Muskelphysiologische Untersuchungen zur Farbvariation, Farbstabilität und Fleischqualität des Musculus pectoralis superficialis von Gallus gallus gallus und Meleagris gallopavo

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2011

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Die Muskulatur ist neben der Haut und den Knochen das größte gleichartige System eines Organismus. Hierbei kann die Kontraktion der Muskeln für die Bewegung des Körpers, die Statik und die Wärmeproduktion genutzt werden. In der Muskulatur von Tieren hat der Mensch zudem eine Nahrungsquelle. Durch gezielte Verpaarung von Tieren mit einem besonders guten Muskelansatz wurden unter den landwirtschaftlichen Nutztieren spezielle Fleischrassen herausgezüchtet. Dass aus den Muskeln der Tiere für den Menschen nutzbares Fleisch entsteht, liegt an einer Vielzahl biochemischer Prozesse, die nach dem Tod des Organismus ablaufen. Aufgrund der Komplexität dieser Abläufe kann es zu Fehlern bei der Fleischbildung kommen. Sie können jedoch ebenso aufgrund genetischer Dispositionen oder durch den Einfluss von exogenen Faktoren, wie z.B. der Haltung und dem Schlachtvorgang, beeinflusst werden. Die heute wichtigsten Nutztiere für die Fleischerzeugung sind in Deutschland Schweine und Rinder sowie das Mastgeflügel mit dem Broiler (Gallus gallus gallus) und der Pute (Meleagris gallopavo). In dieser Arbeit sollen die biochemischen Vorgänge, die zur Fleischbildung beitragen, betrachtet werden. Neben den biochemisch-physiologischen Vorgängen sollen auch pathologische Änderungen im Stoffwechsel betrachtet werden, welche sich auf die Fleischbildung auswirken. Das Geflügel wurde gewählt, weil in den letzten Jahren der Verbrauch an Geflügelfleisch deutlich gestiegen ist. Ein erster starker Anstieg konnte nach der BSE Krise beobachtet werden. Die Bevorzugung von Lebensmitteln mit geringerem Fettgehalt hat sich ebenfalls positiv auf den Absatz von frischem Geflügelfleisch ausgewirkt. Verkauft wird das Geflügelfleisch heute vermehrt in Form von Teilstücken, wobei vor allem der große Brustmuskel und die Schenkel vermarktet werden. Neben einem Verkauf an der Fleischtheke wird heutzutage Frischfleisch vermehrt in SB-Verpackungen angeboten. In diesen Abpackungen sind meist mehrere Teilstücke enthalten, welche in der Regel von verschiedenen Schlachttieren stammen. Zwischen den einzelnen Stücken, aber auch zwischen verschiedenen Verpackungen, können Unterschiede in der Farbhelligkeit des Fleisches sichtbar werden. Die Fleischfarbe ist jedoch das Hauptkriterium, nach dem der Verbraucher die Qualität von Frischfleisch beurteilt. Die sichtbaren Variationen der Fleischfarbe sind für den Verbraucher nicht erklärbar und führten zu wiederholten Reklamationen im Lebensmitteleinzelhandel. Farbvariationen sind als ein Aspekt der Fleischbeschaffenheit durch biochemisch-physiologische Prozesse beeinflussbar. Der pH-Wert ist hierbei einer der wichtigsten Faktoren, die diese Prozesse beeinflusst. Der pH-Wert in der Muskulatur wird nach der Schlachtung durch die Anreicherung von Laktat gesenkt, welches durch die anaerob ablaufende Glykolyse gebildet wird. Hierbei bestimmt das Vorhandensein von Energiereserven, in welchem Maß Laktat gebildet werden kann. Der Transport des Schlachttieres, d.h. Transportzeit und -bedingungen, beeinflussen dessen Stoffwechsel und wirken sich somit auf die Energiereserven aus. Die Konstitution des Schlachttieres und seine Stresstoleranz spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Auswirkungen von Stress wurden in der Schweinezucht durch das Auftreten von PSE-Fleisch erkannt. Bei diesem Qualitätsmangel ist das Fleisch blass (Pale), weich (Soft) und wässrig (Exudative). Ursache hierfür ist