Vergleichende stomatologische Untersuchungen an einer perserzeitlichen Skelettserie aus Kamid el-Loz (Libanon) und einer hellenistischen Skelettserie vom Kazartepe bei Milet (Türkei)

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2006

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In der vorliegenden Arbeit wurden zwei eisenzeitliche Skelettserien aus Kâmid el-Lôz im Libanon und Kazartepe bei Milet in der Türkei hinsichtlich pathologischer und morphologischer Erscheinungen an Zähnen und Kiefern ausgewertet. Ziel der Arbeit war festzustellen, ob die unterschiedlichen Lebensbedingungen und sozialen Zugehörigkeiten dieser Populationen einen Einfluss auf Zahn- und Mundgesundheit dieser Menschen hatten. Dazu wurden aus Kâmid el-Lôz 1.136 und vom Kazartepe bei Milet 1.905 bleibende und Milchzähne zunächst separat hinsichtlich Zahn- und Munderkrankungen sowie Zahnanomalien untersucht. Die Stichproben wurden nach Zahnpositionen und soweit wie möglich nach Geschlechtern getrennt auf die Befunde Zahnstein, Abrasionen, Karies, alveolarer Knochenabbau, apikale Parodontopathien, Schmelzhypoplasien und Zahnmaße analysiert. Anschließend wurden die Untersuchungsergebnisse für beide Populationen einander gegenübergestellt und mit denen anderer Studien über historische Zahnmaterialien verglichen. Die Ergebnisse der Untersuchungen können wie folgt zusammengefasst werden:1. Eine Geschlechts- und Altersbestimmung war nur beim Untersuchungsgut aus Kâmid el-Lôz annähernd möglich. Es wurden 25 weibliche und 18 männliche sowie 14 Individuen mit unbestimmbarem Geschlecht untersucht. Altersbezogen waren 11 Individuen den Klassen Infans I und II, 5 der Klasse Juvenis, 18 der Klasse Adult, 16 der Klasse Matur und 4 der Klasse Senil zuzuordnen; bei 3 Individuen war das Alter nicht feststellbar. 2. Der Erhaltungszustand des Untersuchungsmaterials aus Kâmid el-Lôz war mittel bis schlecht. Die Zähne vom Kazartepe lagen zu knapp 60% isoliert vor. Dieses Material war insgesamt in einem schlechten Zustand; vollständig erhaltene Kiefer waren nicht vorhanden, sondern nur größere und kleinere Teilfragmente. Dies wirkte sich nachteilig bei der Bestimmung des alveolaren Knochenabbaus und der apikalen Prozesse aus. 3. Die Zahnsteinhäufigkeit bei den bleibenden Zähnen der Population aus Kâmid el-Lôz lag mit 38,5% leicht unter dem Vergleichswert vom Kazartepe (39,1%). Bei beiden überwogen die leichten bis mittleren Ausprägungen. Die Zahnsteinablagerungen waren vor allem in den Bereichen der Ausführungsgänge der großen Mundspeicheldrüsen lokalisiert. Bei den weiblichen Individuen aus Kâmid el-Lôz wurde eine geringere Zahnsteinhäufigkeit festgestellt als bei den männlichen. Ein mit steigendem Alter zunehmender Zahnsteinbefall konnte nicht beobachtet werden. Bei beiden Populationen zeigten die Milchzähne keinen Zahnsteinansatz. 4. Die Zähne der Skelettserie aus Kâmid el-Lôz waren zu 96,2%, die vom Kazartepe zu 92,1% abradiert. Die Abrasionen lagen vor allem in den Graden 2 bis 4 vor. Die Abkauungen der Zähne aus Kâmid el-Lôz waren im Mittel stärker. Die männlichen Individuen dieser Serie wiesen häufiger Abkauungen auf als die weiblichen. Bei beiden Geschlechtern nahmen sie mit Ausnahme der Juvenilen mit steigendem Alter zu. Die Abrasionshäufigkeit bei den Milchzähnen lag jeweils bei gut 83%, wobei die mittleren Grade in Kâmid el-Lôz niedriger waren. 