Strategisches Framing im agrarwissenschaftlichen Diskurs um Potenziale und Unsicherheiten der neuen Methoden des Genome Editing

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2023

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Neben den enormen Auswirkungen des Genome Editing auf den internationalen medizinischen Diskurs scheinen die im Jahr 2012 entwickelten biotechnologischen Methoden auch Bewegung in die zuvor festgefahrene deutsche Debatte über die Potenziale und Unsicherheiten der Gentechnik in der Landwirtschaft gebracht zu haben. Die beiden übergeordneten Ziele dieser kumulativen Dissertation sind die Untersuchung der Entwicklung des Genome Editing als Schlüsselereignis im agrarwissenschaftlichen Diskurs um Gentechnik und die Formulierung von Strategien für ein produktives Problemlösungsumfeld. Beide übergeordneten Kernfragen werden anhand von vier Publikationen diskutiert, wobei die erste Publikation die naturwissenschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten sowie die vermuteten Potenziale und Unsicherheiten des Genome Editing im Vergleich zu bisherigen Züchtungsmethoden beleuchtet werden. Darauf aufbauend richtet sich das Forschungsinteresse, mit der Betrachtung von strategischen Frames in der deutschen Regulierungsdebatte vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2018 (zweite Publikation) und von Collective Action Frames im Prozess von Bündnis 90/Die Grünen um ihr neues Grundsatzprogramm im Jahr 2020 (dritte Publikation), auf zwei herausragende Meilensteine im noch jungen Diskurs um Genome Editing. Um Rückschlüsse auf den gesamteuropäischen Diskurs um Gentechnik ziehen zu können, untersucht die vierte Publikation abschließend die Unterschiede zwischen der deutschen und der niederländischen Bioökonomiestrategie, die Aktivität beider Länder in der europäischen Regulierungsdebatte sowie die Haltung beider Gesellschaften zu Genome Editing. Die Ergebnisse der vier Publikationen lassen Veränderungen im aktuellen Gentechnik-Diskurs erkennen, die auf die Entwicklung des Genome Editing zurückgeführt werden können. Aus naturwissenschaftlicher Sicht versprechen die Methoden des Genome Editing einerseits die zielgerichtete Mutation innerhalb eines Organismus ohne den Einsatz von Fremd-DNA, andererseits bestehen Unsicherheiten über Risiken für die Gesundheit oder ganze Ökosysteme, die durch Off-Target-Mutationen ausgelöst werden können. Die sozialwissenschaftliche Analyse zeigt neue Akteurinnenkonstellationen, neue Frames und bestehende Frames mit neuen inhaltlichen Ausrichtungen, die die bisher eher unbewegliche und festgefahrene Struktur des agrarwissenschaftlichen Gentechnik-Diskurses aufbrechen und damit die Entwicklung des Genome Editing als Schlüsselereignis erkennbar machen. Während sich im Gentechnik-Diskurs bisher vor allem Befürworterinnen und Kritikerinnen gentechnischer Anwendungen in festen Gruppen gegenüberstanden, erweitern neue Akteurinnenkonstellationen wie Regulierungsbefürworterinnen vs. Regulierungskritikerinnen und fundamentalistische Gentechnikkritikerinnen vs. konditionale Gentechnikkritikerinnen den diskursiven Spielraum. Die Debatte von Bündnis 90/Die Grünen um die Rolle von GE in ihrem neuen Grundsatzprogramm zeigt zudem, dass neben dem Alter auch das Vorhandensein eines naturwissenschaftlichen Bildungshintergrundes als biographische Konfliktlinie in den Akteur*innenkonstellationen an Bedeutung gewinnt. Eine zentrale Rolle für die Bewegung im Diskurs spielt der erstmals identifizierte Natürlichkeitsframe, der u.a. von Regulierungsbefürworter-innen und konditionalen Gentechnikkritikerninnen artikuliert wird, um die Eingriffe in das Erbgut durch Genome Editing als natürlich bzw. naturidentisch und damit als vermeintlich risikoarm darzustellen. Wie vielfältig die Positionen im europäischen Gentechnik-Diskurs sind, zeigt der Vergleich zwischen der deutschen Gesellschaft, die Gentechnik tendenziell eher ablehnt, und der niederländischen Gesellschaft, die biotechnologischen Entwicklungen traditionell deutlich liberaler gegenübersteht. Obwohl die Regierungen beider Länder in ihren Bioökonomiestrategien Genome Editing als Potenzial für eine postfossile Agrarwirtschaft begreifen, bemühen sich die Niederlande deutlich stärker ihre Position im europäischen Diskurs durchzusetzen. Abschließend lässt sich aus dem noch vergleichsweise jungen Diskurs um Genome Editing die Bedeutung eines produktiven Problemlösungsumfeldes als Grundlage für eine gewinnbringende Konfliktlösung ableiten. Ein produktives Problemlösungsumfeld definiert sich dabei insbesondere durch eine geführte, thematisch begrenzte und auf einen Endpunkt ausgerichtete Diskussionsstruktur. Da das gegenwärtige Konsenspotenzial zwischen den verschiedenen Frames im agrarwissenschaftlichen Diskurs um Gentechnik in Zukunft vermutlich abnehmen wird, sollte die gegenwärtige Bewegung bestmöglich genutzt werden. Das größte Konsenspotenzial scheint dabei zwischen den Frames wissenschaftlicher Fortschritt vs. Pandoras Box sowie Patentrecht vs. Patentierung zu liegen.

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