Aktuelle Herausforderungen bei der Behandlung chronisch niereninsuffizienter Patienten - neurokognitive und immunologische Aspekte -

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2022-12-22

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Die vorliegende kumulative Habilitationsschrift befasst sich mit den aktuellen Herausforderungen in der Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz. Das Hauptaugenmerk liegt auf neurokognitiven und immunologischen Aspekten. Es werden verschiedene bisher vielleicht wenig beachtete Zusammenhänge zwischen Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und chronischer Niereninsuffizienz, mögliche neue Ansätze und Optionen der Nierentransplantation und nicht zuletzt die Entwicklung der humoralen und zellulären Immunität bei der SARS-CoV-2 Erkrankung auf die neu zugelassenen Impfstoffe untersucht. Kognitive Einschränkungen sind ein wenig beachtetes, aber häufiges Phänomen bei Dialysepatienten. In unserer Studie konnten wir nachweisen, dass 75 % der Patienten unter kognitiven Beeinträchtigungen litten. Bei den Patienten mit einer kognitiven Beeinträchtigung waren alle kognitiven Bereiche betroffen, wobei Depression und niedriger Bildungsgrad einen signifikanten negativen Einfluss auf die Stärke der kognitiven Leistungsfähigkeit aufweisen. Die stärkste Beeinträchtigung der kognitiven Leistung wurde beim unmittelbaren Gedächtnisabruf, die beste Leistung beim Benennen festgestellt. Interessanterweise wurde kein weiterer signifikanter Abfall der kognitiven Leistungsfähigkeit nach einem Follow-up von 1 Jahr in irgendeinem Bereich beobachtet. Die Erstellung eines neurokognitiven Profils ist hilfreich und wichtig, da die Prävalenz von kognitiven Beeinträchtigungen bei Hämodialysepatienten hoch ist. Da Depressionen einen signifikanten Einfluss auf kognitive Beeinträchtigungen haben, ist eine frühzeitige Erkennung unerlässlich, um eine Behandlung in einem frühen Stadium einzuleiten und die kognitive Leistung positiv zu beeinflussen. Wichtig war uns die Erkenntnis, dass der Zeitpunkt der Untersuchungen für die kognitive Leistungsfähigkeit keine Rolle spielt. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass der Testzeitpunkt (erste 2 Stunden unter Hämodialyse vs. letzte 2 Stunden unter Hämodialyse vs. hämodialysefreier Tag) keinen Einfluss auf die kognitive Funktion bei Hämodialysepatienten in Routineindikationen hat. Dies hat insbesondere deshalb klinische Relevanz, da die kognitiven Tests als ein Element der Routineuntersuchung von Dialysepatienten während der Visite eingesetzt werden können. Dies gibt uns einen Überblick über die kognitive Funktion der Patienten und kann auch als Verlaufsparameter genutzt werden, um eine mögliche Verschlechterung der kognitiven Funktion frühzeitig zu erkennen. Im Wissen um die kognitiven Beeinträchtigungen bei Dialysepatienten war das Ziel der Folgestudie, das Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung vor und nach der Transplantation zu untersuchen und mit Hilfe von standardisierten neurokognitiven Tests ein eindeutiges Profil der kognitiven Funktion bei Patienten vor und nach der Transplantation zu erstellen. Es sollte außerdem untersucht werden, ob die Verbesserung der Nierenfunktion nach einer Transplantation zu einer Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit führt. Die Ergebnisse unserer derzeit in Rekrutierung befindlichen Studie könnten potenziell wichtige Auswirkungen auf die Prävention und Behandlung kognitiver Beeinträchtigungen bei nierentransplantierten Personen haben. Durch neue Erkenntnisse über das neurokognitive Profil und die Zuordnung der entsprechenden Defizite könnte es möglich sein, ein individualisiertes Trainingsprogramm zu erstellen, um die kognitiven Defizite bei diesen Personen positiv zu beeinflussen. Daneben besteht eine große Herausforderung der Transplantationsnephrologie darin, dem stetig wachsenden Organmangel entgegenzuwirken. Die Nierentransplantation ist nach wie vor die bevorzugte Therapie für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Ihr sind jedoch durch den Mangel an Nierenspenden Grenzen gesetzt. Obwohl ein hoher Prozentsatz der Patienten mit funktionierenden Transplantaten stirbt, können viele von ihnen leider nicht als Organspender in Betracht gezogen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine