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Wahrnehmungsdefizite bei zentralen neurologischen Erkrankungen : Farbwahrnehmung auf retinaler und zerebraler Ebene

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2006

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Zusammenfassung

Die vorliegende Dissertation gibt einen kurzen Überblick über die trichromatische Farbwahrnehmung des Menschen. Nach einer Übersicht über die funktionelle Neuroanatomie der Retina und retinaler Ganglienzellen werden die beiden Systeme magno- und parvozellulärer Verschaltung erläutert sowie höhere kortikale Areale. Der DKL-Raum einschließlich seiner neuronalen Korrelate wird dargestellt, ebenso wie die chromatischen Eigenschaften kortikaler Zellen.

Studien über selektive Funktionszentren im Gehirn wurden bereits an Kriegsverletzten durchgeführt, die eine Läsion durch eine Schussverletzung erlitten hatten. Wie für verschiedene andere Funktionen wurde auch ein Zentrum speziell für Farbwahrnehmung postuliert. Der Trend aktueller Forschung geht jedoch tendenziell von dem Ansatz eines speziellen Zentrums für einzelne Funktionen weg, da das Zentralnervensystem bei Verletzungen Funktionsausfälle erstaunlich gut plastisch kompensieren kann.

Der methodische Kern der vorliegenden Dissertationsschrift wird gebildet von einer Untersuchung an 28 neurologischen Patienten mit einer eigens entwickelten Testbatterie. Diese wurde an 70 Probanden normiert. Mittels dieser können verschiedene Teilleistungen des Farbensehens betrachtet werden. Dazu gehören das Entdecken, das Unterscheiden und das Identifizieren farbiger Reize sowie Aufgaben zur Farbkonstanz. In der Läsionsanalyse untersuchen wir Assoziationen und Dissoziationen zwischen den einzelnen Testleistungen und den verletzten neuronalen Korrelaten. In der Läsionsanalyse findet sich wiederholt ein Überlappungsbereich, der auf die Region V4 hinweist, die in der Literatur als Farbzentrum benannt wird. Auch wenn es sich hier nicht um ein exklusiv farbverarbeitendes Zentrum handelt, so lässt sich in Betracht ziehen, dass es anteilig am farbverarbeitenden Prozess beteiligt ist und sei es nur weiterleitend oder umschaltend. Einige Patienten, die Defizite in der Farbkonstanz zeigen, haben beschreibbare unilaterale Läsionen, die bedeutsam anterior und temporal des lingualen und fusiformen Gyrus liegen und somit dicht an der Insula im Sulcus lateralis. Bei selektiv exklusiven Störungen der Diskriminierungsleistung finden wir Läsionen im parietal-inferioren Bereich, am Übergang zum Okzipitallappen. Bei Schwierigkeiten in der Kategorisierungsaufgabe scheint keine Systematik hinter der Läsionsverteilung zu stehen. Wir können zeigen, dass ein pauschaler Ausfall der Farbwahrnehmung als Konstrukt nicht haltbar ist. Farbwahrnehmung ist ein komplexer Leistungsbereich, dessen einzelne Anteile betrachtet werden sollten.

Wir konnten unsere Testbatterie an zwei prototypischen Patienten mit zerebraler Achromatopsie anwenden. Unsere Ergebnisse des aus der Literatur bekannten Achromatopsiepatienten M.S. zeigen, dass in Transparenzaufgaben eine residuale Fähigkeit zur Farbkonstanz erhalten geblieben ist. Vergleich, Benennung und Matching von Farben sind ihm jedoch in unseren Aufgabenstellungen nicht möglich.

Eine Experimentserie wurde der Untersuchung farbverarbeitender Mechanismen in der Retina gewidmet. Die obsolete Lehrmeinung, dass Farbwahrnehmung außerhalb der Fovea nicht möglich sei, wird durch aktuelle Forschung häufig unterstützt. Wir widersprechen dieser Annahme und untersuchen Farbwahrnehmung über weite Teile des Gesichtsfeldes. Farbige Reize können bis mindestens 50° mittels chromatisch opponenter Mechanismen zuverlässig entdeckt und identifiziert werden, wenn sie groß genug sind. Die Größe der verwendeten Stimuli ist entscheidend, um den großflächigen dendritischen Verschaltungen der Netzhautperipherie gerecht zu werden. In der Farbunterscheidung finden sich nicht nur Schwellenunterschiede zwischen Fovea und Peripherie, sondern auch funktionale Unterschiede. Während in der Fovea die Unterscheidung von Farbtönen einfacher ist als die Unterscheidung von Farbsättigungen, trifft dies in der Peripherie nur für Reize der L-M-Achse zu. Für alle anderen Farbdirektionen scheint die Sensitivität für Farbsättigungsunterschiede ebenso gering zu sein wie für Farbtonunterschiede. In der retinalen Peripherie darf nicht von einer Befähigung oder Unfähigkeit zur Farbwahrnehmung ausgegangen werden. Vielmehr müssen auch hier Teilleistungen eruiert werden. Während Detektion und Benennung bei adäquatem Reizmaterial bis 50° Exzentrizität unbeeinträchtigt sind, muss bei Unterscheidungsaufgaben zwischen Farbtonunterschieden und Sättigungsunterschieden innerhalb der gleichen Farbe differenziert werden.

In der Zusammenfassung widersprechen wir der Annahme der Farbwahrnehmung als einheitliches Konstrukt und eines neurologischen Korrelates dieser. Vielmehr zeigen sowohl die Läsionsanalysen an neurologischen Patienten als auch die Gesichtsfelduntersuchungen an gesunden Probanden, dass Farbwahrnehmung in separate Konstrukte zerfällt, die einzeln gemessen werden können und müssen.

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