Untersuchungen zur Stabilität von Tierarzneimitteln und über Wechselwirkungen ausgewählter Wirkstoffe mit einem Modellbiofilm aus Escherichia coli und Pseudomonas fluorescens in Tränkwasserleitungen

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2023

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Arzneimittel können in der Tierhaltung neben einer Futtermittelmedikation auch über die Tränkwasserleitungen verabreicht werden. In Trink- oder Tränkwasserleitungen können sich Biofilme entwickeln, denen eine hohe Toleranz gegenüber äußeren Einflüssen wie Antibiotika nachgesagt wird. Die Persistenz vieler Wirkstoffe – auch in Spurenkonzentrationen – können Antibiotika-Resistenzen bei Bakterien induzieren. Diese Resistenzentwicklung kann wiederum die in der Humanmedizin angewandten Antibiotika und deren Wirkung auf den Menschen beeinflussen. Daher sollte der Antibiotikaeinsatz auf ein therapeutisch notwendiges Minimum reduziert werden. Um die Mechanismen der Resistenzentwicklung zu verstehen, müssen Eintragswege und mögliche Transformationen der Wirkstoffe aufgeklärt werden. Nur so können Antibiotika in Zukunft gezielt eingesetzt werden und eine Risikoabschätzung kann hinsichtlich des Resistenzentwicklungspotentials erfolgen. Im Kontext dieser Aspekte war das Ziel dieser Arbeit zunächst diverse Stabilitätsuntersuchungen von Sulfadiazin (SDZ) und Trimethoprim (TMP) durchzuführen, einen Modellbiofilm reproduzierbar herzustellen und mögliche Interaktionen zwischen dem Biofilm und den Antibiotika SDZ, TMP und Tylosin A (TYL A) aufzuklären. SDZ und TMP konnten über einen Zeitraum von 15 Monaten in verschiedenen wässrigen Lösungen beinahe unverändert nachgewiesen werden. Die lange Haltbarkeit ist ein wichtiges Indiz für die hohe Stabilität und Verweildauer der Wirkstoffe in der Umwelt. Der Einfluss einer Eisenlösung auf die Wirkstoffstabilität zeigte, dass die SDZ- bzw. TMP-Konzentrationen unter Lichteinfluss bei 10 mg/L um 10 % bzw. 12 % abnahmen. Eine Abnahme der Wirkstoffkonzentration in Wasser mit hoher Eisenkonzentration kann relevant bei der Arzneimittelverabreichung in Brunnenwasser sein, wie es in der Landwirtschaft teilweise durchgeführt wird. In dieser Arbeit konnte erfolgreich ein Modellbiofilm aus dem Biofilmbildner Pseudomonas (P.) fluorescens und Antibiotika-sensiblen Escherichia (E.) coli in einem PVC-Rohr reproduzierbar hergestellt werden. Die Ergebnisse wurden mit dem vom Projektpartner im Projektverbund der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) parallel entwickelten Modellbiofilm aus P. aeruginosa und E. coli verglichen. Nach der Konfrontation der Modellbiofilme mit SDZ und TMP wurden keine Veränderungen in der Biofilmdichte und -zusammensetzung festgestellt. Dagegen konnte eine Änderung der Biofilmmorphologie durch Zellclusterbildung mittels Lichtmikroskopaufnahme gezeigt werden. Für die Wirkstoffe SDZ und TMP wurden durch HPLC-UV-Analysen nachgewiesen, dass schon in der ersten Probenahme eine geringere Konzentration in dem Biofilmrohr als in der abiotischen Kontrollprobe vorlag. Für den Modellbiofilm mit P. aeruginosa war der SDZ-Unterschied zwischen 2 und 7 % und im Modellbiofilm mit P. fluorescens ca. 1 %. Für TMP wurde bei beiden Modellbiofilmen ein Konzentrationsunterschied von 2 % bestimmt. Dies könnte auf eine schnelle Sorption an oder