neue Option, um den Pool an Nierenspendern zu erhöhen, wäre die Spende einer zuvor transplantierten Niere an einen neuen Empfänger. Diese Möglichkeit hat bisher wenig Beachtung gefunden und ist entsprechend nur selten durchgeführt worden. Unsere Untersuchung konnte jedoch zeigen, dass die Retransplantation eines Nierentransplantats erfolgreich durchgeführt werden kann, selbst wenn die erste Transplantation lange zurückliegt. Allerdings scheint eine sorgfältige Prüfung der Daten der Spender (Erst- und Zweitspender) erforderlich zu sein, um eine schwere chronische Schädigung auszuschließen. Das Potenzial zur Durchführung solcher Retransplantationen ist aus unserer Sicht noch nicht voll ausgeschöpft. Es sollten daher Anstrengungen unternommen werden, auch solche Spenden in Betracht zu ziehen, und zwar sowohl in den Spenderzentren, um auf ihr Potenzial aufmerksam zu machen, als auch in den Transplantationszentren, um die Akzeptanz dieser Transplantate nach sorgfältiger Prüfung zu erhöhen. Es muss jedoch auch klar sein, dass die oben genannten Punkte aufgrund der geringen Fallzahlen nur zusätzlich zu den anderen vielschichtigen Ansätzen in Betracht gezogen werden können. Im Rahmen der COVID-19-Pandemie wurde schnell bekannt, dass Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz aufgrund ihres herabgesetzten Immunsystems und der Komorbiditäten ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines schweren Verlaufes einer SARS-CoV-2-Erkrankung haben53-55. Die Entwicklung und Zulassung neuer Impfstoffe hat in der Normalbevölkerung zu einer robusten Impfantwort geführt. Da Dialysepatienten jedoch zum einen durch die Niereninsuffizienz per se und zum anderen durch die Einnahme von z.B. immunsuppressiven Medikamenten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwächere Immunantwort entwickeln, führten wir Studien zur Messung der humoralen und zellulären Immunität nach der Impfung gegen SARS-CoV-2 durch. Valide Daten waren bis dato für unser Patientenkollektiv noch nicht verfügbar. Die SARS-CoV-2-spezifische zelluläre Immunantwort wurde mit IFN- γ- und IL-2-ELISpot-Assays und die humorale Immunantwort mit einem Dot-Plot-Array und einem chemilumineszenten Mikropartikel-Immunoassay bewertet. Bei der Mehrheit der Dialysepatienten, die geimpft wurden, kam es nach einer Einzeldosis oder einer homologen Zweifachdosis-Impfung zur Entwicklung von Anti- Spike-IgG-Antikörpern gegen SARS-CoV-2, die jedoch 6 Wochen nach der vollständigen Immunisierung schnell abnahmen. Nur etwa 50 % der Patienten entwickelten eine T-Zell-Immunität. Wichtig ist außerdem, dass eine hohe Anti-Spike- IgG-Antikörperantwort mit einer besseren zellulären Immunität assoziiert war und dass die Immunantwort bei Patienten mit durchgemachter COVID-19-Erkrankung deutlich stärker war. Als Schlussfolgerung kann postuliert werden, dass sowohl SARS- CoV-2-naive Dialysepatienten, aber auch Patienten mit durchgemachter COVID-19- Erkrankung von einer dritten Impfstoffinjektion (Booster-Impfung) profitieren können, um die Immunogenität zu optimieren und den Schutz aufrechtzuerhalten. Den Effekt einer solchen Booster-Impfung untersuchten wir in unserer Folgestudie beim selben Patientenkollektiv 6 Monate nach der Grundimmunisierung. Die Immunantwort wurde vor und nach der Auffrischungsimpfung mit dem mRNA- basierten mRNA-1273-(Moderna-Biotech-)Impfstoff getestet (A7)89. Insgesamt deuten unsere Daten auf eine fortschreitende Abnahme der humoralen Immunität und eine anhaltend relativ schwache zelluläre Immunantwort innerhalb von 6 Monaten hin. Die Auffrischungsimpfung ist jedoch geeignet, die humorale Immunität wieder deutlich zu erhöhen. Wir vermuten, dass das Auftreten von SARS-CoV-2-Varianten mit hohem Potenzial zur Immunevasion bei Dialysepatienten eine Auffrischungsimpfung 4–6 Monate nach der Grundimpfung erforderlich machen könnte. Mit Hilfe der bisher erzielten Wissensfortschritte bezüglich der kognitiven Leistungsfähigkeit, Transplantationsmedizin und der Impfansätze bei SARS-CoV2- Erkrankungen bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz kann es gelingen, die aktuellen Herausforderungen in der Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz für unsere Patienten in Zukunft besser zu meistern.

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