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Auflistung Dissertationen/Habilitationen nach Auflistung nach Fachbereich/Einrichtung "FB 04 - Geschichts- und Kulturwissenschaften"
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Item August Friedrich Wilhelm Crome: Man kann nicht alles seyn, jeder muß seinen Beruf fühlen. Meiner liegt in der großen Welt : Zum Selbstverständnis eines umstrittenen Professors um 1800(2010) Nees, Christa-IreneAls Statistiker und Kameralist wirkte Crome von 1787 bis 1831 an der Universität Gießen. In dieser Zeit sind Umbrüche und Veränderungen im Bereich der Universitäts- und Landesgeschichte aber auch auf dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte auszumachen. Kriegsereignisse tangieren Hessen-Darmstadt, sowie Gießen und seine Universität direkt. Nach 1813 ist die Universität durch Unruhen in der Studentenschaft zwar nicht wirklich in ihrer Existenz gefährdet, aber doch nachhaltig gestört. Crome steht wegen seiner politischen Haltung und seinem persönlichen Agieren im Kreuzfeuer kritischer Angriffe. Professoren solidarisieren sich mit den studentischen Aktionen. Die von Crome betriebene Statistik (Einsatz von Karten und Tabellen in Verbindung mit beschreibender Darstellung) gilt zunehmend als überholt. Ausgangspunkte der Untersuchung waren die vorliegenden Einordnungen von Cromes Leben und Wirken, wie sie etwa ab 1957 zu finden sind. Crome wird zum bedeutenden Rheinbundtheoretiker erklärt, man sieht in ihm einen erbitterten Feind der nationalen Bewegung. Sein Wirken für Hessen-Darmstadt, sein Einfluss an der Universität Gießen werden als entscheidend für die Universität in dieser Umbruchszeit angesehen. Die, wie sich zeigte, nicht durch die Quellen gedeckte aber bis in die Gegenwart übernommene Angabe einer 1799 von ihm und Bernadotte in Mainz zwischen Hessen-Darmstadt und der Französischen Republik abgeschlossenen Neutralitätskonvention fußt auf seinen darüber veröffentlichten Berichten. Crome schien als politisch aktiv Handelnder, aber auch durch seine Publikationen über die hessen-darmstädtische Landesuniversität hinaus in das Zeitgeschehen in besonderem Maße involviert. Die Quellenaussagen erfordern eine Neubewertung Cromes. Weder sein Einfluss innerhalb der Universität noch in der Politik von Hessen-Darmstadt waren von Bedeutsamkeit. Sein zeitgenössisches Umfeld registrierte ihn lange als problematische, umstrittene Persönlichkeit. Eine Rückwirkung im Kontext von Cromes weitverzweigten Fachdisziplinen auf die Universität ist nicht fassbar. Faktisch lag sie vor allem in seinem auswärtigen Ruf. In der Arbeit wird eine kritische Biographie Cromes mit einer Fallstudie verbunden, deren mentalitätsgeschichtlicher Schwerpunkt den im Umbruch befindlichen Status des Professorenstandes und Aspekte seiner Sozialisation näher umreißt. Crome, Spross eines aufgeklärten protestantischen Pfarrhauses, ist geprägt durch sein Studium in Halle. Sein Arbeits- und Leistungskonzept, seine am Erfolg in der Praxis ausgerichtete Lehrtätigkeit folgen den Vorstellungen des Halleschen Studienprogramms. An Hand seiner Publikationen werden u.a. Cromes Staatsverfassungskonzepte, die kameralistischen Positionen, seine Sicht der Französischen Revolution, von Rheinbund und Altem Reich, sowie seine Statistik vorgestellt. Die zeitgenössischen, in der Regel von Fachkollegen verfassten Rezensionen geben wenigstens punktuell Auskunft hinsichtlich der Qualität von Cromes statistischen Daten. Das temporär hohe Fachprestige Cromes basierte primär auf publizistischer Präsenz und werbewirksamen Aktivitäten. Seine Bekanntheit war zu Lebzeiten beachtlich und überstieg die vieler zeitgenössischer Fachkollegen, die sich allerdings in der Geschichte seiner Wissenschaften langfristig besser etablieren konnten. Die zunehmend kritischen Einwände in Fachrezensionen wirkten zu seinen Lebzeiten nicht meinungsbildend. Begründet ist das in der Leserwirksamkeit seiner Schriften, in der Macht seiner überzeugenden Feder. Crome war sich dieses Talentes bewusst, wollte es für seinen sozialen Aufstieg nutzen und setzte es, teilweise mit Erfolg, auch als Druckmittel ein. Seine Autobiographie ist als Projektion idealer Lebensentwürfe auf das eigene Leben zu sehen. Ziel war, Nachruhm zu sichern und vorbildliches Leben zu präsentieren. Seine Wirklichkeit ist vielfach eine konstruierte, die sich nicht mit der Realität deckte. Gesehen unter ideen-, sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten der Zeit um 1800 ist Cromes Leben als Fallbeispiel eines Gelehrtenlebens zu sehen, aussagekräftig für die in seinem Stand virulenten Tendenzen. Er reagiert mit seinem Bemühen um Aufstieg, um soziale Exklusivität auf die als unbefriedigend empfundene gesellschaftliche Rangstufe des Gelehrten. Bis ins Alter sucht er dem Professorenstand zu entfliehen und möglichst in die höher bewertete Staatsdienerhierarchie aufzusteigen. Durch das bewusste Praktizieren von gesellschaftlichem Rang nimmt er gleichzeitig Habitusformen vorweg, die Mitte des 19. Jahrhunderts den Status des Professorenamtes prägten, wo sich das Bestreben der Kulturträger nach sozialer Nobilitierung allgemein artikulierte.Item Das autonome Porträt in Florenz : Studien zu Ort, Funktion und Entwicklung des florentinischen Bildnisses im Quattrocento(1995) Kress, SusanneIm Zentrum der Dissertation steht die Gattung des autonomen Florentiner Tafelbildnisses im 15. Jahrhundert unter den besonderen Fragestellungen nach ihrem Ort und ihrer Funktion. Im Vordergrund steht dabei neben der Auseinandersetzung mit der künstlerischen Form bestimmter Porträttypen die Analyse zeitgenössischer Quellen und sozialhistorischer Bedingungen, die bisher in der Porträtforschung des Florentiner Quattrocento vernachlässigt wurden. Während im ersten Abschnitt anhand der Auswertung von historischem Quellenmaterial der genaue Aufbewahrungsort der Gattung rekonstruiert wird, stehen im zweiten Abschnitt ausgewählte Einzelporträts und verschiedene Porträttypen im Vordergrund der Untersuchung. Wie die Analyse der schriftlichen Quellen zeigt, war der Aufbewahrungsort autonomer Tafelbildnisse im Florentiner Quattrocento die camera des privaten Familienpalastes. Die Aufbewahrung von Tafelbildnissen in den Raumtypen anticamera, sala oder studiolo kommt nur vereinzelt vor. Innerhalb der Räume waren die Tafelbildnisse in der Regel über einer hölzernen spalliera entweder aufgestellt oder in der Wandzone zwischen spalliera und Zimmerdecke fest installiert. Florentiner Tafelbildnisse gehören demnach nicht zu der Gruppe der transportablen Privatporträts, die man in Truhen, Schränken oder Futteralen aufbewahrte. Vielmehr waren die Porträts sichtbarer Teil der repräsentativen Ausstattung der camera, die als zentraler Raum des Florentiner Palazzo immer auch einen öffentlichen Charakter hatte. Das autonome Florentiner Porträt des Quattrocento hatte in erster Linie Funktionen wie Dokumentation, Legitimation, Memoria und Repräsentation der Familie zu erfüllen. Anhand der Quellen kann belegt werden, dass fast ausschließlich Porträts der Kernfamilie für die repräsentativen Wohnräume des Familienpalastes in Auftrag gegeben wurden. Der Anlass für die Bestellung eines Porträts war zudem meistens mit einem besonders wichtigen Familienereignis wie Hochzeit oder Tod verknüpft. Eng mit diesen ganz auf die Darstellung der Florentiner Familie ausgerichteten Funktionen autonomer Tafelbildnisse sind im Florentiner