Screening von Traumafolgestörungen bei Asylsuchenden. Die Anwendbarkeit des Refugee Health Screeners-15 (RHS-15) und das Ausmaß an psychischer Belastung bei Asylsuchenden im Landkreis Gießen

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2023

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In Übereinstimmung mit der EU-Richtlinie 2013/33/EU, die die „Beurteilung innerhalb einer angemessenen Frist“ (Kapitel IV, Art. 22, Abs. 1, EU-Richtlinie 2013/33/EU) für besondere Schutzbedürftigkeit von Asylsuchenden verlangt, wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit im Zeitraum vom 27.05.2015 bis zum 14.08.2015 die Anwendbarkeit des Screening-Fragebogens Refugee Health Screener (RHS-15) bei Bewohnerinnen der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) und der Gemeinschaftseinrichtungen für Asylsuchende (GUs) im Landkreis Gießen überprüft. Als interkulturell validierter Fragebogen, der Traumata nicht spezifisch abfragt und somit einen möglichen Auslöser für eine Retraumatisierung weitgehend ausschließt, während er gleichzeitig sensitiv ist für Symptome der drei häufigsten psychischen Traumafolgen (PTSD, Angststörungen, Depressionen), erweist sich der RHS-15 als geeignetes Instrument, um die besonders vulnerable Gruppe der Asylsuchenden hinsichtlich der Häufigkeit von Traumafolgestörungen zu untersuchen. Spezifisch wurden folgende Gütekriterien betrachtet: Ökonomie, äußere Gestaltung, Transparenz, Nützlichkeit, Zumutbarkeit, Unverfälschbarkeit, Akzeptanz, Testfairness und Standardisierung. Während die meisten Kriterien positiv beurteilt werden konnten, wurde für die Kriterien „äußere Gestaltung“, „Testfairness“ und „Standardisierung“ Anpassungsbedarf für die zukünftige Anwendung festgestellt. So kann zukünftig auf Frage 15 (Distress Thermometer) verzichtet werden, da dieses Item vermehrt Fragen unter den Teilnehmenden aufwarf und keinen Zugewinn an Information bot. Die Testfairness sollte durch Einschluss der mangels passender Fragebögen in der Untersuchung ausgeschlossenen Sprachgruppen (u. a. Albanisch, Mazedonisch, Serbisch) und eine für Analphabetinnen konzipierte Audio-Version verbessert werden. Zudem sollte das Setting standardisiert werden, um einerseits das Ergebnis durch Austausch in Gruppen nicht zu beeinflussen und zum anderen ein Selektionsbias zu verhindern. Im Falle der HEAE befand sich der Ort der Untersuchung, bedingt durch behördliche Entscheidungen, außerhalb der eigentlichen Einrichtung, wodurch häufiger potentiell Gesündere, die das Gelände der HEAE physisch verlassen konnten, gescreent wurden. Das aufsuchende Setting innerhalb der GUs erfasste mobilere Teilnehmer*innen möglicherweise seltener, da diese sich häufiger außerhalb aufhielten als eher zurückgezogene potentiell kränkere. Neben dem Erforschen der Anwendbarkeit des RHS-15 sollte über die Screening-Ergebnisse auch eine Einschätzung der psychischen Morbidität für Asylsuchende im Kreis Gießen zum Erfassungszeitpunkt erfolgen. Mit insgesamt 79,7% positiv Gescreenten (n = 232) gaben die Ergebnisse Hinweise auf eine bedeutende Krankheitslast. Insgesamt screenten in den GUs (n = 112) mit 83,3% mehr positiv als in der HEAE (n = 118), wo 76,2% ein positives Screeningergebnis hatten. Auch war der Median des Scores der Fragen 1–14 mit 22 in den GUs höher als in der HEAE, wo er bei 18 lag. Es konnte eine geringe positive Korrelation (Pearson’s r = 0,213) von Aufenthaltsdauer und Screening-Score ermittelt werden. Als mögliche Erklärungsmodelle zur Verschlechterung des Gesundheitszustands über die Zeit kommen der „honeymoon effect“, Selektionseffekte und die besonderen Belastungen des Asylverfahrens, die die psychische Symptomatik modulieren, in Betracht.

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