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Bauern, Hirten und Gelehrte : Die italienische Villenkultur und Entwürfe ländlichen Lebens zwischen Ideal und Wirklichkeit

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2006

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Die modellbildenden Schriften sowohl der georgischen als auch der bukolischen Tradition haben in Antike und Neuzeit ihren Ausgang in Italien genommen, einem Land, das mit der "villeggiatura" ein "städtisches Landleben" hervorgebracht hat, wie es das übrige Europa nicht kannte. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die sich in der italienischen Literatur auf unterschiedliche Weise manifestierende und einer dezidiert städtischen Perspektive geschuldete Idealisierung des Ländlichen mit der zeitgenössischen Realität der Villenkultur in Beziehung gesetzt werden kann.Nach einem Überblick über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der italienischen Villenkultur wird zunächst die Entstehung des Villenideals nachgezeichnet, das seinen paradigmatischen Ausdruck in den Villenbüchern des Cinquecento findet. Die Villa wird in ihnen zu einem Ort erhoben, an dem das auf Erden bestmögliche Leben zu verwirklichen sei, wobei der Landwirtschaft als Basis dieses Lebens eine ganz maßgebliche Rolle beigemessen wird. Die ideale Form des Villenlebens konkretisiert sich dabei im Entwurf des "buon agricoltore", der landwirtschaftliche Betätigung und Gelehrtendasein, "vita rustica" und "vita contemplativa", in sich vereint und die Villa zu einem Ort der Agrikultur und Geisteskultur werden läßt. Neben dem rustikalen, der Landwirtschaft verpflichteten Landleben hat mit der "vita pastorale" des Hirten eine weitere ländliche Existenzform große Verbreitung in der italienischen Literatur gefunden. Ausgehend von Lanaro Sartoris Einschätzung der Pastoraldichtung als Produkt der Villenideologie stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis "vita pastorale" und die für die Villenliteratur konstitutiven Elemente von "vita contemplativa" und "vita rustica" stehen. Dabei erweisen sich die Landlebenentwürfe von Villenliteratur und Pastoraldichtung als gleichermaßen fiktional konstruierte, so daß die im Titel dieser Arbeit postulierte Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit sich nicht auf den Gegensatz zwischen beiden Textsorten bezieht, sich aber auch nicht auf den zwischen außerliterarischer Wirklichkeit und Fiktion reduziert. Vielmehr weisen beide Gattungen ein komplexes Gewebe von literarischem Zitat, Projektionen und realistischen Bezügen auf, das zwischen Idealisierung und Verachtung des Ländlichen oszilliert. In beiden ist diese Ambivalenz nur auf den ersten Blick in einem Zustand paradiesischer Harmonie aufgehoben. Es zeigen sich deutliche soziale Spannungen, und der Stadt-Land-Gegensatz wird nicht, wie es zunächst den Anschein hat, zugunsten der Ländlichkeit aufgehoben, sondern wie die städtische Villenkultur aufs Land übertragen. Bauern- und Hirtentum werden über Jahrhunderte hinweg aus städtischer Sicht vereinnahmt, positiv konnotiert und mit der Figur des Dichters oder Gelehrten kombiniert. Nachdem die Vereinnahmung der ländlichen Rollenbilder seitens eines städtischen Publikums schon in der Renaissance auf vereinzelte Kritik gestoßen ist, hat wie auch anhand bildkünstlerischer Villenausstattungen gezeigt werden konnte insbesondere das Realitätspostulat der Aufklärung zur Differenzierung zwischen "städtischer" und "wahrer" Ländlichkeit beigetragen. Daß Goldoni dies im Rahmen seiner Villenkomödien auch unter Rekurs auf die pastorale Tradition tut, zeugt erneut von der Affinität zwischen Villenkultur und pastoralem Vorstellungsbereich. Wie die "vita rustica" erweist sich auch die "vita pastorale" als Rollenspiel, das in seiner Position zwischen Distanznahme von und Identifikation mit der Stadt der "villeggiatura" als städtischem Landleben entspricht. Beide sind Gegenentwürfe zum Stadtleben, die wie die Villenkultur weit davon entfernt sind, ihre städtischen Wurzeln zu leugnen, und in ihrem Kern die Sehnsucht des Menschen nach einem Ort "außer der Welt in der Welt" bedienen.

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