal oder illegal Einkommen zu generieren. Solche Klientelstrukturen findet man immer noch in vielen Bereichen der rumänischen Gesellschaft. Korruption hat in Rumänien eine lange und andere Tradition als in Westeuropa. Sie wird als eine Art Regel in Wirtschafts- und Herrschaftsstrukturen wahrgenommen. Nach der These des Autors haben diese Strukturen ihren Ursprung in der Machtentfaltung der Phanarioten, die von 1711 bis 1821 als Statthalter der Osmanen in den Donaufürstentümern herrschten.Die Phanarioten entstammten dem Istanbuler Stadtteil Phanar. Gegen hohe Beträge konnten sie sich bei den Sultanen die Herrschaft über Walachei oder Moldau für wenige Jahre mieten. Sie erlangten damit das Recht, auf eigene Rechnung Steuern einzutreiben. Die Ausbeutung der Bauern war unerträglich hoch. Das Bestreben der meisten Phanarioten war darauf ausgerichtet, in sehr kurzer Zeit große Gewinne zu erzielen. Der so erzeugte ständige Abfluss von Kapital und die meist sehr kurze Dauer der Herrschaftsausübung verhinderten langfristige Investitionen als Grundstein einer wirtschaftlichen Entwicklung. Die Phanarioten gehören der Vergangenheit an. Nicht so deren Strukturen. Korruption ist in Rumänien eine Institution phanariotischer Herrschafts- und Wirtschaftsstrukturen. Alle GesprächspartnerInnen und InterpretInnen bestätigten dem Autor seine These. Gesellschaftliche Entwicklung ist nur möglich, wenn tradierte Institutionen geändert werden. Bildung nimmt hier eine Schlüsselrolle ein. Es ist daher unbedingt notwendig, Korruption und deren negative Wirkung auf Entwicklung und Gerechtigkeit im Unterricht der allgemein bildenden Schulen Rumäniens zu thematisieren.

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