eine gesteigerte Bildung von Laktat durch eine hohe Stoffwechselrate. Aufgrund dessen sinkt der pH-Wert nach der Schlachtung schneller ab. Dies wirkt sich negativ auf die biochemisch-physiologischen Prozesse, welche die Fleischbildung und -reifung beeinflussen, aus. Die Züchtung auf einen immer höheren Muskelanteil und die dadurch bedingte Hypertrophie des Muskels, führen zu einer Änderung in der Muskelphysiologie. Ein Resultat dessen ist das bei Schweinen auftretenden Porcine-Stress-Syndrom , das zur Bildung von PSE-Fleisch führen kann. Bei der Züchtung von Mastgeflügel wurde in den letzten Jahren ebenfalls vermehrt auf Muskelansatz, und hier vor allem auf die Ausprägung des Brustmuskels, selektiert. In diesem Zusammenhang wurde das Auftreten eines Qualitätsmangels, der dem PSE beim Schwein ähnlich ist, dokumentiert. In der Literatur wird dieser Mangel in der Fleischbeschaffenheit oftmals als PSE-like bezeichnet. Aufgrund der unterschiedlichen physiologischen Vorraussetzungen, wie der blassen Farbe und dem geringen Tropfsaftverlust des Geflügelfleisches im Vergleich zum Schweinefleisch, wird eine Homologisierung dieser beiden Fleischqualitätsmängel nicht von allen Autoren geteilt. Daneben ist eine Abgrenzung von normalen physiologischen Schwankungen der Fleischbeschaffenheit zu pathologisch verändertem Fleisch schwierig. Die Darstellung der normalen physiologischen Bandbreite der Farbhelligkeit und anderer Parameter der Fleischbeschaffenheit, wie dem Tropfsaftverlust, kann hierbei helfen pathologische Veränderungen im Muskel besser zu erkennen. Die Sortierung der Brustmuskel vor der Verpackung ist eine Möglichkeit Unterschiede in der Farbhelligkeit innerhalb einer sowie zwischen verschiedenen SB-Verpackungen, die für einen Standort bestimmt sind, zu verringern. Die Kenntnis über die biochemisch-physiologischen Abläufe während der Fleischbildung sowie die Darstellung möglicher pathologischer Vorgänge im Stoffwechsel, welche sich negativ auf die Fleischbildung und somit die Farbhelligkeit auswirken können, sind wichtig, um eine Sortierung vornehmen zu können. Für die hier vorliegende Studie wurden verschiedene, auf hohen Muskelansatz gezüchtete Mastlinien von Gallus gallus gallus (Masthuhn) und Meleagris gallopavo (Truthuhn) verwendet. Die untersuchten Linien wurden hinsichtlich der Quantität des Schlachtkörpers und der Teilstücke sowie der Qualität des Fleisches verglichen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen zeigen in wie weit die Selektion auf ein höheres Schlachtkörpergewicht, mit gezielter Steigerung des Brustmuskelanteils, einen Einfluss auf die Fleischqualität hat. Die Ergebnisse dieser Studie sollen zu einem besseren Verständnis der Vorgänge führen, die an der Differenzierung der Fleischfarbe und an deren Veränderung über die Zeit beteiligt sind. Eine Information an die Fleischindustrie hinsichtlich der Fleischbeschaffenheit bestimmter Mastlinien und dem Einfluss von Alter und Geschlecht auf die Fleischqualität soll letztendlich nachhaltig Reklamationen aus dem Einzelhandel minimieren und das Vertrauen des Verbrauchers hinsichtlich der Qualität von Geflügelprodukte stärken. Die Ergebnisse zeigen das der spätpostmortale pH-Wert den größten Einfluss auf die biochemisch-physiologische Prozesse der Farbbildung hat. Vor dem Tod des landwirtschaftlichen Nutztieres beeinflussen exogene, wie z.B. die Transportzeit und -bedingungen, sowie endogenen Faktoren den Stoffwechsel und somit die Fleischbeschaffenheit. Der Einfluss der endogenen Faktoren, wie der genetischen Herkunft, dem Geschlecht und dem Alter auf die Beschaffenheit des Fleisches, sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit gewesen. Hierbei wurden die drei wichtigsten