Diffusion in den Biofilm hindeuten, beides bekannte Toleranzmechanismen von Biofilmen. Bei der Konfrontation der Modellbiofilme mit dem Makrolid TYL A konnten für alle Stämme eine unerwartete Reduktion der Zellgehalte im Biofilm bestimmt werden. Zusätzlich wurde auch hier eine Zellclusterbildung auf einem PVC-Träger nachgewiesen. Im Versuch mit dem P. aeruginosa-Modellbiofilm konnte TYL A im Biofilmrohr mit 3 % geringerer Konzentration bestimmt werden, sodass dies, wie bei SDZ und TMP, auf eine Sorption an oder Diffusion in den Biofilm hindeutete. Im Modellbiofilm mit P. fluorescens konnte kein Unterschied in den Ausgangskonzentrationen zwischen Biofilm und Kontrollprobe bestimmt werden. Stattdessen konnte ein neuer, stetig wachsender Peak im UV-Chromatogramm der Biofilmprobe detektiert werden. Da der TYL A Peak im gleichen Zeitraum stetig abnahm, wurde ein Transformationsprodukt (TP) von TYL A vermutet. In Untersuchungen mit einer längeren Konfrontationsdauer wurden drei weitere TP mit dem gleichen Masse-zu-Ladung-Verhältnis (m/z-Verhältnis) nachgewiesen. Durch die Instabilität der TP konnten die Produkte nicht über HPLC-Verfahren für eine NMR-Messung isoliert werden. Deshalb konnte nur auf die exakte Masse aus HR-MS-Messungen und Fragmentierungsmuster als Strukturhinweise zurückgegriffen werden. Die Summenformel mit der geringsten Abweichung von der theoretischen Masse ergab einen Einbau von H2SO3 (m/z-Verhältnis von 82) in TYL A, das für eine reduktive Sulfonierung von TYL A stehen könnte. Diese Art von Transformation ist jedoch bisher für Bakterien nicht beschrieben. Die in der Literatur bekannte Phosphorylierung von TYL A konnte durch 31P-NMR ausgeschlossen werden. Mittels MS-Imaging konnte die räumliche Verteilung des Modellbiofilms mit P. fluorescens auf einem PVC-Träger anhand von zwei m/z-Verhältnissen, die den Phospholipiden zugeordnet wurden, dargestellt werden. Die Phospholipidverteilung stimmte in Lichtmikroskopaufnahmen mit der Verteilung der Bakterien gut überein. In den hier durchgeführten Versuchen wurde erstmals ein Biofilm in Kontakt mit Antibiotika unter den Bedingungen in einem Tränkwasserrohr untersucht. SDZ und TMP konnten auf dem Biofilm-Coupon gleichmäßig an den Stellen mit Phospholipiden abgebildet werden. An den Flächen mit einer hohen Bakteriendichte waren SDZ und TMP nicht zu sehen. Somit könnten sie in den Biofilm eingedrungen sein und wären mittels MALDI in der oberen Schicht nicht detektierbar. Dagegen konnte TYL A nur an den Stellen mit einer hohen Bakteriendichte nachgewiesen werden, was im Vergleich dazu eher für eine Sorption an den Biofilm sprechen könnte. Nach der Konfrontation der hier verwendeten Wirkstoffe konnte für den Antibiotika-sensiblen E. coli in beiden Modellbiofilmen mittels der Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration keine Resistenzentwicklung nachgewiesen werden. Dies bestätigt die hohe Stabilität von Biofilmen gegenüber äußeren Einflüssen wie Antibiotika. Die verschiedenen Wirkstoff-Interaktionen in Bezug auf die zwei Modellbiofilme können an der unterschiedlichen Zusammensetzung der extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) sowie an der Molekülgröße und der Ladung der Wirkstoffe bei neutralem pH-Wert liegen. Bei P. fluorescens wurden in der Biofilmmatrix mehr Oberflächenproteine und