Evidenzbasierte Leseförderung in der Grundschule : Vergleich der Wirksamkeit eines Phonics- und eines Leseflüssigkeitstrainings in der zweiten und vierten Grundschulklasse

Datum

2014

Autor:innen

Betreuer/Gutachter

Weitere Beteiligte

Herausgeber

Zeitschriftentitel

ISSN der Zeitschrift

Bandtitel

Verlag

Zusammenfassung

International sind Phonicsansätze und Programme zur Förderung der Leseflüssigkeit bereits bekannt und haben sich in Studien als vielversprechend herausgestellt (NRP, 2000). In Deutschland sind diese Ansätze zwar in einigen Förderprogrammen als Bausteine wiederzufinden, zur isolierten Wirksamkeit gibt es bis dato jedoch nur vereinzelte Befunde (z.B. Klicpera &

Weiß, 2004; Rosebrock &

Nix, 2006; Walter, 2010b). Beide Ansätze sollen aus diesem Grund für den deutschen Sprachraum evaluiert werden. Weiterhin ist bislang unklar, auf welchen Ebenen des Leseprozesses die Förderkonzepte wirksam sind. Aus diesem Grund wurde die Effektivität der Trainings sowohl auf Wort- als auch auf Textebene überprüft. Die Untersuchung erfolgte zudem sowohl in der zweiten als auch in der vierten Klassenstufe, um die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in den beiden Schuljahren zu berücksichtigen. Phonicsförderung zielt in erster Linie auf den Erwerb, die Festigung und die Automatisierung hierarchieniedriger Prozesse ab. Basierend auf der Dual-Route-Theorie (Coltheart, 1976) soll die dominierende Leseroute von einer indirekten Route, bei der Buchstabe für Buchstabe gelesen wird, zu einer direkten Route übergehen, bei der sublexikalische Einheiten bereits automatisiert gelesen werden. Leseflüssigkeitsförderung zielt in erster Linie auf die Verbesserung der hierarchieniedrigen Dekodierfertigkeiten ab. Solche Ansätze erzielen nach vorliegenden Befunden auch Transfereffekte auf das hierarchiehohe Leseverständnis (Rosebrock &

Nix, 2006). Das wiederholte Lautlesen (Topping, 2006a) hat sich als wirksam zur Verbesserung aller Leseflüssigkeitskomponenten (Dekodieren, Geläufigkeit, Prosodie) herausgestellt (z.B. Therrien, 2004). Nach LaBerge und Samuels (1974) können sich Fortschritte in hierarchieniedrigen Kompetenzen auch auf hierarchiehöhere Fähigkeiten auswirken, da hierfür mehr Arbeitsgedächtniskapazität verfügbar wird. In der Studie mit Prä-Post-Follow-up-Design wurden ca. 300 Kinder des zweiten Schuljahrs und ca. 300 Kinder des vierten Schuljahrs mit einem allgemeinen Lesetest (ELFE 1-6, Lenhard &

Schneider, 2006) gescreent. Die fünf Kinder, die in ihrer Leseleistung die niedrigsten fünf Rangplätze ihrer eigenen Klasse innehatten, wurden für die peergestützte Förderung ausgewählt. Der lesestarke Lesepartner wurde aus den fünf stärksten Lesern der gleichen Schulklasse bestimmt. Auf diese Weise wurden ca. 80 schwache Leser pro Schuljahr ausgewählt, die wiederum drei Versuchsbedingungen zugewiesen wurden. Jeweils ca. 25 Leseschwache erhielten ein Phonicstraining, ein Leseflüssigkeitstraining oder ein Kontrolltraining in Form eines leseunspezifischen Arbeitsgedächtnistrainings. Zusätzlich wurde aus den Kindern, die sich im mittleren Kompetenzbereich der Klasse befanden und nicht für die Förderung ausgewählt wurden, eine ungeförderte Kontrollgruppe bestimmt. Die Förderung umfasste insgesamt 25 Fördersitzungen, welche jeweils eine Schulstunde dauerten. Die Förderung fand zweimal wöchentlich statt und eine geschulte, studentische Hilfskraft betreute dabei jeweils fünf Tandems aus leseschwachen und lesestarken Schülern. Das Phonicstraining erwies sich in der zweiten Klassenstufe als signifikant wirksamer als das Arbeitsgedächtnistraining im schnellen Wortlesen. Ebenfalls konnte das Training langfristig das ELFE Wortverständnis (ELFE 1-6; Lenhard &

