Untersuchungen zur genetischen Prädisposition im Zusammenhang mit dem Entzündungs- und Nekrosesyndrom beim Schwein
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Zusammenfassung
Schübe von Schwanz- und Ohrbeißen können zu erheblichen ökonomischen Belastungen führen sowie das Tierwohl massiv einschränken. Daher wird zur Vermeidung von Schwanzbeißen in der EU 95 % der Saugferkel der Schwanz kupiert. Das routinemäßige Kupieren ist jedoch durch die EU Richtlinie 2008/120/EG verboten. Es werden von Seiten der Gesellschaft und der EU Maßnahmen zur Vermeidung von Schwanzbeißen und der Ausstieg aus dem routinemäßigen Schwanzkupieren gefordert. Nekrosen- und entzündliche Veränderungen können aber auch ohne das Zutun anderer Schweine entstehen. Diese treten dann im überwiegenden Fall nicht nur am Schwanz, sondern an weiteren Organen gleichzeitig auf. Empfänglich sind Ohren, Schwanz, Klauen, Ballen, Kronsaum, Gesicht, Zitzen und Vulva. Aus der Tatsache des parallelen Auftretens von Nekrosen und Entzündungen an mehreren Körperteilen und des Vorkommens bei neonatalen Saugferkeln wurde das „Swine Inflammation and Necrosis Syndrome“ (SINS) abgeleitet. Als Hauptursache wird eine massive Anflutung von Endotoxinen aus dem Darm über die Leber in den Körperkreislauf vermutet, die zur Aktivierung der Abwehr führt. Zahlreiche Arbeiten zeigen anhand klinischer, histologischer, metabolomischer und transkriptomischer Ergebnisse, dass schließlich systemische und lokale Entzündungsprozesse in Gang gebracht und Blutgefäße an den Akren verlegt werden. Daraufhin zeigen sich Entzündungssymptome bis hin zu Nekrosen in den zu versorgenden Geweben. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen war es das Ziel der vorliegenden Arbeit Einblicke in die Pathogenese von SINS durch die Suche nach beteiligten Genen zu generieren. Hierfür wurden zunächst Ebern mit unterschiedlicher Empfindlichkeit ihrer Nachkommen gegenüber SINS identifiziert und über Mischsperma zur Reduktion von Umwelteffekten an insgesamt 27 Sauen einer Danzucht-Kreuzung angepaart, um die Segregation der assoziierten Gene mittels Genomweiter Assoziationsstudie (GWAS) zu untersuchen. Insgesamt wurden 8 Eber aus zwei unterschiedlichen Linien einbezogen. Auch die Sauen wurden hinsichtlich Entzündungen in den Bereichen Klauen, Gesäuge, Haut, Ohren und Schwänze am 50. Trächtigkeitstag und am 3. post partum fotografiert und bonitiert. Von 27 Sauen wurden 477 Ferkel geboren, von denen am 3. Lebenstag 402 Saugferkel, am 39. Lebenstag 382 Aufzuchtferkel, am 81. Lebenstag 366 Vormastschweine und am letzten Lebenstag 347 Endmastschweine fotografiert und später bonitiert wurden. Um zu erwartende exzessive Schwanzbeißschübe zu vermeiden wurden die Saugferkel im laufenden Betrieb am dritten Tag am Schwanz kupiert. Aus den kupierten Schwanzspitzen wurde später die DNA der Ferkel isoliert und der Vaterschaftstest und die genomweite Assoziationsstudie (GWAS) (PorcineSNP60-BeadChip, Illumina) durchgeführt. Für die Untersuchung zur genetischen Prädisposition mussten in jedem Wurf mindestens 3 Nachkommen beider Eber vorhanden sein. So standen am Ende 260 Saugferkel, 243 Aufzuchtferkel, 233 Vormastschweine und 233 Endmastschweine zur Verfügung. Der erste Teil der Fragestellung folgte der Hypothese, dass SINS-assoziierte Veränderungen an mehreren Organen gleichzeitig auftreten. Bei Saugferkeln waren durchschnittlich 4,78 ± 1,21 (MW ± SD) und bei Aufzuchtferkeln 