Hochleistungsmastlinien von Gallus gallus gallus und Meleagris gallopavo verwendet. Von der jeweils am weitesten verbreiteten Linie einer Spezies, Ross 708 für Gallus gallus gallus und Big 6 für Meleagris gallopavo, wurden Hähne und Hennen und von den anderen Linien nur Hähne untersucht. Um den Effekt des Alters herauszuarbeiten, wurden für jede Spezies zwei Versuche durchgeführt. Die verwendeten Altersstufen sind der gängigen Mastdauer in der Geflügelmast angepasst, um die Ergebnisse auf die Praxis übertragen zu können. Innerhalb der Untersuchungen war die Farbhelligkeit des M. pectoralis superficialis (MPS), als größter Muskel beim Geflügel, sowie die Entwicklung und Beeinflussung dieses Parameters der Fleischbeschaffenheit, der wichtigste Punkt. Untersuchungen an Geflügel und Schwein haben gezeigt, dass Variationen der Farbhelligkeit innerhalb gewisser Grenzen normal sind. Fleischbeschaffenheitsprobleme bei Geflügelfleisch sind im Rahmen des Aviären Stresssyndroms mit der Züchtung auf ein höheres Gewicht in Verbindung zu bringen. Vor allem der Brustmuskel wird durch gezielte Selektion immer schwerer, was Probleme verschiedenster Art, z.B. Beschaffenheitsfehler der Muskulatur durch eine zu geringe Blutversorgung, mit sich bringt. Kenntnisse über die postmortale Entwicklung der Farbhelligkeit sowie über die Faktoren die sie Beeinflussen, sind für die Qualitätssicherung in der Geflügelmast wichtig und sollen letztendlich Reklamationen aus dem Einzelhandel minimieren.Die Untersuchungen zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Spezies sowie innerhalb einer Spezies in Abhängigkeit von den betrachteten exogenen Parametern. Gallus gallus gallus unterscheidet sich von Meleagris gallopavo im früh- und spätpostmortalen pH-Wert und aufgrund dessen in der elektrischen Leitfähigkeit und im Wasserbindevermögen des Fleisches. Die Differenz in der Farbhelligkeit ist durch den Gehalt an Myoglobin im Muskel bedingt. Die Unterschiede in der mitochondriale Atmungskapazität und der antioxidativen Kapazität beruhen aufeinander und zeigen den Zusammenhang zwischen der Atmungsrate sowie der daraus resultierenden Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und der somit beeinflussten antioxidativen Kapazität. Die ermittelten Differenzen zwischen den Linien bzw. Geschlechtern einer Spezies gleichen Alters sind geringer als zwischen den Altersstufen einer Spezies. Nach 28 d Mast sind die Linien von Gallus gallus gallus bzw. die Hähne und Hennen der Linie Ross 708 miteinander vergleichbar. Nach 41 d Mast zeigen sich Differenzen zwischen den Linien in der Farbhelligkeit des Fleisches und zwischen den Linien und den Geschlechtern in den Schlachtkörpermerkmalen. Der Vergleich der B.U.T. Linien untereinander zeigt Differenzen im Schlachtkörpergewicht. Die Big 6 Hähnen und Hennen unterschieden sich in allen Schlachtkörpermerkmalen. Die genetische Linie Hybrid XL ist in allen quantitativen Faktoren von den B.U.T. Linien verschieden. Der pH-Wert zwischen den Altersstufen einer Spezies ist verschieden. Ein niedrigerer pH24h -Wert steht in Zusammenhang mit einer höherer elektrischen Leitfähigkeit sowie einem geringeren Wasserbindevermögen. Unterschiede in der Farbhelligkeit des Fleisches sind mit dem Myoglobingehalt der Proben verbunden. Der dunklere Muskel der jüngeren Tiere sowie deren höherer Myoglobingehalt einer Spezies spiegeln sich auch in der höheren mitochondrialen Atmungsrate und der antioxidativen Kapazität wieder.Aufgrund der Ergebnisse kann man sagen das es aus technologischer Sicht nicht nötig ist bei Gallus gallus gallus die Linie bzw. Geschlechter nach einer Kurzmast getrennt zu verarbeiten. Nach einer Mast über 41 d unterscheidet sich die Hähne der Linie Ross 