5. Die Karieshäufigkeit war bei der Population von Kâmid el-Lôz doppelt so hoch wie bei der vom Kazartepe. Caries media wurde bei beiden am meisten beobachtet; die Approximalflächen waren am häufigsten befallen. Die weiblichen Individuen aus Kâmid el-Lôz waren deutlich häufiger von Karies betroffen als die männlichen; die Gesamtkariesintensität für diese Population betrug 25,6% und für die vom Kazartepe 17,5%. Es wurde für Kâmid el-Lôz eine Kariesfrequenz von 76,1% festgestellt, für Kazartepe konnte diese nicht ermittelt werden, da die Gesamtzahl der Individuen unbekannt war. Bei der Skelettserie von Kâmid el-Lôz waren nur vier Milchmolaren von Kariesgrad 1 und bei der vom Kazartepe acht Milchmolaren von den Graden 2 und 3 befallen. 6. Entzündliche Veränderungen im Sinne einer Parodontits marginalis wurden bei 80,1% der Parodontien aus Kâmid el-Lôz vorgefunden. Dabei waren 55,2% von einem leichten, 37,5% einem mittleren und 7,3% von einem starken horizontalen Knochenabbau betroffen. Frauen wiesen insgesamt eine größere Häufigkeit auf als Männer, bei beiden Geschlechtern ist ein alveolarer Knochenabbau am häufigsten im adulten Alter sichtbar. Bei den Individuen vom Kazartepe waren insgesamt 26,9% der Parodontien von Parodontitis marginalis betroffen. Davon waren 57,2% ein leichter, 40,3% ein mittlerer und 2,4% ein starker horizontaler Knochenabbau. 7. Bei 19 Parodontien (3,8%) des Untersuchungsgutes und bei 21,7% der Individuen von Kâmid el-Lôz wurden apikale ostitische Prozesse am meisten im Molarenbereich diagnostiziert. Die weiblichen Individuen waren häufiger betroffen als die männlichen. Die apikalen Veränderungen waren bei der Population vom Kazartepe nur in vier Fällen festzustellen, da sehr wenige Kieferfragmente vorlagen. Eine statistische Auswertung konnte daher nicht erfolgen. 8. Bei der Population von Kâmid el-Lôz wurden bei 55,7% der Zähne transversale Schmelzhypoplasien hauptsächlich in den schwachen und mittleren Graden beobachtet. Frauen waren deutlich häufiger betroffen als Männer. Bei beiden Geschlechtern wurden die Maxima im adulten Alter erreicht. Schmelzhypoplasien waren bei den Zähnen vom Kazartepe sehr selten (3,6%) und in einer schwachen Ausprägung zu beobachten. 9. Die Zahnmaße wurden aufgrund der starken Abrasionen und häufiger Approximalkaries nur im mesio-distalen Zahnhalsbereich gemessen. Bei den Zähnen von Kâmid el-Lôz waren die Zähne der weiblichen Individuen in der Regel kleiner als die der männlichen. In der Gesamtbetrachtung waren die oberen Front- und Eckzähne größer als die entsprechenden Zähne im Unterkiefer; mit Ausnahme der zweiten Prämolaren waren die anderen Zahntypen im Unterkiefer größer. Bei der Skelettserie vom Kazartepe konnten die Zahnmaße nur für die Gesamtpopulation ermittelt werden. Die oberen Front- und Eckzähne waren größer als die unteren. Die zweiten Prämolaren beider Kiefer waren gleich groß, und alle Unterkiefermolaren waren größer als im Oberkiefer. 10. Bei der Population von Kâmid el-Lôz wurden in Bezug auf Zahnanomalien Wurzelzementum und Tuberkulum Paramolare sowie in Bezug auf Stellungsanomalien retinierte Frontzähne festgestellt. Das Untersuchungsgut vom Kazartepe zeigte Wurzelüberzahl bei Frontzähnen und Prämolaren sowie retinierte Eckzähne. Kâmid el-Lôz hatte einen eher dörflichen Charakter. Die Bewohner dürften vor allem Bauern und vereinzelt auch Handwerker gewesen sein. Feldarbeit und Tragen schwerer Lasten gehörten zum Alltag. Die Hauptnahrungsmittel waren Produkte von Ackerbau und Viehzucht. Demgegenüber war Milet eine antike Metropole und ein wichtiger Handelsplatz an der Westküste Kleinasiens, deren Bewohner in Wohlstand lebten; hierzu zählten auch professionelle Athleten und Philosophen. Insgesamt kann von einer sozial gehobenen Bevölkerungsschicht ausgegangen