Quattrocento die Entwicklung und Bevorzugung bestimmter Porträttypen verbunden. In der Gruppe der Männerporträts lassen sich vor allem das Pendantbildnis bzw. Porträtdiptychon sowie das Doppelbildnis als immer wiederkehrende Porträttypen für die Darstellung der patrimonialen Struktur der Florentiner Familie herauskristallisieren. Bei diesen Porträts, in denen meistens Vater und Sohn porträtiert sind, standen Dokumentation und Memoria im Vordergrund. Oft war der Tod des männlichen Familienoberhauptes der Anlass für die Bestellung solcher Porträts, die dann als bildlicher Ausdruck des Zusammenhalts und Fortbestandes der Familie fungieren sollten. Deutlich wird der Zusammenhang von Funktion und Form auch bei den Frauenporträts. Für die Darstellung Florentiner Bräute setzt sich schon früh der Porträttyp des weiblichen Profilbildnisses durch, der sich als besonders geeignet erwies, die sozialen und moralischen Anforderungen an junge Bräute zu vermitteln. Das typische weibliche Dreiviertelporträt entwickelt sich erst im letzten Viertel des Quattrocento durch die Auseinandersetzung mit Hans Memlings Madonnentafeln. Die Darstellung Marias im Innenraum vor einer Loggia wie sie typisch für Madonnenbilder der altniederländischen Tafelbilder ist entsprach der sozialen Rolle der Florentiner Frau, deren Handlungsspielraum sich durch die strengen moralischen Anforderungen dieser Zeit auf den häuslichen und religiösen Bereich beschränkte. Die eindeutige Rollenverteilung von Mann und Frau wird schließlich auch in den Florentiner Ehebildnissen thematisiert, in denen es um die Repräsentation der beteiligten Familien geht, als deren Vertreter die Eheleute sich porträtieren ließen.Item Begeistert, skeptisch, eigensinnig. Zeitgenössische Rezeptionen von NS-Inszenierungen(2024) Hofferberth, AnninaDie NS-Forschung beschäftigt sich in den letzten Jahrzehnten verstärkt mit der Attraktivität des NS-Regimes und hat dabei ein differenzierteres Bild von der Wirkung der Propaganda im Allgemeinen und von NS-Inszenierungen im Speziellen erarbeitet. Dieses ändert aber wenig daran, dass propagandistische Bilder von Großveranstaltungen weiterhin den öffentlichen Diskurs prägen. Dabei kann die Analyse der Wahrnehmung größerer wie kleinerer Veranstaltungen nicht nur zum Verständnis der Bindekraft der NS-Diktatur beitragen. Sie kann auch durch das Sichtbarmachen fortbestehender Handlungs- und Deutungsräume Komplexität ins Bild vom Leben in der Diktatur zurückbringen. Deswegen untersucht diese Doktorarbeit auf Basis von Selbstzeugnissen, wie Inszenierungen von verschiedenen Menschen rezipiert wurden und welchen Stellenwert die Feiern in ihrem Leben einnehmen konnten. Denn die synkretistische Gestaltung der NS-Inszenierungen machte sie anschlussfähig für breite Teile der Bevölkerung. Das ermöglichte den Menschen – ihren Einstellungen entsprechend – eine selektive Auswahl gutgeheißener Aspekte bei gleichzeitiger Minimierung kritisch betrachteter Momente. Die Inszenierungen mussten also nicht überwältigen, um eine große Menge an Menschen zu mobilisieren. Statt einer vereinheitlichten Meinung zeigt sich der Fortbestand einer Diversität von Haltungen. Die Rezeptionen der Inszenierungen hingen dabei weniger von den darin angelegten Botschaften als vielmehr von den ihnen individuell zugeschriebenen Funktionen, den Voreinstellungen der Rezipierenden und der Kontextualisierung in deren Lebenserzählung ab.Item Beharrliche Einheit der Vielfalt : Das Ordinarienkollegium der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin 1809-1945(2012) Wagner, FrankDie Arbeit umfasst eine prosopographische Studie zu den etwa 650 an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs lehrenden Ordinarien. Empirische Grundlage ist eine vom Verfasser zusammengestellte Datenbank mit umfangreichen Lebens- und Karrieredaten zu den 650 ordentlichen Professoren, die bis 1945 an die Berliner Universität berufen worden sind.Ein Einleitendes Kapitel widmet sich zunächst den Rahmenbedingungen der Berliner Ordinariengeschichte und beschreibt das Verhältnis von Stadt und Universität, die Entwicklung der Studierendenzahlen sowie den Ausbau der Friedrich-Wilhelms-Universität vor allem im Kaiserreich, an dessen Ende nahezu jeder fünfte der rund 60.000 deutschen Studierenden hier immatrikuliert war. In der Differenzierung nach Fakultäten lässt den allmählichen Aufstieg der immer deutlicher in Naturwissenschaftler und Geisteswissenschaftler zerfallenden philosophischen Fakultät ebenso erkennen, wie den Bedeutungsverlust der Theologie. Ein zweites Kapitel analysiert zunächst die Frequenz des Gesamtlehrkörpers der Berliner Universität, nachfolgend eine Differenzierung nach Fakultäten. Diese erlaubt es, Struktur und Entwicklung der Lehrstühle in einzelnen Disziplinen genauer nachzuvollziehen. Die Inkorporierung der tierärztlichen und der landwirtschaftlichen Hochschulen in den 1930er Jahren stellen dabei die tiefsten Einschnitte dar. Beginnend mit dem dritten Kapitel werden die zusammengetragenen Personen- und Karrieredaten präsentiert und analysiert. Von der Herkunft in geographischer, religiöser und sozialer Hinsicht über den Schulbesuch, Militärdienst, Studium und die einzelnen Schritte der akademischen Karrieren bis hin zum Lebensende werden zahlreiche Lebensumstände der Berliner Ordinarien beleuchtet. Weitere Abschnitte befassen sich mit dem politischen Wirken, dem Connubium, der familiären Vernetzung und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Professoren sowie ebenso mit der staatlichen Anerkennung, die ihnen in Form von Orden und Ehrentiteln zukam. Die Arbeit zeigt anhand der Ordinarien und einer Auswertung ihrer Lebens- und Karrieredaten detailliert, vor welchem personellen Hintergrund die Berliner Universität in wenigen Jahrzehnten ihre wissenschaftliche Spitzenstellung erreichen konnte und diese seit der Wende zum 20. Jahrhundert nach und nach auch wieder verloren hat.Item Die Bekennende Kirche und die Gründung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau - EKHN(2010) Borchmeyer, DorisDie Kirchenordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) von 1949, die bis 2010 Gültigkeit hatte, unterschied sich in verschiedenen Aspekten von den Kirchen¬ordnungen anderer evangelischer Landeskirchen in Deutschland. In unterschiedlichen Kontexten wurde daher von einer Sonderstellung gesprochen. In der vorliegenden Untersuchung wurde der Frage nach dem Besonderen nachgegangen. Da es vor allem in der bruderrätlich gestalteten Leitung und in der Institution des Leitenden Geistlichen Amtes (LGA) liegt, war das Ziel der Arbeit, die Form der Kirchenleitung bezüglich ihrer ursprünglichen Intention und deren Verwirklichung zu analysieren. Hierzu musste die Vorgeschichte in Hinblick auf ihre Vorgängerkirchen analysiert werden. Bei der Neukonstituierung der Landeskirche 1945-49 hat die im Kirchenkampf entstandene Bekennende Kirche (BK) erheblichen Einfluss ausgeübt. Es stellte sich die Frage, wodurch sie gerade in Hessen und Nassau eine so beherrschende Rolle übernehmen konnte. Einer ihrer Gründer Martin Niemöller, wurde der erste Kirchenpräsident der EKHN und steht in dem Ruf, als Souverän gewirkt zu haben. Lässt sich seine Einflussnahme nachweisen? Es wird nach den historischen Ursachen gefragt, die zu der Kirchenordnung der EKHN geführt haben, und dazu intensiv deren Entstehungsgeschichte in der Nachkriegszeit beleuchtet. Die wichtigsten ErgebnisseMit