4,14 ± 1,21 (MW ± SD) der 8 untersuchten Organe gleichzeitig betroffen, was die Hypothese bestätigt. Hypothese zwei und drei gingen davon aus, dass SINS- assoziierte Veränderungen mit zum Teil hohen Prävalenzen in unterschiedlichen Altersstufen auftreten. Tatsächlich traten entzündliche Veränderungen an den Ohren, der Schwanzbasis und –spitze bei mehr als der Hälfte der Saugferkel auf. SINS-assoziierte Symptome an den Zitzen waren bei bis zu 39,6 % der Saugferkel zu finden. Veränderungen an den Klauen wie Balleneinblutungen und Kronsaumentzündungen wiesen zwischen 33,6 und 86,1 % der Saugferkel auf. Veränderungen an den Ohren und der Schwanzspitze waren bei knapp dreiviertel der Flatdeckferkel zu beobachten. Zitzenläsionen wurden hier bei bis zu 33,2 % der Aufzuchtferkel beobachtet. Veränderungen der Klauen wurden an bis zu 73,8 % der Ferkel nachgewiesen. Mehr als die Hälfte der Vormastschweine zeigten Symptome an den Ohren und der Schwanzspitze. Bei den Endmastschweinen wiesen mehr als die Hälfte der Tiere Läsionen an den Ohren und der Schwanzspitze auf. Hypothese vier untersuchte den Einfluss der Muttersau auf die Prävalenz und der Intensität von SINS ihrer Nachkommen. Dieser Effekt war in vorliegender Studie nur geringgradig ausgeprägt. Hypothese fünf in Bezug auf einer signifikanten Rolle der Eber auf die quantitative Ausprägung von SINS ihrer Nachkommen konnte ebenfalls bestätigt werden: So zeigten sich die Nachkommen des Ebers 2 signifikant (p < 0,05) unempfindlicher gegenüber dem Syndrom als Nachkommen der Eber 1, 3, 4, 5, 6 und 8. Ungünstige und günstige Eber traten in beiden Linien auf. Dennoch ergaben sich auch signifikante Linieneffekte. Hypothese sechs beschäftigte sich mit der genetischen Basis der gefundenen Ebereffekte und führte zu 38 über das gesamte Genom verteilten Genmarkern mit Assoziation zu den SINS-Phänotypen. Aus der Lage der Marker wurden potentielle Kandidatengene abgeleitet. Allerdings konnten keine funktionalen Marker kartiert werden, für die eine funktionale Veränderung des Genprodukts, qualitativ oder quantitativ bekannt gewesen wäre. Die assoziierten Marker lagen im Bereich der Kandidatengene TLR7 (Toll-Like Receptor 7), TLR8 (Toll-Like Receptor 8), TMSB4X (Thymosin Beta 4 X-Linked), MOSPD2 (Motile Sperm Domain Containing 2), ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2), F2 (Thrombin-Gen), F9 (Gerinnungsfaktor IX), LOX (Lysyl-Oxidase), TNFAIP 8 (TNF Alpha Inuced Protein 8), BCLxL (Apoptosis Regulator Bcl-X), RAB9A (RAB9A, Member RAS Oncogene Family) und DDX3X (DEAD-Box Helikase 3 X-Linked). Die Marker belegen die genetische Basis der bekannten unterschiedlichen Empfindlichkeiten gegenüber SINS in den Nachkommen unterschiedlicher Eber. Sie könnten als nichtfunktionale Marker in der Selektion gegen das Syndrom eingesetzt werden. Es bleibt jedoch weiteren Studien vorbehalten, die funktionalen Genvarianten zu identifizieren. Insgesamt kann aus dieser Studie gefolgert werden, dass der intakte Schwanz zusammen mit intakten Verhältnissen an Ohren, Gesicht, Kronsaum, Ballen und Klauen, Nabel und Zitzen als aussagekräftige Signale für Tierwohl beim Schwein angesehen werden können, und dass neben den bekannten Faktoren aus Haltung, Fütterung und Management auch die Genetik zur Bekämpfung des Syndroms beitragen kann.
Beschreibung
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Anmerkungen
Erstpublikation in
Giessen: VVB Laufersweiler Verlag, 2024