werden. Ein vielfältiges Nahrungsangebot, das auch frische Fische und Meeresfrüchte umfasste, war vorhanden. Die allgemeinen Lebensbedingungen können als sehr gut bezeichnet werden. Hierzu gehörten auch gute hygienische Verhältnisse und zahnmedizinische Versorgung. Dies spiegelt sich in den Untersuchungsergebnissen wider: Die Funde vom Kazartepe zeigten im Gegensatz zu denen von Kâmid el-Lôz deutlich weniger Karies, nur ein Bruchteil der Schmelzhypoplasien, weniger alveolaren Knochenabbau und apikale Parodontopathien. Die als Ziel dieser Arbeit gestellte Frage wird dahingehend beantwortet, dass ein direkter positiver Zusammenhang zwischen Lebensstandard, allgemeinen hygienischen Bedingungen, Art der Nahrung sowie ihrer Zubereitung und der Zahn- und Mundgesundheit besteht.


In this study two skeleton series of the Iron Age from Kâmid el-Lôz in Lebanon and Kazartepe by Milet in Turkey were, with regard to the pathological and morphological appearances on teeth and jaws, evaluated. The aim of the project was to identify if the different conditions of life and social belongings of these populations had an influence on the dental health of these people. In order to do this 1.136 permanent and milk teeth from Kâmid el-Lôz and 1.905 from Kazartepe were at first separately examined with regard to dental and oral pathology. The toothpositions of the skeletal samples were separately analyzed for calculus, attrition, caries, alveolar atrophy, apical parodontopathy, enamel hypoplasia and tooth size. As far as possible, a differentiation between the genders was made. Afterwards the results of the examination for both populations were compared with those of other studies. The results of the examination can be summarized as follows:

  1. A sex and age identification was only approximately possible for the sample from Kâmid el-Lôz. 25 female and 18 male, as well as 14 individuals with inidentifiable sex were examined. Aggregated were 11 of the classes infans I and II, 5 of the class juvenis, 18 of the class adult, 16 of mature and 4 belonging to the class senile; in the case of 3 individuals the age was not identifiable.
  2. The preservation conditions of the sample from Kâmid el-Lôz was average to poor. The teeth from Kazartepe were up to 60% isolated. This material was alltogether in a bad condition, completely preserved jaws were not existing, only bigger and smaller fragments. This had a negative effect on the identification of the alveolar atrophy and the apical processes.
  3. The calculus frequency of the permanent teeth of the population from Kâmid el-Lôz was with 38.5% only just under the comparative figure of Kazartepe (39.1%). Both samples showed slight to moderate accumulations. The calculus deposits were mostly located in the areas of the openings of sublingual and parotid ductules. The female individuals from Kâmid el-Lôz had less calculus frequency than the male. A with the age increasing calculus deposit could not be observed. For both populations the milk teeth did not show calculus.
  4. The teeth of the skeleton series from Kâmid el-Lôz were to 96.2%, and those from Kazartepe to 92.1% worn. The attritions were mostly in between the degrees 2 to 4. The average wear of the teeth from Kâmid el-Lôz was higher than of those from Kazartepe. The male individuals of this series showed more often attritions than the female. For both sexes the dental wear, except the juveniles, increased with age. The attrition frequency of the milk teeth were in both cases slightly above 83%, whereas the average degrees in Kâmid el-Lôz were lower.