der Anerkennung des durch Befehl der nationalsozialistischen Regierung erzwungenen Zusammenschlusses zur Evangelische Landeskirche Nassau-Hessen (ELKNH) knüpfte man zwar an die Zeit bis 1933 an, besann sich dabei aber bewusst auf die bekenntnismäßigen Grundlagen der Kirche. Man wollte sich in aller Deutlichkeit von den Einflüssen, die die Kirche ab 1933 theologisch und strukturell massiv verändert hatten, distanzieren und ähnliche Einflussnahmen für die Zukunft ausschließen. Da die Kirche als zerstört galt, konnte erst nach Beendigung des Krieges über Aufgaben und Personalfragen in der neuen Führung der Kirche beraten werden. Es bot sich die Möglichkeit, eine Kirche mit aktuellen Überlegungen und Idealen zu gestalten. Es wurde eine völlig neue Kirchenordnung entwickelt. So konnte die BK im Gebiet der künftigen EKHN während dieser Phase so großen Einfluss nehmen wie in keiner anderen Landeskirche.Aufgrund der jüngsten Vergangenheit war man sich der menschlichen Verführbarkeit im Hinblick auf Machtbefugnisse bewusst. Zu den wichtigsten Erfahrungen aus der Zeit des Kirchenkamfes gehörte es, dass kein Mitglied oder Amt dem anderen überzuordnen war. So wurde die Leitung der Kirche als bruderrätlich bezeichnet. Hierfür war die Bildung des Leitungs¬gremiums durch Pfarrer und Laien entscheidend, die gemeinsam für alle Beschlüsse verantwortlich sind. Mit einer Vielzahl von Gremien wurden Kontrollmechanismen eingebaut, um in allen Organisationsebenen einen übermäßigen Gebrauch von Macht so weit wie möglich zu verhindern. Auch auf ein ausgeglichenes Gegenüber von Gemeinde und Amt wurde großer Wert gelegt. Die geistliche Funktion des Kirchenpräsidenten wurde durch die Schaffung des LGA auf einen Kreis von Brüdern übertragen. In der Schaffung dieses Organs sah Niemöller, auf den sowohl die Konzeption als auch die Bezeichnung dieses Gremiums zurückgehen, einen Versuch, eine mögliche Aufsplitterung der noch jungen Gesamtkirche in Propsteikirchen zu verhindern.Das LGA, eng mit der Kirchenleitung zusammenarbeitend, hatte formell nur beratende Aufgaben. Faktisch aber war sein Einfluss von Anfang an immens: Keine wichtige Entscheidung der Kirchenleitung wurde getroffen, die nicht zuvor vom LGA beraten worden wäre. Da es aber nicht nur auf der Ebene der Leitung der Landeskirche Beratungsaufgaben hatte, sondern auch die einzelnen Gemeindepfarrer betreute, reichte sein Einfluss bis in die letzten Glieder der Kirchen-struktur. Eine klare Trennung zwischen dem LGA und der geistlichen Leitung der Landeskirche gab es nicht.Martin Niemöller schien in der Entstehungsphase der Kirchenordnung nicht weiter in den Vordergrund zu treten als die anderen Mitglieder. Er gestaltete die Kirchen¬ordnung in seinem Sinne mit. Aber seine Einflussnahme lässt sich nicht belegen. Sie bestand darin, dass er seine Vorstellungen aus dem Hintergrund einbrachte und in vielen Bereichen so seine Ziele erreichte. Sein Gespür für kommende Entwicklungen und sein besonderer Weitblick waren bekannt und gaben seinen Äußerungen und Einschätzungen das nötige Gewicht.Den Sitzungsprotokollen des Verfassungsausschusses lässt sich nicht entnehmen, dass Niemöller an einer Ausweitung der Befugnisse des Kirchenpräsidenten gearbeitet hätte. Die Analyse der Protokolle lässt den Schluss zu, dass er an einer Kirchenordnung mitwirken wollte, die von einem Gremium zu leiten sei, in dem er selbst jedoch durchaus ersetzbar sei.Item Die dialektische Poetik des Horaz : ein Beitrag zum hermeneutisch-symbolischen Textverständnis unter besonderer Berücksichtigung von Epistel I 14(2008) Nolte, AlexandraDie literarische Epistel wird in herausragender Weise nicht nur poetologischen, sondern auch praktisch-philosophischen Erfordernissen gerecht. Die poetische Epistel horazischer Prägung genügt diesem Verständnis in besonderem Maße; sie ist das Paradebeispiel klassischer Literatur. Sie ist gattungsbedingt auf ein Gegenüber ausgerichtet, bewegt sich inhaltlich wie sprachlich in einer Wechselbeziehung zwischen (literarischem) Ich und Du, stellt Fragen und gibt Antworten, ist also in jeder Beziehung dialektisch und damit von überzeitlicher Bedeutung. Die Bedeutung des Textes ist das Ergebnis des Dialogs zwischen Text und Leser bzw. des Kommunikationsprozesses zwischen ihnen. Die symbolische Bedeutung wird durch die hermeneutische Interaktion von Text und Rezipienten konstituiert. Im Rahmen der vom Rezipienten vorzunehmenden Sinnkonstitution eröffnen sich Möglichkeit und Notwendigkeit der Einbeziehung des Okkasionellen, das den Sinn des Ganzen mitträgt. In Epistel I 14 wird von einem durch die Dimension der Repräsentativität erweiterten, bedeutsamen und damit symbolischen Ich in souveräner Sprechhaltung eine Sachdiskussion geführt. Das gilt für beide Ich der Epistel, für das ideale eigentliche Ich (me), aber genauso für das Substrat dieses Ich, das als real vorgestellte Ich (mihi). Die Gesprächsoffenheit und die damit einhergehende Dialektik beziehen sich daher in umfassender Weise auf den allgemeinen Leser. Das bedeutet, dass in letzter Konsequenz im Gespräch mit dem Verwalter, mit sich selbst und mit den Lesern ein Diskurs über eine Sachthematik geführt wird. Den diversen Positionen eignet in dieser Hinsicht ein systematischer Stellenwert. Daraus ergibt sich wohl nicht zuletzt die Tatsache, dass auch abgelehnte und überwundene Positionen nicht einfach in Bausch und Bogen verworfen werden (vgl. z.B. v. 36: nec lusisse pudet, sed non incidere ludum). Das Ich dient dem Ethos der Aufrichtigkeit des Autors, um die Fiktion des Nicht-Fiktiven zu schaffen. Der Primäradressat fungiert als Mittler, der es dem Dichter ermöglicht, Sachverhalte in äußerster Verdichtung und auf engstem Raum darzustellen (vgl. epist. I 14, 1), appellative Generalisierungen (vgl. epist. I 14, 44) bedingen ein Ausgreifen über das selbstreflexive, selbstkritische Moment auf den allgemeinen (Sekundär-) Adressatenkreis. Dieses selbstkritische Moment besteht in der theoretischen Erkenntnis des Horaz, dass die Autonomie des animus eine praktische Umsetzung erforderlich macht, die es ihm allzeit ermöglicht, seine ars libens auszuüben. Damit ist einerseits eine Kompatibilität mit Vers 13 (in culpa est animus, qui se non effugit umquam), aber auch mit der zentralen Epistel I 11 gegeben, darüber hinaus das Problem der Disparität von Pflicht (einschließlich der Freundespflicht) und Neigung, Engagement und Rückzug einer Lösung zugeführt. Voraussetzung dafür ist das Verständnis des Landes als Symbol für eine bestimmte Lebens- und Geisteshaltung. Auch im Zeichen der Autonomie des animus wird das Land (und die Sehnsucht nach ihm) jedoch durchaus nicht bedeutungslos, denn die gewählte oder empfohlene ländliche Lebensform kann als Spiegel einer getroffenen inneren Entscheidung gelten so wie der Brief als Spiegel der Seele, also der inneren Einstellung seines Schreibers gelten kann. Die gewählte Lebensform erscheint als Folge einer vorab und grundsätzlich getroffenen inneren Entscheidung. Die im Brief als dem Muster von Textpragmatik schlechthin realisierte Selbstpräsentation des Ichs wird infolge der Selbstbindung und Gesprächsoffenheit zugleich dem Anspruch der Aufrichtigkeit sowie der Verallgemeinerung gerecht. Die Dichtung wird zum Symbol für das Leben, das rus zum Symbol für Horazens Leben (-sziel). Dem Symbolwert des Landes, also der symbolisch zu verstehenden Lebensform, tritt die symbolisch zu verstehende Dichtungsform an die