Experimentelle Untersuchung der Treibstrahlwechselwirkung bei Raumfahrzeuglandemanövern unter simulierten Weltraumvakuumbedingungen
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Zusammenfassung
Satelliten und andere Raumfahrzeuge werden häufig mit chemischen Kleintriebwerken ausgestattet, die zur Anhebung oder Absenkung des Orbits, zur Lageregung und gegebenfalls auch zum Manövrieren bei Andockmanövern oder der Landung auf Himmelskörpern verwendet werden. Die Verwendung von mehreren kleineren Triebwerken in einer Clus- teranordnung, auch Triebwerksbündel genannt, ist dabei nicht unüblich. Die unter Weltraumvakuumbedingungen frei expandierenden Einzeltreibstrahlen des Clusters treten bei genügend kleinem Abstand zueinander in Wechselwirkung, was zur Ausbildung eines Sekundärtreibstrahls und zu einer erhöhten Beaufschlagung des Raumfahrzeugs stromauf der Düsenaustrittsebene führt. Bei einem Lande- oder Andockmanöver kommt es zudem zu einer Wechselwirkung zwischen den Treibstrahlen und der stromab gelegenen Oberfläche. Diese Wechselwirkungsphänomene wurden in der Literatur bereits untersucht, häufig im Rahmen von analytischen Be- trachtungen oder numerischen Simulationen. Experimentelle Untersuchungen eines frei expandierenden Treibstrahls unter Weltraumvakuumbedingungen sind nur aus der STG-CT des DLR Göttingen bekannt. Dort wurden in den letzten Jahren experimentelle und numerische Untersuchungen zur Expansion von zwei benachbarten Düsen angefertigt. Anknüpfend an diese Arbeiten wird in der vorliegenden Arbeit die Treibstrahl-Treibstrahl- und Treibstrahl-Oberflächen-Wechselwirkung innerhalb eines Clusters aus vier identischen Kaltgastriebwerken untersucht. Ziel der vorliegenden, neuen Arbeiten ist die experimentelle Charakterisierung der Wechselwirkungen, ihre Interpreta- tion auf Basis vorhandener Literaturdaten sowie die Gegenüberstellung neuer mit bereits bekannten Konfigurationen. Insbesondere werden die Zusammenhänge zwischen den Strukturen von Einzel- und Mehrfachtreibstrahlen, sowie zwischen diesen Freistrahlen und der Beaufschlagung auf stromauf und -ab gelegenen Oberflächen betrachtet. Im Rahmen dieser Arbeit wird dabei vordergründig die axiale Expansion und angulare Molekülstromdichtenverteilung der Treibstrahlen sowie die räumliche Verteilung der Beaufschlagungsdrücke auf stromauf und -ab positionierten Platten untersucht. Dazu wird die neue experimentelle Konfiguration mittels numerischer Berechnungen und experimenteller Daten auf ihre Übertragbarkeit zu bereits vorliegenden Arbeiten untersucht. Das Fernfeld des Einzel- und Mehrfachtreibstrahls wird vermessen und beschrieben, auch im Hinblick auf die Beeinflussung durch Ruhedruck im Triebwerk und Um- gebungsdruck in der Kammer. Die stromauf gelegene Beaufschlagung (Rückströmung) wird vermessen und ihre Beeinflussung durch die Anzahl der verwendeten Triebwerke, den Ruhe- und Umgebungsdruck sowie die Nähe zu einer stromab gelegenen Oberfläche untersucht. Zuletzt wird das Beaufschlagungsdruckprofil auf einer Oberfläche stromab der Düsenaustrittsebene des einzelnen Triebwerks und des Triebwerksclusters vermessen und dem Fall des frei expandierenden Treibstrahls gegenübergestellt. Es konnten konsistente experimentelle Daten gewonnen werden, die in späteren Arbeiten mit DSMC-Simulationen kombiniert werden können, um letztere zu validieren und zugleich die im Experiment gewonnenen Erkenntnisse zu er- weitern. DSMC steht für Direct Simulation Monte-Carlo, es ist ein numerisches Verfahren zur Lösung der Boltzmann- Gleichung in Nicht-Kontinnummsströmungen mittels stochastischer Methoden. Der wechselwirkende Treibstrahl des 4-Düsenclusters zeigt deutliche Unterschiede zum Einzeltreibstrahl, aber auch zum wechselwirkenden Treibstrahl aus zwei Düsen. Im in dieser Arbeit betrachteten 4-Düsencluster schließen deren Einzeltreibstrahlen den Sekundär- treibstrahl, also den Strömungsbereich stromab des ersten Wechselwirkungsstoßes, nach allen Seiten ab, wodurch die Rückströmung innerhalb des Clusterzentrums überproportional verstärkt wird. Das Gas strömt frei aus und isoliert das Clusterinnere von Änderungen der Umgebung. Selbst unter den hier betrachteten frei-molekularen Bedingungen werden auf stromab gelegenen Beaufschlagungsplatten Kontinuumsbedingungen und damit die Ausbildung von Bo- denstößen beobachtet. Bemerkenswert ist die komplexe Interaktion des Mehrfachtreibstrahls mit dem Bodenstoß. Es können verschiedene, ineinander übergehende Phasen dieser Wechselwirkung in Abhängigkeit der Flughöhe experimen- tell nachgewiesen und gasdynamisch beschrieben werden. Bei großen Flughöhen dominiert der Sekundärtreibstrahl, bei sehr kleinen Flughöhen die einzelnen Düsen des Clusters die Beaufschlagung. Dazwischen, im Entstehungsbereich des Sekundärtreibstrahls und bevor die Strömung so stark expandiert ist, dass er von aufgeweiteten statt diskreten Stößen begrenzt ist, wird eine komplexe Wechselwirkung zwischen den Treibstrahlen und dem stromab sowie stromauf gelegenen beaufschlagten Oberflächen, also allen Komponenten des betrachteten Systems, beobachtet.