Schneider, 2006) der Zweitklässler signifikant stärker verbessern als die ungeförderte Kontrollgruppe. Die basalen Defizite der Zweitklässler konnten durch das Training somit erfolgreich angegangen werden, während auf Textebene keine Effekte vorlagen. Im vierten Schuljahr konnten keine signifikanten Effekte für das Phonicstraining gefunden werden. Möglicherweise liegt dies darin begründet, dass die basalen Leseprozesse bei den Viertklässlern bereits so weit entwickelt sind, dass sie nicht weiter von der Förderung auf dieser Ebene profitieren konnten. Das Training wird daher für den Einsatz in niedrigen Klassenstufen und bei hierarchieniedrigen Defiziten empfohlen. Das Leseflüssigkeitstraining zeigte im vierten Schuljahr eine signifikant höhere Wirksamkeit im schnellen Textlesen (LDL; Walter, 2010) im Vergleich zum Arbeitsgedächtnistraining. Das Programm erwies sich zudem bezüglich des Leseverständnisses auf Textebene (ELFE Textverständnistest; Lenhard &

Schneider, 2006) als langfristig wirksam im Vergleich zu den Kontrollgruppen und auch im Vergleich zum Phonicstraining. Für die zweite Klasse konnten für das Leseflüssigkeitstraining keine signifikanten Trainingseffekte nachgewiesen werden. Vermutlich sind die Defizite bei schwachen Zweitklässlern noch so basal, dass sie von dem hierarchiehöher ansetzenden Training nicht ausreichend profitieren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich das Training eher für den Einsatz in höheren Klassen der Grundschule eignet, wenn die hierarchieniedrigen Fertigkeiten bereits weitgehend erworben sind.


Phonics- and fluency trainings are internationally already well known to be effective to improve reading competence (NRP, 2000). In contrast, only few evaluations of those specific reading intervention programs can be found in Germany (i.e. Klicpera & Weiß, 2004; Rosebrock & Nix, 2006; Walter, 2010b). The aim of this study is therefore to evaluate both kinds of trainings for German speaking children. Additionally, to date an evaluation of the efficiency of the trainings on the different levels of the reading process has been missing. That is why both trainings are evaluated on both, word and text level, of the reading process. Also the trainings are evaluated for weak readers in 2nd and 4th grades of elementary schools in order to take their specific deficits in reading into account. Phonics interventions primarily focus on the improvement of processes which are considered low order in the hierarchy of the reading process, like acquisition, consolidation and automation of reading on and below word level. Based on the dual-route-theory (Coltheart, 1976) the dominating reading route should be relocated from an indirect route, where scholars read letter-by-letter, to a direct route, where word segments are recognized automatically. Fluency interventions primarily aim on the improvement of decoding skills low in hierarchy, but are also found to be effective to enhance reading comprehension, which is located on the highest level of the reading process (Rosebrock & Nix, 2006). Repeated reading (Topping, 2006a) seems to be effective to improve all components of reading fluency (decoding, fluency, prosody; i.e. Therrien, 2004). LaBerge and Samules (1974) argued that progress in decoding skills low in hierarchy can lead to improvement of processes higher in hierarchy, because more working-memory capacity becomes available. This study consisted of a pre-post-follow-up-design. About 300 2nd graders and 300 4th graders were screened with a general reading test (ELFE 1-6, Lenhard & Schneider, 2006). From each participating class the five weakest readers were chosen to receive a peer-based reading intervention. The five strongest readers of each class were assigned as their reading partners.For both grades 80 poor readers were chosen and allocated to one of three treatment conditions: a phonics intervention, a fluency intervention or a control treatment, that consisted of a non-reading working memory training. Additionally, an untrained control condition was constructed by selecting the weakest readers among the children that did not get any kind of treatment. Each intervention consisted of 25 reading lessons of 45 minutes which took place twice a week. A trained assistant supervised five teams of poor and strong readers. In 2nd grade phonics intervention proved to be significantly more effective than working memory training to enhance fast word reading. Furthermore, it proved to be significantly more effective than the untrained control group in the long-term improvement of word comprehension (ELFE 1-6; Lenhard & Schneider, 2006). The very basic deficits in reading of the 2nd graders could effectively be approached by phonics intervention, while no effects could be shown on text level. In 4th grade no significant effects for the phonics treatment were found. Possibly the training was not successful for those children because their basic reading processes were already developed sufficiently and an additional training on this reading level could not provide further improvement. The training is therefore primarily recommended for use in lower grades of elementary school and for treatment of low order deficits. In 4th grade fluency intervention proved to be significantly more effective than working- memory intervention to enhance fast text reading (LDL; Walter, 2010). Children in this condition also performed significantly higher on text comprehension in the long run (ELFE text comprehension; Lenhard & Schneider, 2006) compared to both control groups and to phonics intervention. In 2nd grade, no significant treatment effects could be found for fluency intervention. Weak 2nd graders probably show too basic reading deficits to benefit from a treatment that focuses on higher order reading level. The results suggest that the training is more suitable for use in higher grades of elementary schools, where children already possess the most basic reading skills.

Beschreibung

Inhaltsverzeichnis

Anmerkungen

Erstpublikation in

Sammelband

URI der Erstpublikation

Forschungsdaten

Schriftenreihe

Erstpublikation in

Zitierform