Seite. Das rus erscheint als ideales Symbol für die Realisierung des Zieles einer Formung des animus, die gerichtet ist auf das Bewusstsein innerer Unbegrenztheit und somit Freiheit gegenüber den Dingen, auf deren Reize die Philosophie, Horazens Philosophie zumal, zu reagieren lehrt.Item Die Rolle der religiösen Einstellung und Lebenszufriedenheit für das Glücksempfinden von Studierenden(2024) Alkresh, IbrahimDie vorliegende Studie untersucht, wie persönliche Einstellungen zur Religion das Glücksempfinden beeinflussen und welche Rolle die Lebenszufriedenheit dabei spielt. Die Fokusgruppe der Studie bestand aus Studierenden der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg. Zur Auswahl dieser Gruppe wurde die einfache Zufallsauswahlmethode verwendet. Im Jahr 2022 wurden 534 zufällig ausgewählte Studierende im Alter von 18 bis 33 Jahren befragt. Als Erhebungsinstrumente kamen drei Skalen zum Einsatz: die Skala der religiösen Einstellung, die Oxford-Glücksskala und die Skala der Lebenszufriedenheit. Zusätzlich wurde der "Fragebogen zur persönlichen Information" verwendet, der 16 Fragen zu demografischen und sozialen Aspekten wie Geschlecht, Alter, Studienfach, finanzieller Lage, körperlichem Erscheinungsbild, gesundheitlichen Problemen und sozialen Netzwerken enthielt. Die Studie gliedert sich in drei Hauptteile: Der erste Teil bietet einen umfassenden Überblick über die theoretischen Grundlagen, einschließlich der Entwicklung religiöser Einstellungen sowie der Theorien und Faktoren des Glücks aus philosophischer, psychologischer und religiöser Perspektive. Im zweiten Teil wird die Methodik detailliert beschrieben, einschließlich der verwendeten Erhebungsinstrumente und der statistischen Verfahren. Der dritte Teil analysiert die gesammelten Daten und untersucht die Zusammenhänge zwischen religiösen Einstellungen, Lebenszufriedenheit und Glücksniveau im Kontext verschiedener Variablen. Die Datenanalyse erfolgte mit der statistischen Software SPSS. Zur Überprüfung der Hypothesen wurden Korrelationsanalysen, t-Tests und ANOVAs durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen eine positive Korrelation zwischen religiöser Einstellung und Glücksempfinden bei den Studierenden. Diese deutet darauf hin, dass religiöse Einstellung und Lebenszufriedenheit signifikant positiv miteinander verbunden sind und gemeinsam einen wesentlichen Teil des Glücksempfindens erklären. Zusammenfassend unterstreicht die Studie die Bedeutung religiöser Überzeugungen für das Wohlbefinden von Studierenden und bestätigt die Hypothese, dass religiöse Einstellung und Lebenszufriedenheit in einer signifikanten positiven Beziehung zueinander stehen.Item Dilettantismus als Methode : Mark Dions Recherchen zur Phänomenologie der Naturwissenschaften(2005) Heidemann, ChristineAusgehend von der Beobachtung, dass der Dilettantismus im Zuge eines gestiegenen Interesses an universalistischen Theorien, die Kunst und Naturwissenschaften deutlicher in Bezug zueinander setzen als dies meist für die Gegenwart diagnostiziert wird, zunehmend an Konjunktur gewonnen hat, wird das künstlerische Werk des Amerikaners Mark Dion (*1961) untersucht. Die vorliegende Dissertation ist als monographische Übersicht angelegt und arbeitet den Dilettantismus als zentrale Arbeitsmethode des Künstlers heraus.Dion analysiert in seiner Arbeit die Repräsentationen der Natur in den Wissenschaften und deren Geschichte und rekurriert dabei methodisch auf institutionskritische und ortsspezifische künstlerische Praktiken, wie sie sich seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt haben. Ergebnisse seiner Recherchen sind häufig detailreiche Installationen sowie performative Projekte, in deren Rahmen der Künstler Handlungsweisen und Repräsentationsmodi aus den Wissenschaften adaptiert und in den Kunstkontext überführt. Diese performativen Arbeiten, in welchen Dion die Phänomenologie der Wissenschaften als Dilettant, d.h. also als Nichtfachmann und dennoch gleichsam von innen heraus zu erfassen sucht, stehen im Mittelpunkt der Dissertation.Speziell die "Fehler", Leerstellen und Brüche, die bei Dions Arbeit aufgrund seines Dilettantismus hinsichtlich der Wissenschaften entstehen, sind die Momente, in denen Vagheit und Fragmentarisches individuelle Zugangsmöglichkeiten eröffnen: zu den behandelten Wissenschaftsthemen einerseits und zur ästhetischen Qualität der Kunstwerke andererseits.Die Geschichte des Dilettantismus (speziell in Italien, Deutschland, England) ist von ständigen Bedeutungsveränderungen des Begriffs geprägt, der sich vom italienischen "diletto" (Genuss, Vergnügen) ableitet. Neben sehr unterschiedlich motivierten negativen Definitionen als einer Kategorie der Abgrenzung wahrer Kunst und Wissenschaft von ihrem "oberflächlichen" und deshalb "minderwertigen" Gegensatz existieren stets auch positive Auffassungen, welche das liebhaberische Vergnügen als Wert an sich und als wichtigen Aspekt im Rahmen einer erfolgreichen Ausbildung individueller Kenntnisse und Fähigkeiten betonen. Die Geschichte des Dilettantismus ist eng verknüpft mit der Geschichte der Ausdifferenzierung der Disziplinen, und entscheidend ist stets, wer wen und mit welcher Motivation als Dilettanten bezeichnet.Die Tatsache, dass es eine einzige, allgemeingültige Bestimmung des Begriffes "Dilettantismus" niemals gab, resultiert in einer semantischen Offenheit, die als eine Freiheit begriffen werden kann. Speziell im Oszillieren der Bedeutungen und in den Widersprüchlichkeiten des Begriffs lässt sich eine Qualität entdecken, wie sich auch Dion für sich nutzbar macht, wenn er mit den Ambivalenzen des Dilettantismus spielt. Wenn der Dilettantismus als Schlüsselbegriff verwendet wird, um Mark Dions Arbeit in Relation zu den Wissenschaften zu untersuchen, dann heißt das nicht, Dilettantismus generell als lohnenswerte künstlerische Praxis darzustellen. Vielmehr ist Können notwendig, wenn eine Kunst wie die Dions mehr sein möchte als eine bloße Nacherzählung der Wissenschaft und Neues produzieren und kritische Fragen stellen will.Die Dissertation kommt zu dem Schluss, dass es speziell deshalb sinnvoll ist, Mark Dions Praxis vor dem Hintergrund der Geschichte des Dilettantismus zu diskutieren, weil diese die Wissenschaften und die Künste gleichermaßen betrifft und Anlass bietet, etablierte Standards zu hinterfragen, ganz so, wie es auch Ziel der Werke Dions ist.Die Arbeit ist in vier Abschnitte gegliedert, deren erster die theoretischen und historischen Grundlagen vorstellt, auf denen im Weiteren die Praxis Mark Dions analysiert wird. Unter anderem wird der Versuch unternommen, einen Überblick über die aktuelle Forschungslage zum Dilettantismus zu ermöglichen und insbesondere, den Dilettantismus als Kategorie der Künste und der Wissenschaften gleichermaßen zu beschreiben. Teil 2, 3 und 4 ("Field Work", "Museum Work" und "Archaeology") widmen sich im Detail der Analyse des künstlerischen Werkes Dions.Item Die Dinge sind in Fluss geraten : Die Friedensinitiative der Regierung Erhard 1966(2011) Behnecke, JensWie neu war die Neue Ostpolitik der Regierung Brandt? Stellte sie einen völligen Neuanfang dar oder knüpfte sie an die ostpolitischen Maßnahmen früherer Bundesregierungen an? Da es sich bei den in den frühen siebziger Jahren geschlossenen Ostverträgen im Kern um Gewaltverzichtsabkommen handelte, rückt bei der Beantwortung dieser Fragen die Friedensnote der Regierung Erhard vom 25. März 