weniger Exopolysaccharide als bei P. aeruginosa nachgewiesen. Demnach könnten die Wirkstoffe in dem P. aeruginosa-Biofilm von den Exopolysacchariden besser zurückgehalten werden, sodass Konzentrationsunterschiede im Vergleich zum P. fluorescens-Biofilm eher nachweisbar waren. In dem P. fluorescens-Biofilm wurde dagegen ein Transformationsprodukt von TYL A gebildet. Neben SDZ wurden Stabilitätsuntersuchungen des SO2-extrudierten SDZ durchgeführt, da dessen chemische Eigenschaften nur wenig charakterisiert sind. Das SO2-extrudierte SDZ kann unter anderem durch Photodegradation aus SDZ in der Umwelt entstehen und zeigte im Versuchszeitraum von 3 Wochen eine hohe Stabilität bei verschiedenen pH-Werten und Temperaturen auf. Es konnte keine antibiotische Aktivität bis 200 µg/L gegenüber dem Testkeim Geobacillus stearothermophilus im Brillantschwarz-Reduktionstest nachgewiesen werden. Dies könnte bei einer SO2-Extrusion von SDZ für die Organismen in der Umwelt im Vergleich zu SDZ vom Vorteil sein. Zusätzlich wurde der P. fluorescens-Modellbiofilm mit SO2-extrudiertem SDZ konfrontiert und eine Acetylierung des Produkts nachgewiesen. Hervorzuheben ist, dass SDZ durch den Biofilm nicht transformiert wird, jedoch sein SO2-extrudiertes Transformations-produkt. Im Projektverbund der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wurden neue Arzneimittelformulierungen mit SDZ und TMP hergestellt, um eine höhere Bioverfügbarkeit der Wirkstoffe zu erzielen. Da der reduzierende Zucker Lactose als Formulierungsstoff eingesetzt wurde, sollte im Rahmen dieser Arbeit die Stabilität der Formulierung überprüft werden. Es konnte gezeigt werden, dass während einer Lagerung in Lösungen mit pH-Werten 2 und 10 ein Addukt aus Lactose und SDZ gebildet wird. Dieses Produkt befindet sich in einer Gleichgewichtsreaktion. In saurer Lösung betrug die Produktmenge konstant 2 %. Unter neutralen und alkalischen Bedingungen stieg der Gehalt dagegen auf 14 %. Da das Gleichgewicht unter sauren Bedingungen auf Seiten der Reaktionspartner liegt, würde sich das Produkt im Magen wieder in Lactose und den Ausgangsstoff SDZ umwandeln und könnte somit wieder seine antimikrobielle Wirksamkeit entfalten. Bei der Verwendung von Glucose als reduzierender Zucker konnte ebenfalls ein neues Produkt mittels HPLC-UV nachgewiesen werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit können in verschiedenen Bereichen von hohem Nutzen sein. Unter anderem können die Stabilitätsuntersuchungen auf relevante Umweltbedingungen (verschie-denen Eisenkonzentrationen, Modell-Brunnenwasser) erweitert werden. Das Modellbiofilmsystem kann ein guter Ansatz sein, um Veterinärantibiotika bei der Zulassung umfassender zu bewerten. Dies ist ein praktikabler Weg, um stoffliche Veränderungen und die damit verbundenen Transformationsprodukte schnell zu erkennen. Daraufhin könnte gezielt in der Umwelt nach diesen Verbindungen gesucht werden. In Bezug auf die SO2-Extrusion des SDZ könnten weitere Sulfonamide nach Extrusion systematisch auf die Verringerung der antibiotischen Aktivität und auf ein möglicherweise verbleibendes Potential der Resistenzentwicklung untersucht werden. Dies würde die Kenntnisse zu möglichen Umweltproblematiken und auswirkungen durch Tierarzneimittel vervollständigen.

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