Den Juckreiz besser verstehen: Die Bedeutung psychologischer Faktoren

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2023

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Pruritus ist eine unangenehme Körperempfindung, die gemäß Definition mit dem Wunsch des Kratzens einhergeht (Hafenreffer, 1660). Man unterscheidet akuten von chronischem (> 6 Wochen) Pruritus (Ständer et al., 2007). Pruritus ist ein sehr häufiges Symptom in der Dermatologie. Chronischer Pruritus betrifft rund 37% der Patienten mit dermatologischen Erkrankungen (Schut et al., 2019) und geht mit einer hohen psychischen Belastung einher (Dalgard et al., 2020). Wichtig ist, dass sich Pruritus oft nicht allein über die Schwere der zugrundeliegenden Hauterkrankung erklären lässt (Verhoeven et al., 2008). Das biopsychosoziale Modell des Pruritus berücksichtigt neben biologischen Faktoren deswegen auch psychologische und soziale Faktoren, die zur Juckreizintensität beitragen (Verhoeven et al., 2008). Es existieren unterschiedliche Methoden, um Pruritus standardisiert im Labor zu induzieren (Hawro et al., 2019). Die am häufigsten genutzte Substanz ist Histamin (Andersen et al., 2015; LaMotte et al., 2014). Die Applikation pruritogener Substanzen auf unterschiedlichen Wegen macht eine direkte Hautmanipulation notwendig, was Unwohlsein auslösen kann. Da negative Emotionen wie Angst als Triggerfaktor von Pruritus betrachtet werden (Sanders & Akiyama, 2018), sollten diese möglichst während der Induktion von Pruritus vermieden werden. Zudem ist die Induktion von Pruritus mittels Pruritogenen nicht mit dem vergleichbar, was bei Patienten mit Hauterkrankungen im Alltag Pruritus auslöst. Die Studien dieser Habilitationsschrift hatten daher das Ziel, eine pruritogen-freie Methode der Pruritusinduktion zu validieren und psychologische Faktoren als Moderatoren für pruritogen-frei induzierten Pruritus zu identifizieren. In der ersten Studie (Marzell et al., 2020) zeigte sich, dass bei hautgesunden Personen durch audio-visuelle Stimuli induzierter Pruritus bezüglich seiner maximalen Intensität vergleichbar mit Histamin-induziertem Pruritus ist. Dies war allerdings nur dann der Fall, wenn zuvor eine attentionale Fokussierung auf die Haut stattfand. Auch ergaben sich Unterschiede in der Qualität und Lokalisation des Pruritus: Histamin-induzierter Pruritus war stärker oberflächlich lokalisiert, auf die Stelle der Induktion begrenzt und wurde als beißender, brennender, schmerzhafter und stechender beschrieben als audio-visuell induzierter Pruritus. In der zweiten Studie (Schut et al., 2017) zur neuronalen Grundlage von visuell induziertem Pruritus bei ND-Patienten zeigte sich, dass visuell induzierter Pruritus zu einer Aktivität in Gehirnarealen führt, die auch bei der Verarbeitung von pruritogen-induziertem Pruritus aktiviert sind. Es kam zu einerAktivierung in Teilen des fronto-striatalen Netzwerks: im SMA, rechten OFC und linken ventralen Striatum. Zudem war die Intensität des induzierten Pruritus positiv mit der Aktivität im Präcuneus, temporalen Kortex und pOPC assoziiert. Die Ergebnisse der ersten beiden Studien (Marzell et al., 2020; Schut et al., 2017) legen somit nahe, dass es sich bei der Präsentation von audio-visuellen Pruritusstimuli um eine gute Alternative zu pruritogenen Substanzen handelt. In drei weiteren Studien (Schut et al., 2014; Schut et al., 2018; Schut et al., 2015b) wurde bei Patienten mit dermatologischen Hauterkrankungen, nicht aber bei hautgesunden Kontrollen, der Persönlichkeitsfaktor Verträglichkeit als robuster Moderator von audio-visuell induziertem Kratzverhalten identifiziert. Es ergaben sich signifikante, negative moderate bis große Zusammenhänge zwischen der Anzahl der induzierten Kratzbewegungen und der Ausprägung dieses Persönlichkeitsfaktors. Selbstaufmerksamkeit und Depression zeigten sich vereinzelt, nicht aber über alle Studien hinweg, signifikant positiv mit induziertem Pruritus oder Kratzverhalten assoziiert. Die vierte Studie (Schut et al., 2016) untersuchte, inwiefern Vorinformationen zu im Nachhinein präsentierten Pruritusstimuli den induzierten Pruritus und das induzierte Kratzverhalten verändern. Es zeigten sich Effekte abermals nur in der Gruppe der ND-Patienten: Patienten, die eine realistische Information bezüglich der Pruritusstimuli erhalten hatten, zeigten während der Pruritusinduktion signifikant weniger Kratzbewegungen und eine kürzere Kratzdauer als Personen, die vorab keine Informationen zu den Pruritusstimuli erhalten hatten. Somit hatte das Weglassen von Informationen negative Effekte auf Kratzverhalten. Diese Ergebnisse sind klinisch relevant, da sie Informationen dazu liefern, wie wichtig es ist, Patienten realistisch über die Symptome ihrer Krankheit aufzuklären und welche Interventionen ihnen helfen können, funktionaler mit Pruritus umzugehen.

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