Entwicklung des Wettbewerbs im deutschen Agrar- und Ernährungssektor - Betrachtungen aus industrieökonomischer Perspektive
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Zusammenfassung
Die Arbeit zeichnet in vier Untersuchungen ein aktuelles Bild der Wettbewerbsentwicklungen im deutschen Agrar- und Ernährungssektor. Theoretische Grundlage der Untersuchungen ausgewählter Stufen der Wertschöpfungskette für Lebensmittel bildet das industrieökonomische Structure-Conduct-Performance-Paradigma. Besonderes Augenmerk wird auf die Wechselwirkungen zwischen Markt- bzw. Branchenstrukturen und des beobachtbaren Unternehmensverhaltens gelegt. Untersuchung 1 analysiert die Zusammenhänge zwischen dem durch Fusionen und Übernahmen (M&A) geprägten Strukturwandel und der Produktdifferenzierung im deutschen Molkereisektor. Dafür werden Markstrukturen, M&A-Ereignisse und rund 6.000 Markteinführungen neuer Molkereiprodukte empirisch analysiert. Es wird festgestellt, dass die Anzahl jährlicher Produkteinführungen trotz zunehmender Konzentration nicht abnimmt. Gleichzeitig wächst der Anteil von Konzernen am gesamten Produktangebot. Zudem wird gezeigt, dass Fusionen und Übernahmen zu reduzierter Produktdifferenzierung bei den beteiligten Unternehmen führen. Untersuchung 2 stellt eine umfangreiche Diskussion lebensmittelbezogener Kartellfälle dar. Dazu wird der Einfluss der horizontalen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Ernährungsindustrie und des vertikalen Stufenwettbewerbs zwischen Ernährungsindustrie und Lebensmitteleinzelhandel auf Kartellbildungen analysiert. Die Hypothese von „Abwehrkartellen“, die sich gegen die vermeintlich nachfragemächtige Handelsstufe richten, wird widerlegt. Stattdessen dienen die untersuchten Kartelle der Reduktion der horizontalen Wettbewerbsintensität. In Untersuchung 3 werden unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Plattformökonomie Wettbewerbswirkungen digitaler Landhandelsplattformen untersucht. Als Auswirkungen des Plattformhandels werden verringerte Transaktionskosten, eine gesteigerte Markttransparenz sowie eine Senkung von Markteintrittsbarrieren konstatiert. So ist mit einer Steigerung der Wettbewerbsintensität und einem beschleunigten Strukturwandel im Landhandel zu rechnen. Eine Ausschaltung der Landhandelsstufe ist dagegen nicht zu erwarten. In Untersuchung 4 werden strategische Anpassungsreaktionen ländlicher Warengenossenschaften an sich verändernde Marktstrukturen analysiert. Dafür werden die Produkt- und Dienstleistungsportfolien von 110 genossenschaftlichen Unternehmen hinsichtlich der daraus abzuleitenden Strategien empirisch untersucht. Als Ergebnis zeigt sich, dass viele ländliche Warengenossenschaften angesichts der Branchenentwicklung sowohl vertikale Integration als auch Diversifikation außerhalb des eigentlichen Agrargeschäfts als Strategieoptionen wählen. Weiterhin wird dargelegt, dass Genossenschaften verschiedener Größen häufig ähnliche Strategien verfolgen. Die vier Untersuchungen zeigen, dass im Agrar- und Ernährungssektor trotz zunehmender Konzentration eine hohe Wettbewerbsintensität zu beobachten ist. Der vorherrschende Wettbewerbsdruck führt zu hoher Produktvielfalt, niedrigen Preisen und geringen Margen. Bei fortlaufender Konzentration werden allerdings gesellschaftlich unerwünschte Auswirkungen wie eine reduzierte Produktdifferenzierung, die Entstehung von Monopolstellungen oder Kartellbildungen möglich. Aus diesem Grund ist eine weitere Analyse der Wettbewerbsentwicklung essentiell, damit kartellrechtliche und politische Eingriffe bei unerwünschten Entwicklungen schnell umgesetzt werden können.