Konfliktiver Extraktivismus: Bergbau, Institutionen und sozial-ökologische Konflikte in Peru und Kolumbien

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2022-04

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Wissenschaftliche Debatten über den sogenannten Ressourcenfluch (resource curse) behandeln sozial-ökologische Konflikte als eine von zahlreichen negativen Konsequenzen eines rohstoffbasierten Entwicklungsmodells, das häufig auch als „Extraktivismus“ tituliert wird. Kritiker:innen wiederum argumentieren, dass es nicht die natürlichen Ressourcen eines Landes seien, die die Probleme verursachten, sondern vielmehr deren Einbettung in einen Kontext „schlechter“ Institutionen. Obwohl diese Begründung zunächst plausibel erscheinen mag, fehlt es solchen Perspektiven meist an analytischer Schärfe sowie empirischen Grundlagen jenseits oberflächlicher Betrachtungen. Ausgehend davon soll die vorliegende Dissertation anhand der Bergbaupolitiken Perus und Kolumbiens detailliert darstellen und erklären, wie unterschiedliche institutionelle Settings in strukturell ähnlichen Ländern, verschiedene Konfliktformen und -intensitäten hervorbringen. Die Arbeit kritisiert vorherrschende Ansätze, die nutzenmaximierende Einstellungen gesellschaftlicher Akteure bereits voraussetzen, und argumentiert, dass diese, aber auch bereits Konzepte natürlicher Ressourcen durch Institutionen sozial konstruiert werden. Dazu werden Analysemethoden des Historischen Institutionalismus sowie eines akteurszentrierten Institutionalismus verwendet. Die Untersuchungen basieren dabei sowohl auf (insbesondere lokalen) Primär- und Sekundärquellen als auch auf leitfadengestützten Expert:inneninterviews. Es wird argumentiert, dass sich in Peru und Kolumbien neoliberale extraktivistische Entwicklungsmodelle infolge ökonomischer und politischer Krisen in den 1990er-Jahren (Peru) bzw. frühen 2000er-Jahren (Kolumbien) herausgebildet haben, bei denen technokratisch-geprägte „Expert:innen“ Schlüsselfunktionen in den Entscheidungszentren beider Staaten einnahmen. Diese Akteure verfolgen im Zusammenspiel mit den dominanten Eliten ein Wirtschaftsmodell, bei dem ausländische Direktinvestitionen und eine Begrenzung staatlicher Interventionen die zentrale Rolle spielen. Es ergibt sich eine Hegemonie neoliberal-technokratischer Normen unter den staatlichen Akteuren, die dazu führt, dass demokratische Partizipationsprozesse effektiv eingeschränkt werden. Während in Peru staatliche Akteure im Bereich des Bergbaus erfolgreich Partizipation – auf nationaler und lokaler Ebene – beschränken können, was zu verstärkten sozial-ökologischen Konflikten führt, können in Kolumbien starke nicht-technokratische Akteure, wie das Verfassungsgericht, Partizipationsmöglichkeiten ausbauen und sogar eine Pluralität von Naturkonzepten formell institutionalisieren. So werden dort Konflikte häufig friedlich kanalisiert. Nichtsdestotrotz beeinträchtigen parastaatliche Gewaltakteure diese Prozesse und tragen somit dazu bei, das extraktivistische Modell zu stabilisieren und Eliteninteressen in der Abwesenheit des Staates durchzusetzen. Die Ergebnisse dieser Arbeit können als Grundlage für praktische Überlegungen zur Vermeidung und Reduzierung sozial-ökologischer Konflikte im Kontext der Ressourcenextraktion fungieren sowie Ausgangspunkt für weitere vergleichende Länderstudien im Sinne eines „comparative extractivism“ sein.

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