So anders? Die Wundertätigkeit Jesu im Kindheitsevangelium des Thomas : eine intertextuelle Untersuchung zur Darstellung der Wundertaten und des Wundertäters in den Paidika
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Zusammenfassung
Das Kindheitsevangelium des Thomas (KThom) wird in der aktuellen Forschung üblicherweise unter den sog. antiken christlichen Apokryphen verortet (vgl. Markschies/Schröter 2012). Es erzählt in Einzelkapiteln primär wundersame Ereignisse aus einem Lebensabschnitt Jesu, der innerhalb der lukanischen und matthäischen Kindheitserzählungen keine Berücksichtigung findet. Diese Wundererzählungen provozieren und können als Skandalon in doppelter Hinsicht wahrgenommen werden, weil sie z.T. willkürlich und grausam anmuten und den aus den kanonisch-gewordenen Texten bekannten Wundertäter Jesus als fünf- bis zwölfjähriges Kind darstellen. Hinzukommt, dass das KThom als marginalisierte Schrift des Frühen Christentums im neutestamentlichen Forschungsdiskurs vielfach mit inhaltlichen und stilistischen Negativwertungen versehen wurde und wird, die größtenteils kanongeschichtlich begründet sind und die es zu relativieren gilt, um den Eigenwert des KThom herauszustellen (so auch Kaiser 2010). Die vorliegende Studie ist stark methodologisch ausgerichtet, indem sie mithilfe eines viergliedrigen, synchron ausgerichteten intertextuellen Methodeninstrumentariums prüft, ob die Darstellung der Wundertätigkeit Jesu im KThom tatsächlich so anders ist als diejenige in den kanonisch-gewordenen Texten. Intertextualität wird in exegetischen Untersuchungen größtenteils synonym zu Literarkritik und Quellenforschung verwendet und daher diachron definiert (schon Petersen 2008). Die Frage nach literarischen Abhängigkeiten intensiviert jedoch die oben beschriebene Negativwertung. Die vorliegende Studie arbeitet daher mit dem Postulat eines reziproken Abhängigkeitsverhältnisses im Prozess der Rezeption, weil durch ein Zusammenlesen des KThom mit den kanonisch-gewordenen Texten Sinnpotentiale des Analysetextes und der Vergleichstexte durch die Rezipierenden evoziert werden (dazu auch Alkier/Hays 2005). Das Vorgehen der Studie ist somit kommunikationstheoretisch und damit zugleich text- und rezipierendenorientiert ausgerichtet, weil von im Analysetext KThom textinhärenten intertextuellen Merkmalen (Zitate und Anspielungen) ausgegangen wird, die wiederum von sog. Modell-Lesenden unter Rückgriff auf deren Enzyklopädie (vgl. Eco 1987) erkannt und gedeutet werden wollen. In der Textanalyse wird daher nach den Formen der Markierung, den Bezugsfeldern der Intertextualität, der Intensität der intertextuellen Bezüge und den Funktionen von Intertextualität gefragt (in Anlehnung an Broich/Pfister 1985; Helbig 1996; Holthuis 1993; Merz 2004; Stocker 1998). Die Studie zeigt in unterschiedlichen Facetten auf, dass sich die Enzyklopädie der Lesenden als zentrale Instanz zur Beantwortung der zugrundeliegenden Fragestellung erweist und sich v.a. auf die Definition der Modell-Lesenden, deren Zusammenstellung von Analyse- und Vergleichstext sowie die Wahl der Lesart zurückführen lässt.