Potenzielle Reservoire bei neurotropen Bornavirus-Infektionen

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2021

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Viele Virusinfektionen und „emerging infectious diseases“ (EID) besitzen ein Reservoir in wildlebenden Tierpopulationen, von der Übertragungen der Infektionserreger auf Haustiere und Menschen stattfinden. Dies stellt eine beträchtliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar und Tiermodelle, die die Reservoirsituation widerspiegeln, können durch die Erforschung grundlegender Mechanismen Hinweise für zukünftige Bekämpfungstrategien liefern. Borna disease virus (BoDV-1) ist seit langer Zeit als Erreger der Bornaschen Krankheit (BD) bekannt, einer neurologischen, tödlichen Erkrankung bei Säugetieren, insbesondere bei Pferden und Schafen. Kürzlich wurde auch der zoonotische Charakter von BoDV-1 gezeigt und bisher wurden mehr als 30 humane Todesfälle auf BoDV-1 zurückgeführt. Die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon) wird als Reservoir von BoDV-1 in verschiedenen endemischen Regionen vermutet, da mehrfach Wildfänge mit natürlichen BoDV-1-Infektionen gefunden wurden und das Verteilungsmuster mit Virustranskription und Replikation in Ausscheideorganen auf eine Virusausscheidung hindeutet. Ziel des ersten Teils der vorliegenden Arbeit war, durch Untersuchungen an lebenden infizierten Feldspitzmäusen die BoDV-1-Infektion im Reservoirtier näher zu charakterisieren. Insbesondere eine Aussage über die Ausscheidung von BoDV-1 durch infizierte Feldspitzmäuse sollte getroffen werden. Zur Erreichung dieses Ziels sollte eine Feldspitzmaushaltung und -zucht etabliert werden, um die Infektion unter kontrollierten Bedingungen zu untersuchen. In einem zweiten Teil der Arbeit wurde untersucht, ob Fledermäuse, die aufgrund ihrer biologischen Eigenschaften häufig als Reservoir für Viren fungieren und bei denen endogene Bornavirus-ähnliche Elemente im Genom verschiedener Arten gefunden wurden, natürliche BoDV-1-Infektionen aufweisen und damit als weiteres Reservoir von BoDV-1 in Frage kommen. Für den ersten Teil der Arbeit wurden innerhalb von zwei Jahren 16 Feldspitzmäuse an zwei Standorten aus der Natur entnommen und 13 Feldspitzmäuse lebend in die Haltung genommen. Die Bedingungen und Anpassungen der Haltung an die spezifischen Bedürfnisse von Feldspitzmäusen wurden beschrieben und mit den Ansätzen früherer Spitzmaushaltungen verglichen. Innerhalb von 6 Jahren wurden 19 Nachkommen in 3 Generationen gezüchtet. Der Mittelwert der Lebensdauer in der Haltung bei den Wildfängen betrug 810 Tage (91 Tage bis 1353 Tage), der Mittelwert der Lebensdauer der in der Haltung geborenen Spitzmäuse betrug 963 Tage (401 Tage bis 1278 Tage). Die meisten ermittelten Todesursachen beinhalteten Neoplasien, die mit dem hohen Lebensalter in Zusammenhang stehen können. Die erfolgreiche Etablierung der Haltung ermöglichte die weiteren Untersuchungen dieser Arbeit an den Spitzmäusen. Von den 16 gefangenen Feldspitzmäusen waren 8 zum Zeitpunkt des Fanges mit BoDV-1 infiziert und ermöglichten die Charakterisierung der natürlichen persistenten BoDV-1-Infektion an lebenden Feldspitzmäusen. BoDV-1-infizierte und nicht-infizierte Tiere unterschieden sich weder im Verhalten noch in der Aktivität oder in der Futteraufnahme. Der statistische Vergleich der Körpermasseentwicklung zwischen infizierten und nicht-infizierten Tieren führte zu keinen signifikanten Unterschieden. BoDV-1-infizierte