  5. The population Kâmid el-Lôz was twice as high affected by caries as those from Kazartepe. Caries media was for both most observed; the interproximal surfaces were affected most. The female individuals from Kâmid el-Lôz were clearly more often affected by caries than the male. The total caries intensity for his population came up to 25.6%, and for Kazartepe up to 17.5%. For Kâmid el-Lôz a caries frequency of 76.1% was determined, for Kazartepe a frequency could not be determined, because the total number of individuals was unknown. For the skeleton series of Kâmid el-Lôz only 4 deciduous molars were affected by caries degree 1 and by those of Kazartepe 8 deciduous molars by the degrees 2 and 3.
  6. Inflammantory changes like a marginal parodontitis were observed for 80.1% of the parodontia from Kâmid el-Lôz. 55.2% of them were slightly affected by a horizontal alveolar atrophy, 37.5% moderately, and 7.3% were severely affected. Female showed a greater frequency than male, for both genders an alveolar atrophy is mostly shown in an adult age. A total of 26.9% of parodontia from the individuals of Kazartepe were affected by marginal parodontitis. Of those 57.2% had a slight, 40.3% an moderate, and 2.4% a severs horizontal alveolar atrophy.
  7. For 19 parodontia (3.8%) of the sample and for 21.7% of the individuals of Kâmid el-Lôz apical parodontopathies were mostly diagnosed in the molar region. The female individuals were more often affected than the male. The apikal changes of the population from Kazartepe were only determined in 4 cases. Due to a lack of jaw fragments, a statistic evaluation could not take place.
  8. 55.7% of the teeth from the population of Kâmid el-Lôz showed transverse linear enamel hypoplasias mostly in den slight and moderate degrees. Women were clearly more often affected than men. Both sexes reached the maximum in adult age. Enamel hypoplasias of the teeth from Kazartepe were very rare (3.6%) and weakly pronounced.
  9. Due to the strong attritions and frequent interdental caries the tooth sizes were only measured in the mesio-distal cervical region. The teeth of the female individuals of Kâmid el-Lôz were mostly smaller than those of the male. Overall the upper incisors and canines were bigger than the corresponding teeth in the lower jaw; with the exception of the 2nd premolars the other toothtypes in the lower jaw were bigger. The tooth sizes for the skeleton series of Kazartepe could only be calculated for the total population. The upper incisors and canines were bigger than the lower. The 2nd premolars of both jaws were the same size, and all lower molars were bigger than in the upper jaw.
  10. For the population of Kâmid el-Lôz were, regarding to tooth anomalies dental root cementum and tuberkulum paramolare as well as regarding tooth position anomalies retained incisors determined. The sample from Kazartepe showed incisor and premolar root surplusses as well as retained canines. Kâmid el-Lôz had more a charcter of a village The inhabitants should mostly have been farmers and occasionally craftsmen. The work in the fields and the carrying of heavy loads were part of everyday life. The main foods were products from livestock and agriculture. In contrast to that, Milet was a antique metropolis and an important trade market for the westcoast of Asia Minor, whose inhabitants, including professional athletes and philosophers, lived in prosperity. Alltogether we can say that it was an upper-class-society. A divers foodchoice, that included fresh fish and seafood was available. The general conditions of life can be described as very good. Partly because of good hygienic conditions and dental treatment. This is reflected in the results of the examinations: The finds of Kazartepe compared to the ones of Kâmid el-Lôz showed clearly less caries, only a fraction of enamel hypoplasias, less alveolar atrophy and apical parodontopathy. In conclusion, it can be said that there is a direct, positive connection between the lifestandard, general hygienic conditions, kinds of foods and their preparation and the tooth- and mouthhealth.

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Giessen : VVB Laufersweiler 2006 (Edition scientifique)

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