1966 in den Blick. Mit dieser Note gerichtet an alle Staaten, mit denen die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen unterhielt, sowie an die osteuropäischen und arabischen Länder - suchte die Bundesregierung den Anschluss an die Entspannungspolitik des Westens, ohne darüber ihre deutschland- und ostpolitischen Grundpositionen aufzugeben. So erhielt sie ihren Anspruch, das gesamte deutsche Volk in internationalen Angelegenheiten zu vertreten, ebenso aufrecht wie die Behauptung, Deutschland bestehe völkerrechtlich in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 fort, solange keine freigewählte gesamtdeutsche Regierung andere Grenzen anerkenne; auf der anderen Seite und darin kam die Bonner Entspannungsbereitschaft zum Ausdruck & #8722; unterbreitete sie eine Reihe von Vorschlägen zur Abrüstung und Sicherung des Friedens, darunter das Angebot, mit den Regierungen der Sowjetunion und der osteuropäischen Staaten Gewaltverzichtserklärungen auszutauschen.In der vorliegenden Arbeit wird zunächst die Entstehung der Friedensinitiative nachgezeichnet, an der, neben dem federführenden Auswärtigen Amt, d. h. dem Außenministerium, auch andere Bundesministerien, das Bundeskanzleramt, die parlamentarische Opposition im Deutschen Bundestag sowie amerikanische und britische Diplomaten beteiligt waren. Darauf folgt eine Darstellung der vielfältigen Reaktionen, die der Notenvorstoß im In- und Ausland hervorrief. Anschließend werden weitere Maßnahmen geschildert, welche die Regierung Erhard in Fortsetzung ihrer Friedensinitiative ergriff, um eine politische Annäherung an die Sowjetunion und die osteuropäischen Staaten herbeizuführen. Dabei wird unter anderem deutlich, dass in Bonn die Bereitschaft wuchs, den Alleinvertretungsanspruch bzw. den Grundsatz der Nichtanerkennung Ost-Berlins flexibler auszulegen. Während die Friedensinitiative noch darauf abgezielt hatte, die DDR im Ostblock zu isolieren Ost-Berlin hatte kein Exemplar der Friedensnote erhalten und war in dem Dokument nicht erwähnt worden , entwickelte das Auswärtige Amt nunmehr Pläne, die DDR indirekt in Gewaltverzichtsvereinbarungen einzubeziehen.Die während Brandts Kanzlerschaft geschlossenen Verträge mit der Sowjetunion und Polen waren schließlich dadurch gekennzeichnet, dass sich die Vertragsparteien nicht nur zu einem abstrakten, sondern auch zu einem spezifischen Gewaltverzicht verpflichteten, indem sie die europäischen Grenzen, darunter die innerdeutsche und die Oder-Neiße-Grenze, für unverletzlich erklärten. Außerdem schloss die Bundesrepublik ein entsprechendes Abkommen mit der DDR. Zu beiden Schritten waren die Regierung Erhard und die zwischen 1966 und 1969 amtierende Regierung der Großen Koalition unter Bundeskanzler Kiesinger nicht bereit gewesen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass der in der Friedensnote der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten angebotene Gewaltverzicht letztlich das Mittel darstellte, um einerseits der Forderung nach einer Respektierung des territorialen Status quo in Europa zu entsprechen, andererseits aber eine formale Anerkennung bzw. definitive Festschreibung der Grenzen zu verhindern. Die Möglichkeit einer Grenzänderung auf friedlichem Wege und damit der Wiedervereinigung blieb also gewahrt.Item Das "Dritte Rom" : Zerstörung und Konstruktion von Geschichte im Dienste nationaler Erinnerung, 1870-1950(2008) Steidl, MischaMit dem Einmarsch der italienischen Truppen in Rom im Jahre 1870 und dem Ende der weltlichen Herrschaft des Papsttums begann eine Phase radikaler Umgestaltung der städtebaulichen Substanz Roms. In einer ersten Phase realisierte der liberale Nationalstaat seine Vorstellung eines modernen und monumentalen Roms und schuf innerhalb der wesentlich durch kirchliche Symbole definierten Stadt die Kapitale der geeinten Nation. Der Umbauprozess setzte sich nach dem politischen Systemwechsel 1922 fort. Der Machtübernahme Mussolinis und der Umwandlung Italiens in eine faschistische Diktatur folgte die Schaffung einer Roma di Mussolini nach einem von Mussolini höchst persönlich vorangetriebenem Programm. Erst 1950, mit der Fertigstellung bereits in faschistischer Zeit initiierter Großbauvorhaben, endete der Prozess, der bis heute das Stadtbild prägt. Die mit dem Ausbau der Stadt zur Millionenmetropole verbundene Zerstörung vorhandener städtebaulicher Substanz war einerseits Modernisierungsvorhaben geschuldet, andererseits verfolgte der Staat vehement das Projekt, durch monumentale Repräsentationsarchitektur- und Denkmalsvorhaben identitätsstiftende Orte nationaler Erinnerung zu schaffen. Bau- und Denkmalspolitik waren dabei eng mit dem Rückbezug auf das antike Rom verbunden. Über die ideelle, architektonische und städtebauliche Erinnerung an die ehemalige Größe Roms, die als Romidee oder romanità bezeichnet werden, sollte das politische Potential der Nation verdeutlicht werden. Der Bau des Nationaldenkmals für Vittorio Emanuele II. und die daran anschließenden städtebaulichen Modifikationen im direkten Denkmalsumfeld waren das eingreifendste Vorhaben. Das zur nachhaltigen Erinnerung an die Verdienste der Monarchie für die nationale Einheit geplante Denkmal wurde bewusst in nächster Nähe des antiken Stadtzentrums, des Kapitolshügels, erbaut, trotz der mit dem Bau verbundenen archäologischen Flurschäden. Mit der zunehmenden Bedeutung des Denkmals als eines konsensfähigen Orts nationaler Erinnerung, die durch die Beisetzung des Unbekannten Soldaten um den Kontext der mit dem I. Weltkrieg verbundenen Erinnerung erweitert wurde, avancierte das Denkmal insbesondere nach der Machtübernahme des Faschismus zum Zentrum politischer Kommemorationsfeiern. Durch die Verlegung des Amtssitzes Mussolinis in den direkt gegenüber dem Nationaldenkmal gelegenen Palazzo Venezia wurden das politische Zentrum des Faschismus und das erinnerungskulturelle Zentrum der Nation in einen ideologischen Sinnzusammenhang gestellt. Unter diesem Aspekt ist auch der Ausbau der Piazza Venezia zu einem städtebaulichen Knotenpunkt zu sehen. Über eine rein städtebauliche Notwendigkeit hinaus wurde ein modernes Forum geschaffen, das Ort der Kommunikation zwischen Führer und Masse und somit politisches und symbolisches Zentrum der Nation wurde. Der mit radikalen Zerstörungsmaßnahmen verbundene Bau der Via dell´Impero verband das Nationaldenkmal und das Kolosseum als städtebauliche Solitäre miteinander. Ebenso wurden über die Via dell´Impero das Forum Romanum und die in faschistischer Zeit aus der nachantiken Überbauung herauspräparierten Kaiserforen für das Stadtbild erschlossen. So entstand die städtebauliche Symbiose eines antiken und modernen Roms. Zum einen ist sie als Akt der Adaption der architektonischen Zeugen antiker Größe zur Legitimitätsbehauptung faschistischer Expansionspolitik zu deuten. Zum anderen ist diese Erinnerungsfigur in Relation zum Kult des Unbekannten Soldaten zu sehen. Er wurde als Symbol des siegreichen nationalen Opfers zum Anfangspunkt eines neuen Weges zu nationalem Ruhm stilisiert. Durch weitere Systematisierungsarbeiten um das Kolosseum und die Anlage der Via Imperiale wurde der begonnene Weg über die Stadtgrenze hinaus bis hin zum Mittelmeer ausgebaut. Durch diese städtebaulichen Maßnahmen gelang die Inszenierung des historischen Weges von einer erfolgreich aus dem I. Weltkrieg hervorgegangenen Nation hin zu einer neuen Macht am Mittelmeer als sinnfälliges Kontinuum. Die