Risikobewertung von Chemikalien mit Fließgewässermodellökosystemen : die Entwicklung eines Mesokosmos-Testsystems und eine Pilotstudie mit dem Tierarzneimittel Ivermectin

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2016

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Der Erhalt von Binnengewässern mit ihren Artengemeinschaften zählt zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Kleine Fließgewässer in Agrarlandschaften sind unter anderem durch den Eintrag von Agrochemikalien wie Pflanzenschutzmitteln (PSM) und Tierarzneimitteln (TAM) bedroht. In der Umweltrisikobewertung (URB) von PSM oder TAM werden hauptsächlich Modellökosysteme verwendet, die stehende Gewässer simulieren. Diese unterscheiden sich jedoch in ihrer Ökologie fundamental von Fließgewässern, was zu Unsicherheiten in der URB für Fließgewässer führen kann.Das Ziel dieser Arbeit war, Fließgewässermodellökosysteme (FGMÖ) zu etablieren, mit denen sich das Risiko von PSM oder TAM für kleine Fließgewässer möglichst präzise abschätzen lässt. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf dem Makrozoobenthos inklusive EPT-Taxa (Ephemeroptera, Plecoptera und Trichoptera), da diese Organismen eine zentrale Rolle in Fließgewässern spielen und besonders empfindlich auf Belastungen mit PSM oder TAM reagieren. Die Methoden zur Versuchsdurchführung wurden in mehreren Testdurchläufen entwickelt und optimiert. Abschließend wurden die Effekte des TAM Ivermectin auf Fließgewässerorganismen untersucht. Im ersten Testdurchlauf mit vier FGMÖ, in denen der Wasserfluss durch horizontale Pumpen erzeugt wurde, waren die Wassertemperatur und der pH-Wert signifikant höher als in natürlichen Referenzbächen, während die Fließgeschwindigkeit deutlich geringer war. Im Makrozoobenthos waren zwar die typischen Ordnungen vertreten, doch die Diversität war geringer als in den Referenzbächen. Anhand der Berechnung der minimalen Unterschiede, die statistisch hätten erfasst werden können (MDDs: Minimum Detectable Differences), wurde deutlich, dass die statistische Stärke der FGMÖ für eine adäquate Risikobewertung von PSM oder TAM mit insektizider Wirkung nicht ausreichend war.Dank einer verbesserten Methodik für die Besiedlung der FGMÖ und zur Probenentnahme war die Diversität des Makrozoobenthos im zweiten sechswöchigen Testdurchlauf gegenüber dem ersten signifikant erhöht. Zudem reichte die statistische Stärke, um potentielle Effekte auf 14 gegenüber Insektiziden besonders sensitiven Taxa nachzuweisen, ein Plecoptera-Taxon war jedoch nicht darunter. Der nächste Entwicklungsschritt der FGMÖ bestand in der Umrüstung auf ein Antriebssystem mit Elektromotor und Schaufelrad, mit dem naturnahe Strömungsverhältnisse generiert und die mittlere Fließgeschwindigkeit stufenlos geregelt werden konnten. Im dritten, achtwöchigen Testdurchlauf mit vier Replikaten des strömungsoptimierten Prototyps wurde eine Makrozoobenthos-Gemeinschaft nachgewiesen, die in Bezug auf ihre taxonomische Zusammensetzung, den Anteil sensitiver Arten und funktioneller Gruppen sowie ihr Erholungspotential repräsentativ für Bäche in Agrarlandschaften war. Insgesamt 21 Taxa, davon 15 Arthropoden einschließlich jeweils zwei EPT-Taxa, erfüllten die Voraussetzungen für eine statistisch belastbare Auswertung. Darüber hinaus belegte eine Gegenüberstellung mit zeitgleich durchgeführten statischen Mesokosmos-Studien, dass sich das Makrozoobenthos in den FGMÖ mit wesentlich höherer ökologischer und statistischer Aussagekraft analysieren lässt als in Mesokosmen, die stehende Gewässer nachahmen. Im letzten Teil der vorliegenden Arbeit wurden die Effekte von Ivermectin in einem zehnwöchigen Experiment mit neun FGMÖ untersucht. Ivermectin ist das am häufigsten angewendete Antiparasitikum und aufgrund seines Wirkmechanismus besonders toxisch für Arthropoden und Nematoden. Nach einmaliger Applikation von 30 ng Ivermectin/L waren in den FGMÖ leichte Kurzzeiteffekte auf Ephemeroptera, Trichoptera und die Makrozoobenthos-Gemeinschaft zu beobachten sowie Langzeiteffekte ohne Erholung auf die mikrobielle Abbaurate partikulärer organischer Substanz. Die signifikant erhöhte mikrobielle Abbaurate wurde vermutlich indirekt durch eine Abnahme der Abundanz von bakterivoren Nematoden hervorgerufen. Anhand der höchsten Testkonzentration, bei der keinerlei Effekte auftraten (NOEC: No Observed Effect Concentration, 3.3 ng Ivermectin/L), wurde mithilfe eines Bewertungsfaktors von zwei ein aus regulatorischer Sicht akzeptabler Grenzwert (PNEC: Predicted No Effect Concentration) von 1.65 ng Ivermectin/L abgeleitet. In Abhängigkeit vom Anwendungs- und Expositionsszenario werden < 0.2-29 ng Ivermectin/L in Fließgewässern erwartet. Das Überschreiten der PNEC bei fünf von acht Worst-Case Szenarien zeigte ein erhöhtes Risiko an.Mit den hier vorgestellten Ergebnissen konnte belegt werden, dass sich die entwickelten FGMÖ für eine URB mit hoher ökologischer und statistischer Aussagekraft eignen. Damit stellen sie eine sinnvolle Ergänzung zu statischen Mesokosmen in höherstufigen Testverfahren zur aquatischen Risikobewertung von Chemikalien dar.

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