Feldspitzmäuse schieden infektiöse Viren über Speichel, Haut und Urin aus, wie mittels Virusanzucht gezeigt wurde. BoDV-1-RNA wurde mittels RT PCR in Speichel, Tränenflüssigkeit, Hauttupfer mit Hautsekreten und Hautschuppen, Urin und Kot festgestellt, interessanterweise zusätzlich auch in der Einstreu. Bei der Untersuchung über 4 aufeinanderfolgende Wochen war bei 2 Tieren in einzelnen Urinproben keine BoDV-1-RNA nachzuweisen, dies kann auf eine intermittierende Ausscheidung hinweisen. Die Untersuchung nach mehr als 250 Tagen in der Haltung zeigte, dass auch zu diesem späten Zeitpunkt der Infektion die Ausscheidung über Speichel, Tränenflüssigkeit, Hautsekreten oder Hautschuppen und Urin stattfand. Die postmortale Untersuchung der infizierten Tiere zeigte keine entzündlichen oder degenerativen Veränderungen im Zusammenhang mit der Infektion, mittels Immunhistochemie und in-situ Hybridisierung konnte Replikation und Transkription des Virus im Nervensystem und in vielen peripheren Organen gezeigt werden und als Ausscheideorgane die Speicheldrüse, die Tränendrüse, die Niere und Harnblase und die Haut mit Talgdrüsen und Epidermis identifiziert werden. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass auch in der Umgebung der infizierten Spitzmaus BoDV-1-RNA mit der RT PCR nachgewiesen werden konnte. Dies und die Ausscheidung über verschiedene Routen kann die Übertragung von Feldspitzmaus zu Feldspitzmaus ermöglichen und damit den Erhalt des Virus in der Reservoirpopulation, gleichzeitig aber auch die Übertragung auf Fehlwirte. Für den zweiten Teil der Arbeit wurden 6 Betriebe mit vorherigen Fällen von equiner BD exemplarisch auf das Vorkommen von Fledermäusen mittels Begehung und Aufzeichnungen von Ultraschalldetektoren untersucht. Dabei wurden Quartiere und Jagdgebiete von einem Spektrum von Fledermäusen identifiziert, die eine weite Verbreitung in der Gegend besitzen. Die Untersuchung von Gehirnen von Fledermäusen verschiedener Arten aus ganz Deutschland mittels RT-PCR zeigte in 257 Tieren keinen Hinweis auf orthobornavirale RNA. Dabei wurde eine RT-PCR verwendet, die neben BoDV-1 auch andere zu dem Zeitpunkt bekannte Orthobornaviren nachweisen sollte (7 detektierbare Spezies: Mammalian 1 orthobornavirus, Mammalian 2 orthobornavirus, Passeriform 1 orthobornavirus, Passeriform 2 orthobornavirus, Psittaciform 1 orthobornavirus, Psittaciform 2 orthobornavirus, Waterbird 1 orthobornavirus). In der immunhistologischen Untersuchung zum Nachweis von BoDV-1-Phosphoprotein gab es bei 3 von 140 Tieren eine Reaktion in der glatten Muskulatur des Darmes. Eine Reaktion mit bisher unbekannten Bornaviren oder auf translatierte endogene Bornavirus-ähnliche Elemente konnte nicht ausgeschlossen werden. Zusammengefasst hat diese Arbeit neue Erkenntnisse zur Reservoirsituation von BoDV-1 hervorgebracht. Trotz des Vorkommens von endogenen Bornavirus-ähnlichen Elementen im Genom verschiedener Fledermausarten gibt es keinen Hinweis darauf, dass sich Fledermäuse natürlich mit BoDV-1 infizieren oder eine Rolle als Reservoir für BoDV-1 spielen. Hingegen hat diese Arbeit gezeigt, dass infizierte Feldspitzmäuse persistent infiziert sind und dauerhaft BoDV-1-RNA und infektiöses Virus über verschiedene Routen ausscheiden, und hat damit den Reservoircharakter von Feldspitzmäusen als natürliches Reservoir für BoDV-1 bewiesen.

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Giessen: VVB Laufersweiler Verlag, 2021

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