AIDS im gesellschaftlichen Bewußtsein : Aspekte der Stigmatisierung von HIV-Infizierten und Risikogruppen

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2002

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Zusammenfassung

Die Ergebnisse dieser Studie entstammen dem Forschungsprojekt ´Sozialpsychologische Aspekte von AIDS unter besonderer Berücksichtigung von Diskriminierungs- und Stigmatisierungsprozessen´, das 1989 und 1990 am Zentrum für Psychosomatische Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen durchgeführt wurde.Im quantitativ-repräsentativen Teil des Projekts wurden 2025 Erwachsene zu ihren Einstellungen und Verhaltensweisen in Verbindung mit HIV/AIDS und Sexualität befragt. Erstmals wurden neben soziodemografischen Angaben auch sozialpsychologische Instrumente erhoben. Neben einer Kurzskala zur Messung von ´Autoritarismus´ wurde u.a. der Gießen-Test im Fragebogen verwendet. Der Gießen-Test als Persönlichkeitsinventar zeichnet sich besonders durch die Berücksichtigung sozialer Aspekte aus.Einstellung gegenüber Minderheiten und RisikogruppenDie Ergebnisse zeigen, dass näher und bedrohlicher empfundene Minderheiten stärker abgewehrt und verunglimpft werden. Die Hauptbetroffengruppen in bezug auf HIV/AIDS (Homosexuelle, Prostituierte, Drogenabhängige) werden im Kontext anderer Bevölkerungsminderheiten klar identifiziert. Faktorenanalysen zeigen eine deutliche Drei-Gruppen-Einteilung von Minderheiten: 1. die ´sehr unsympathischen´ (HIV/AIDS-)Risikogruppen, 2. die ´unsympathischen´ Angehörigen anderer Kulturen (türkische Gastarbeiter, Zigeuner, Asylbewerber etc.) und 3. Personengruppen, die sich durch politischen Protest kennzeichnen (Atomkraftgegner, Feministinnen).Maßnahmen des Staates gegenüber Risikogruppen und HIV-InfiziertenBei der Zustimmung zu staatlichen Maßnahmen in Bezug auf HIV/AIDS läßt sich eine Polarisierung beobachten. In der Bevölkerung werden auf der einen Seite stärker bestrafende Maßnahmen und auf der anderen Seite präventiv wirkende Kampagnen, die der Aufklärung dienen, befürwortet.Die Akzeptanz harter strafender Präventivmaßnahmen gegen Angehörige der Hauptbetroffenengruppen ist am weitesten im Personenkreis mit autoritärer Charakterstruktur und bei Personen mit ohnehin negativen Einstellungen gegenüber diesen Minderheiten verbreitet. Demgegenüber ist die verstärkte Zustimmung zu aufklärenden statt strafenden Vorgehensweisen mit positiverem Selbstwertgefühl und größerer Handlungskompetenz sowie der Fähigkeit zur Empathie verbunden.Zusammenhänge zwischen Kontaktbereitschaft, Toleranz und SexualverhaltenAnhand der Korrelationen mit dem individuellen Sexualverhalten zeigt sich eine ´Trennlinie´ zwischen Toleranz und Mitgefühl einerseits und Intoleranz und Ausgrenzung andererseits zwischen den sexuell aktiveren Bevölkerungsgruppen und den sexuell Inaktiven.Zentrale Einflußgrößen im Kontext von Diskriminierung und StigmatisierungDer Werthaltung des Autoritären Charakters kommt in der vorliegenden Studie eine zentrale Bedeutung zu, da sie sich in allen affektiv-emotionalen Einstellungs-Facetten als dominanter Faktor erweist. Weitere wichtige Einflußgrößen sind Infektionsrisikoeinschätzungen, die durch AIDS ausgelöst werden und - emotional besetzt - Auswirkungen auf den alltäglichen Umgang mit anderen Menschen haben, sowie die Haltung gegenüber den Risikogruppen. Sowohl die Befürwortung bestrafender und ausgrenzender staatlicher Maßnahmen als auch persönliche Vermeidungsstrategien im Umgang mit HIV/AIDS sind in starkem Maße ursächlich beeinflußt von diesen beiden Einstellungsaspekten.Die Autoritäre Persönlichkeit im Spiegel des Gießen-TestsDie zentrale Einflußgröße ´Autoritäre Persönlichkeit´ läßt sich ihrerseits mit Hilfe des Gießen-Tests erklären bzw. eingehend beschreiben. Kennzeichen der autoritären Struktur sind in psychologischer Hinsicht nicht so sehr mangelnde Kompetenz in sozialen Situationen oder im alltäglichen Umgang mit anderen, als vielmehr das gemeinsame Auftauchen von einerseits unterwürfigen und andererseits macht- sowie geltungshungrigen inneren Strukturen.Die Korrelationsanalyse einzelner Gießen-Test-Items und dem Autoritarismuskonstrukt unterstreicht das psychosoziale Profil des Autoritären Charakters: wenig impulsiv, zeigt wenig Emotionen, ist aggressionsgehemmt, phantasielos und wenig liebevoll.Daneben wird die Schwäche der Ich-Überich-Organisation deutlich. Schauspielerische Fähigkeiten sind nicht vorhanden, die Fähigkeit ausgelassen zu sein, fehlt häufiger, in der Liebe sind autoritäre Personen wenig erlebnisfähig.