708 quantitativ von den übrigen Linien bzw. den Hennen, so dass eine getrennte Mast, Schlachtung und Verarbeitung sinnvoll ist. Aufgrund der Variationen in der Farbhelligkeit ist für die Linie Cobb 700 eine getrennte Verarbeitung und Vermarktung ratsam. Die Farbhelligkeit zeigt insgesamt eine hohe Streuung, ist jedoch normalverteilt. Die gleichmäßige Entwicklung der Farbhelligkeit über die Zeit ermöglicht eine Sortierung anhand des frühpostmortal gemessenen Wertes. Die Aufhellung des Muskels über die Zeit ist auf die Senkung des Anteils an Oxymyoglobin zu Gunsten des Deoxymyoglobin sowie auf proteolytische Prozesse, in deren Verlauf das Myoglobin abgebaut wird, zurückzuführen. Die Unterschiede in der Helligkeit zwischen den Spezies sind auf die ursprüngliche Nutzung des MPS zurückzuführen. Der höhere Gehalt an Mitochondrien, was aus der höheren Atmungsaktivität geschlossen werden kann, zeigt, dass der Muskel bei Gallus gallus gallus mehr Energie braucht als es bei Meleagris gallopavo der Fall ist. Das hellere Fleisch bei den älteren Tieren einer Spezies zeigt den Zusammenhang zwischen der Farbhelligkeit und dem Gewicht des MPS. Die geringere Menge an Myoglobin weist darauf hin, dass die Versorgung des Muskels mit Sauerstoff bei zunehmender Größe sinkt. Dies, sowie ein ungenügender Abtransport von Stoffwechselendprodukten, können zu Degenerationen der Muskelfasern führen. Die Differenzen zwischen den Altersstufen einer Spezies deuten darauf hin, dass eine bestimmte Menge an Mitochondrien -an Myoglobin- im Laufe des Wachstums auf eine größere Fläche verteilt wird, was die Versorgung des Muskels reduziert und zu negativen Veränderung bezüglich der Muskelfasern führen kann. Die Farbhelligkeit wird, wie auch andere Parameter der Fleischbeschaffenheit, vom spätpostmortalen pH-Wert stärker beeinflusst als vom frühpostmortalem pH-Wert. Das Absinken des pH-Wertes über die Zeit beeinflussen die postmortal ablaufenden biochemischen Prozesse. Die Differenz zwischen den pH-Werten hat hierbei einen geringeren Einfluss als der End-pH-Wert. Die Annahme, dass der spätpostmortale pH-Wert die Farbhelligkeit sowie das Wasserbindevermögen stärker beeinflusst als der frühpostmortale pH-Wert konnte in den Untersuchungen bestätigt werden. Der Einfluss des pH-Wertes liegt in der Destabilisierung von Proteinen und Enzymen. In Zusammenhang mit proteolytischen Prozessen werden postmortal ablaufende biochemische Prozesse durch einen niedrigeren pH-Wert stärker beeinflusst. Die Anreicherung von Laktat bestimmt den Umfang und innerhalb welcher Zeitspanne die Absenkung erfolgt. Nach dem Tod des Organismus wird das Laktat durch die anaerob ablaufende Glykolyse gebildet, wobei die im Muskel vorhandenen Energiereserven der limitierende Faktor bei der Bildung des Laktat sind. Der Einfluss des pH-Wertes konnte anhand einer Gruppierung gezeigt werden. Die Auswirkungen auf die Membranstabilität, mit Beeinflussung der Wasserbindekapazität, sowie auf die Freisetzung von Reaktiven Sauerstoffspezies und dadurch beding Änderungen der antioxidativen Aktivität, konnte zwischen den pH-Wert Extremen deutlich gezeigt werden. Ausgehend von den ermittelten Ergebnissen kann festgestellt werden, dass eine weitere Selektion von Gallus gallus gallus und Meleagris gallopavo über das Gewicht des M. pectoralis superficialis nicht sinnvoll ist. Die Hypertrophie der Muskelfasern -als Ursache für das zunehmende Gewicht- steht in Zusammenhang mit einer Unterversorgung der Muskel aufgrund einer unzureichenden Durchblutung. Unterschiede in der Beschaffenheit des Fleisches (Farbhelligkeit, Tropfsaftverlust) konnten auf Differenzen im pH24h -Wert zurückgeführt werden.

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