Analyse der Entwicklung des Nationaldenkmals und der Modifikationen des umgebenden städtebaulichen Kontextes belegt einen Paradigmenwechsel von nationalstaatlicher zu faschistischer Zeit. In nationalstaatlicher Zeit war trotz der folgenreichen Standortentscheidung das grundlegende Mittel zur Konstruktion nationaler Erinnerung die architektonisch-künstlerische Denkmalsgestaltung. Hingegen ist in faschistischer Zeit die ausufernde Nutzung des Erinnerungsortes in kommemorativen Ritualen das konstruktive Element der nationalen Erinnerung. Nicht mehr den Ort, sondern den zur Inszenierung dieser Rituale notwendigen Raum galt es zu gestalten, ein für die Stadtstruktur im Denkmalsumfeld folgenreiches Phänomen. Um das Denkmal herum entstand durch Zerstörung von Geschichte eine monumentale Leere, die nur im Rahmen politischer Feiern gefüllt wurde. Mit dem Ende des Faschismus löste sich dieser anschauliche Zusammenhang auf.Item École de Paris global. Die Erfindung von Paris als Kunstzentrum in internationalen Ausstellungen zwischen 1921–1946(2024) Ruckdeschel, AnnabelEs ist eine häufig erzählte Geschichte, dass Paris am Anfang des 20. Jahrhunderts das Weltzentrum der Kunst gewesen sei. Dieses Buch fragt danach, welchen Beitrag Ausstellungen zwischen 1921 und 1946 zur Entwicklung und Verbreitung dieser Erzählung geleistet haben. Es beleuchtet Ausstellungen in den Cafés des Pariser Viertels Montparnasse und die internationalen Ausstellungen der „École de Paris“. So treten konkurrierende Sichtweisen auf Paris als Zentrum und Kreuzungspunkt der Kunstwelt hervor. Dieses Buch bietet erstmals einen chronologischen sowie topographischen Überblick über diese Ausstellungen. Zudem löst es die kunsthistorische Forschung zur „École de Paris“ aus ihrer auf Paris fokussierten Perspektive und analysiert seinen Gegenstand im Horizont transkultureller Dynamiken.Item Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg und seine Tätigkeit in der Ukraine (1941-1944)(2013) Gutsul, NazariiDer Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) gehörte zu den wenigen nationalsozialistischen Organisationen, die im Zweiten Weltkrieg ein Mandat zur Sicherstellung und Bergung des Kulturerbes der besetzten Völker bzw. zum Kunst- und Kulturraub besaßen. Die vorliegende Dissertation ist dem ERR und seiner Tätigkeit in den besetzten ukrainischen Gebieten 1941-1944 gewidmet. Im Gegensatz zu den westeuropäischen Studien, die sich mehr auf den Kulturraub von jüdischem Besitztum spezialisieren, konzentriert sich die vorgelegte Forschungsarbeit mehr auf den Kunst- und Kulturraub aus den staatlichen Einrichtungen in der Ukraine. Die Arbeit leistet einen Beitrag zur Okkupations- und Kulturgeschichte der Ukraine, der deutsch-ukrainischen Beziehungen, zur Forschung über den Nationalsozialismus und die Geschichte Osteuropas im 20. Jahrhundert im Allgemeinen. Sie basiert vor allem auf ausgewerteten archivalischen Quellen aus Deutschland und der Ukraine, obwohl die Überlieferung der relevanten Archivakten lückenhaft und fragmentarisch ist. Die Arbeit verfolgt das Ziel die verstreuten Archivquellen zur Institutionsgeschichte des ERR auszuwerten und ein zusammenhängendes Bild der Struktur, der Aufgaben und Personalpolitik chronologisch und ortsbezogen zu rekonstruieren. In der neueren Forschung zum Kunst- und Kulturraub wurden vor allem die nationalsozialistischen Konkurrenten des ERR diskutiert. Der ERR selbst wird dabei zumeist nur in Hinblick auf seine Tätigkeit im Rahmen der Kultur- und Kunstausbeutung untersucht und weniger hinsichtlich seiner ideologisch-wissenschaftlichen und kulturpolitischen Aufgabe. Deswegen enthält diese Studie Informationen über den Aufbau des ERR, seine Gründung und die Organisation der Stabsführung und seiner lokalen Gruppen. Dazu wurde auch die Verbindungen zwischen Stabszentrale und lokalen Haupt- und Arbeitsgruppen untersucht. Es wurden auch die Einsatzorte und -gebäude des ERR lokalisiert und analysiert. In der Ukraine wurde der ERR durch seine Hauptarbeitsgruppe Ukraine (kurz die HAG Ukraine) repräsentiert. Regional bestand die HAG Ukraine aus drei, später aus sechs, Arbeitsgruppen (kurz AG): West-Ukraine , Süd-Ukraine und Ost-Ukraine , später Kiew , Cherson , Dnepropetrowsk , Kriwoj Rog , Charkow und Krim ( Simferopol ). Neben den Arbeitsgruppen existierten auch Vor- und Sonderkommandos, die kurzfristige Aufgaben in den konkreten Regionen oder Städten ausübten.Zu den Hauptaufgaben des ERR gehörten auch die Gründung und Betreuung von fünf geplanten NS-Bibliotheken: die Zentralbibliothek der Hohen Schule der NSDAP, die Ostbücherei Rosenberg, die Bibliothek des Instituts zur Erforschung der Judenfrage, die Liberalismus- und Bolschewismus-Bibliotheken (die beiden letzten existierten nur auf dem Papier). Die Arbeit des ERR in der Ukraine bestand unter anderem aus Sicherstellung , Katalogisierung , Lieferung , Vorbereitung der Politischen Ausarbeitungen und Organisation der politisch-ideologischen Schulungen .Die Studie spiegelt die theoretischen Aufgaben und die praktische Tätigkeit des Einsatzstabes in den vom Dritten Reich besetzten Gebieten der heutigen Ukraine wider, die zu folgenden vier Verwaltungsbereichen gehörten: Reichskommissariat Ukraine, Transnistrien, Generalgouvernement und Rückwärtiges Heeresgebiet. Die Arbeit stellt die Geschichte einer NS-Behörde, insbesondere ihre Organisation und Struktur, umfassend dar. Sie zeigt die Interaktion von Besatzern und einheimischen Wissenschaftlern und Hilfskräften aus einer neuen Perspektive. Die Studie erschließt auch bis dato wenig bekannte Gesichtspunkte aus dem Besatzungsalltag in den ukrainischen Gebieten im Zweiten Weltkrieg.Item Ethik und Politik: Aristoteles und Martha C. Nussbaum : Antike Elemente in einem zeitgenössischen, ethischen Ansatz der Entwicklungspolitik(2005) Riesenkampff, Isabelle CarolineMartha C. Nussbaum ist eine zeitgenössische, amerikanische Philosophin, die als Mitarbeiterin des World Institute for Development Economics Research (WIDER) der United Nations University in Helsinki eine Ethik der Entwicklungspolitik erarbeitete. In der vorliegenden Dissertation wird der von ihr entworfene Fähigkeiten -Ansatz samt seiner gedanklichen Basis, der praktischen Philosophie des Aristoteles, untersucht. Mit ihrem Ansatz verfolgt Nussbaum das Ziel, elementaren Verfassungsprinzipien die philosophische Grundlage zu liefern. Sie will die Regierungen aller Staaten dazu verpflichten, die Bürger zu bestimmten menschlichen Grundtätigkeiten zu befähigen, um somit ein Minimum an Menschenwürde zu gewährleisten. Mit Hilfe des Fähigkeiten -Ansatzes soll ein Maßstab geschaffen werden, anhand dessen sich die Lebensqualität in verschiedenen Ländern messen und vergleichen lässt. Zur Darstellung der nussbaumschen Theorien wird in den ersten beiden Teilen der Arbeit ihr umfangreiches, gedankliches Fundament - die praktische Philosophie des Aristoteles - erörtert. Sowohl die Nikomachische Ethik als auch die Politik basieren auf der leitenden Grundidee des Eudämoniestrebens des Menschen, anhand dessen Aristoteles seine Vorstellungen von der Glückseligkeit, von den ethischen und dianoetischen Tugenden, von der Gerechtigkeit, von der Freundschaft, von dem Staatsbürger und vom Funktionieren des besten Staates entwickelt. Eine Untersuchung der aristotelischen Werke samt ihres politischen Umfelds auf den eudämonistischen Aspekt hin ist für den kommunitaristischen Ansatz Nussbaums