The results of this study are descended from the research project Socialpsychological aspects of HIV/AIDS in consideration of discrimination and stigma processes, which was conducted at the Zentrum für Psychosomatische Medizin at Giessen University in 1989 and 1990.Within a representative survey 2025 adults were asked about their attitudes and behavioral aspects concerning HIV/AIDS and sexuality.The survey incorporated sociodemographic variables as well as sociopsychological instruments, which were included for the first time in German HIV/AIDS research. The main instruments used were a 4-item-battery measuring authoritarianism and a 40-item psychological inventory, the Giessen test, providing extensive personal psychological information about background features. The Giessen test, as a personality inventory, is especially useful when taking social aspects into account.Attitudes towards minorities and HIV risk groupsThe results show that those minorities which are perceived as closer and more threatening, are reviled most. The HIV disconcerted minorities (homosexuals, prostitutes and IDU´s) are clearly identifiable in the overall minority context. Factor analysis indicate a distinct 3-factor-pattern: 1. the ´very unsympathetic´ HIV risk groups, 2. the ´unsympathetic´ members from deviating cultures (turks, gypsis, asylum seekers etc.) and 3. people which are characterized by political protest (environmental and feminity activists).Governmental steps and precautions against HIV risk groups and HIV infected peopleThe results show that there is an opinion polarization. One part of the population votes for punishment measures, the other part wants prophylactic and educational campaigns.Authoritarian persons and respondents with negativ attitudes towards the HIV risk groups agree much more to hard official punishment measures. On the other hand, people with tolerant and informed opinions can be described as having a positive self esteem, more competent and the ability to empathize.Relationships between willingness of contact, tolerance and sexual behaviorThe correlation coefficients indicate a point of separation between sexually active and sexually inactive people: the first are marked by tolerance and empathy, the latter by intolerance and a separational tendency.Explanating factors in the context of discrimination and stigmaThe authoritarian personality deserves special attention, because it is the most effective predictive factor to all affective emotional attitudes in the context of HIV/AIDS, stigma and prejudice. Furthermore it is the personal infection-risk-evaluation, the perception of everyday risks and the attitude towards the HIV/AIDS related minorities, that play an important role in the process of discrimination and segregation. Not only agreeing with official punishment measures, but also prophylactic strategies concerning HIV/AIDS are strongly influenced by both attitudinal facets.The Authoritarian personalty reflected in the Giessen testAs a basic trait the authoritarian personalty can be well described by several aspects of the applied psychological inventory, the Giessen test. Distinguishing marks of an authoritarian person in psychological terms, are not a lack of social skills or the way of everyday contact with others, but the interplay of submissive inner structure and the desire for admiration.Correlation analysis of both the authoritarian construct and the Giessen test items underline the typical psychological profile of authoritarian persons: less impulsive, showing no emotion, aggression hampered, no fantasy and not very kindhearted.Furthermore the weakness of the ego-overego-organization is indicated. Playacting capabilities do not exist, impulsiveness often is missing and in the field of sexuality authoritarian persons are less sensitive.

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