unabdingbar. Am Anfang des dritten Teils der Dissertation wird dann das Rawls´sche Werk in Grundzügen veranschaulicht, es wird auf seine Überlegungen zum Guten eingegangen und im Anschluss daran wird die aus der Gerechtigkeitstheorie entstandene Kommunitarismus-Liberalismus Debatte erörtert. Der Eingliederung des nussbaumschen Ansatzes in den zeitgenössischen Kontext folgt seine Diskussion auf die Fragestellung hin, ob Nussbaum der aristotelischen Schriften bedarf und inwieweit sich heutzutage noch eine kommunitaristische Perspektive, die das Gute vor das Rechte setzt, vertreten lässt. Die Autorin ist der Ansicht, dass es nicht möglich ist, Vorstellungen zur Erziehung und zur Arbeit der antiken Oberschicht mit der der Gesamtbevölkerung eines heutigen Landes zu vergleichen, wie es Nussbaum tut. Des weiteren kritisiert sie die aus dem Kommunitarismus resultierende enge Verbindung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Leben einer Person. Es herrscht in der heutigen Zeit eine große Diskrepanz zwischen Normen des Zusammenlebens und Ideen bezüglich des persönlichen Glücks.Item Evolutionäre Ursprünge des mathematischen Denkens(2008) Krebs, NiklasDas Ziel dieser Arbeit besteht darin durch Aufdeckung und Entschlüsselung der evolutionären Ursprünge des mathematischen Denkens einen naturalistischen Erklärungsansatz für die Philosophie der Mathematik bereitzustellen, welcher fünf zentrale Fragen der Philosophie der Mathematik (1. Was ist Mathematik?, 2 Was ist das mathematische Denken?, 3. Warum können Menschen mathematisch denken?, 4. Warum passt die Mathematik so gut auf die Welt?, 5. Warum entwickelt die Mathematik eine solche Eigendynamik?) beantworten kann. Der Arbeit liegen dabei im ersten Kapitel zwei Grundlagenabschnitte zugrunde, in welchen einerseits die mathematisch-philosophischen und andererseits die evolutionspsychologischen und soziobiologischen Grundlagen entwickelt, vorgestellt und festgehalten werden. Über dies wird dort auch die Arbeitshypothese präsentiert, welche die evolutionären Ursprünge des mathematischen Denkens im evolutionären Umfeld der sozialen Intelligenz lokalisiert. Im anschließenden zweiten Kapitel wird im ersten Abschnitt der Frage nach der sozialen Intelligenz nachgegangen, bevor dann im zweiten Abschnitt ein evolutionäres Umfeld dieser sozialen Intelligenz abgesteckt und analysiert wird. Mit Hilfe dieser evolutionären Zusammenhänge lässt sich dann im ersten Abschnitt des dritten Kapitels zum einen das soziale Denken und zum anderen der evolutionäre Zusammenhang mit dem mathematischen Denken erklären, so dass eine Bestätigung und Konkretisierung der Arbeitshypothese möglich wird, welche das mathematische Denken als Nebenprodukt des sozialen Denkens identifiziert. Im zweiten Abschnitt des dritten Kapitels werden dann noch auf dieser evolutionären Grundlage die obigen fünf Fragen der Philosophie der Mathematik beantwortet, bevor im abschließenden dritten Abschnitt die gesamte Argumentation der Arbeit nochmals konzis dargestellt und ein Ausblick auf mögliche zukünftige Untersuchungen gegeben wird.Item The Federal Republic of Germany and the first Indochina War (1946-1954)(2012) Dao, Duc ThuanThe entire relations between the decolonization issue and the European integration has not been studied well so far, especially from the Asian perspective. Besides, European integration was not only an internal European affair, it was deeply affected or even sped up by the changes in the relations between in colonial centers and peripheries or even West Europe and the colonized world in total. For this reason, the first Indochina War in my research may serve as one of the striking cases to be investigated. Together with the end of the World War II, other events occurring in the late 1940s and early 1950s such as the establishment of the People s Republic of China (1949), the outbreak of the Korean War (1950), the emergence of the Cold War, etc have changed the entire structure of the world politics and international relations. Under this circumstance, the relation between France and West Germany was indeed to be re-defined. As a matter of fact, the colonized world was also much influenced. Within this context, European framework at that time was not shaped yet and Europe was still on the move of economic and political reconstruction. Although main colonial powers (France and Britain) were weakened after the World War II, France was in dilemma in between recolonization and European integration. To some extent, France ignored the de facto decolonization that would be unavoidable tendency all over the colonized world. In many French leaders minds, recolonization and thus, owning colonies are considered a part of their foreign policy and empire. For West Germany, after the formation of the Federal Republic, top leaders or representatives of different political groups were searching for the reorganization of their state which would be different from what had existed in the Weimar Republic and the Third Reich. Additionally, political ideas of European policy were not yet set up in West Germany. The problem is that under what dimension the Federal Republic should be or should push forwards? How diverse political parties should act in future? How the problem of the German reunification should be resolved?All the above-mentioned issues set the basis for the official attitudes of the federal government headed by Dr. Konrad Adenauer and other political and religious groups. The first Indochina War produced a huge media event in West Germany in the early 1950s. Accordingly, the West German media reflected the public view of the West German society and culture in the early 1950s on happenings inside and outside Europe. These views may help West German politicians and the society re-define the entire position of West Germany in the 1950s and the decades that followed. Rooted from the impacts of the French decolonization in Indochina and other crucial events in Europe and Africa, some lessons-learnt were figured out for West Germany: firstly, the German-Franco reconciliation (Élysée Treaty 1963); secondly, West German (further) integration into the Western institutions; thirdly, the West German policy towards the Third World countries; fourthly, the emergence of the New Left in the FRG. Finally, by giving a humble explanation to postcolonial theory, in my thesis the French decolonization in Indochina was a tool to understand the relations between France and West Germany. They were the fundament for a common interpretation of defeat and losses which deeply influenced the interactions of the contemporary leading politicians for Germany, the collapse of its world power aspirations and the establishment of more than one German state, for France the defeat against Germany and the following collapse of its colonial empire. For that, decolonization was used to explore new interactions of the world entangled . The influence of the French decolonization in Indochina on France, West Germany in particular and on Europe in general as the decolonization has sped up the process of the European integration since the 1950s.Item Freiheit und Determinismus in der stoischen Philosophie(2011) Gasser, CorneliaWir halten zunächst fest, dass der stoische Determinismus ursprünglich nicht als kausaler Determinismus eingeführt wurde, sondern mit einem stark teleologischen Element und dass er fest in der Kosmologie verankert ist.Die Welt der Stoiker ist ein ununterbrochenes Ganzes, in dem es keine noch so kleine Lücke gibt. Sie wird aus zwei Prinzipien gebildet, dem aktiven und dem passiven Prinzip.Das aktive Prinzip bezeichnen sie als Gott, Logos, Weltvernunft, und als Fatum ist für jegliche Veränderung in der Welt verantwortlich. Es verleiht jedem Objekt die ihm gemäße Grundbeschaffenheit, die mit zunehmender Vielschichtigkeit komplexer wird. Physikalisch gesehen ist das aktive Prinzip pneuma von unterschiedlicher Feinheit. Das feinste pneuma ist die Vernunft, die sich als Gottes herrschendes Prinzip manifestiert.Das passive Prinzip nennen sie Materie, ὕλη. Es initiiert zwar keinerlei Bewegung, aber es ist die Grundlage jedes Gegenstands, wobei Gott und die Materie zusammen die Grundlage der Welt bilden. Beide Prinzipien bilden für sie eine vollständige Durchmischung und beide Prinzipien sind für sie körperlich.Für diese Arbeit ist es bedeutsam, dass die Stoiker zwischen einer globalen und einer innerweltlichen Perspektive unterscheiden.Der kausale Determinismus der Stoiker wird im Hinblick auf Ursachen definiert. In diesem Zusammenhang lernen wir Chrysipps umstrittene Behauptung kennen, dass es keine Veränderung ohne vorab bestehende Ursachen gibt. Ursache und Wirkung gehören für sie unterschiedlichen ontologischen Kategorien an, das heißt, dass sie die Ursache für körperlich halten, die Wirkung hingegen als unkörperlich. Die Voraussetzung für jedes Beispiel von Kausalität ist die Interaktion zwischen Körpern und sie ist immer doppelgesichtig . Das hängt davon ab, ob eine aktive oder eine passive Perspektive eingenommen wird. Damit unterscheiden die Stoiker zwischen Ursachen und qualitativen Zuständen und Ursachen und Veränderungen. Ihre Theorie des ununterbrochenen Zusammenhangs führt zu der Feststellung, dass es für jede Bewegung eine Bewegung gibt, die ein Teil von ihr ist; und dass es für jeden qualitativen Zustand einen qualitativen Zustand gibt, der ein Teil von ihm ist, wobei Chrysipp Bewegung als Veränderung von Raum, Form und Körper definiert. Daraus kann er ableiten, dass Kontinuität ein Mangel an Bewegung sein muss.Eine weitere These Chrysipps besagt, dass jede Bewegung und jeder qualitative Zustand eines beliebigen Objekts in Übereinstimmung mit der allgemeinen Natur sei muss, die in ihrer Gesamtheit alles umfasst. Diese These lässt sich auf die Unterscheidung zwischen der weltumfassenden und der innerweltlichen Perspektive zurückführen. Sie manifestiert sich in Chrysipps Unterscheidung der allgemeinen und der individuellen Natur. Die allgemeine Natur ist dasselbe wie das aktive Prinzip oder Gott. Da sich diese allumfassende Natur in alle Dinge erstreckt ist sie verantwortlich für die Organisation des Universums in seiner Ganzheit und sie lässt sich durch nichts behindern.Diese Behauptungen führen zu der Vermutung, dass Chrysipp einer Art von universellem Determinismus vertritt, weil es genau einen Verlauf der Vorkommnisse und Zustände gibt, der in Übereinstimmung mit der vernünftigen alles umfassenden Natur ist.Einen weiteren Hinweis auf eine totale Determiniertheit lässt sich aus Chrysipps Vorstellung der Tugenden und Laster ableiten. Beide sind für ihn Teil des aktiven Prinzips in uns, weil sie Veranlagungen sind. Würde das zutreffen, wäre unserer Willensfreiheit jedoch der Boden entzogen und wir wären nicht frei in unseren Entscheidungen und Handlungen. Da Chrysipp aber keinen totalen Determinismus zugeben möchte führt die Existenz eines von innen heraus erfolgenden , freiwilligen, spontanen Antriebs und einer korrespondierenden Kraft im Geist ein. Damit gibt er dem Handlungsträger ein Mittel an die Hand, wie er das Dilemma lösen kann, zwischen zwei gleich wünschenswerten Dingen eine willentliche Entscheidung herbeizuführen, denn er ist der Überzeugung, dass diese Kraft im Geist von sich aus eine Neigung zu einer der beiden Alternativen ergreifen wird. Das trifft aber nur auf diejenigen Fälle zu, in denen sich die Dinge in nichts voneinander unterscheiden. Die von innen heraus erfolgende Bewegung wird hier nicht als kausal nicht bestimmt eingeführt, sondern als nicht- vorherbestimmt .Chrysipp vertritt die Ansicht, dass weder das nicht Verursachte noch die Selbstbewegung existiert. Es kann für ihn keine nicht zu unterscheidenden Situationen geben. Ein Unterschied besteht immer. Er liegt entweder im Objekt selbst oder in der Umgebung und er ist für den Unterschied im Ergebnis verantwortlich und damit, ob er im stoischen Sinn kausal ist oder nicht.Erkennen wir diesen Unterschied nicht, heißt das nicht, dass es ihn nicht gibt; es heißt nur, dass es nicht erkennbare, verborgene Faktoren geben muss, die dafür verantwortlich sind, dass wir die eine und nicht die andere Alternative ergreifen. Da es das nicht Verursachte für Chrysipp nicht gibt, gibt es folglich auch keine spontane Bewegung. Diese Behauptung bringt das allgemeine Kausalprinzip (AKP) mit sich: Nichts geschieht ohne Ursache . Dieses allgemeine Prinzip gewährleistet bislang aber keine umfassende Gesetzmäßigkeit oder Übereinstimmung zwischen Ursache und Wirkung. Chrysipps Determinismus ist nur dann ein alles umfassender kausaler Determinismus, wenn wir eine Erweiterung dieses allgemeinen kausalen Prinzips annehmen und das spezifizierte Kausalprinzip (SKP) hinzufügen. Damit liegt uns in eine vollkommene Formulierung des kausalen Determinismus in neuzeitlichem Sinn vor, denn das Prinzip führt dazu, dass jede Bewegung vollständig durch eine vorausgehende Situation festgelegt ist. Wäre das Ergebnis in der geringfügigsten Einzelheit anders, dann wäre auch die vorausgegangene Situation anders gewesen.Chrysipps Determinismus ist darum strenger , weil er zusätzlich zur Einheitlichkeit und Übereinstimmung (des gesamten Weltzustands, seiner Ausgangssituation und seiner Wirkungen) die aktive Verursachung setzt, die im stoischen Sinn in jeder Bewegung einbezogen ist und die als wichtigster determinierender Faktor gilt.Wie sich Chrysipps kausaler Determinismus mit dem teleologischen Determinismus vereinbaren lässt, hängt von seiner Vorstellung vom Fatum ab. Bislang bestimmen zwei Aspekte Chrysipp Vorstellung von Determinismus:Zunächst die Behauptung, dass jeder qualitative Zustand und jeder Antrieb bis ins kleinste Detail mit der rationalen allumfassenden, alles durchdringenden Natur der Welt besteht und durch sie gestaltet wird und dass das nicht anders sein kann. Das bezeichnen wir als die teleologische Komponente. Dann die Behauptung, dass es keine Bewegung ohne eine Ursache gibt. Das bezeichnen wir als kausale Komponente. Beide Aspekte ergänzen einander in einer umfassenden Theorie. Die Verbindungen zwischen beiden Aspekten (den teleologischen und den kausalen) ist Chrysipps Fatumstheorie.Dass sich Chrysipps und Kleanthes Vorstellung vom Begriffsumfang des Fatums und der Vorsehung unterschieden, ist belegt. Während Chrysipp davon überzeugt ist, dass welches Ereignis oder welcher Zustand auch immer, aus der Sicht des Einzelnen schlecht ist, aus der weltumfassender Sicht aber gut ist und Gott dafür verantwortlich ist, steht für Kleanthes fest, dass die persönliche Schlechtigkeit und der Unverstand der Menschen nicht Gott zuzuschreiben sei, sondern dem uneinsichtigen Menschen. Beide aber stimmen darin überein, dass das Fatum einen besonderen Aspekt Gottes bezeichnet: es ist das aktive Prinzip, das die Welt strukturiert und bewegt und es wird als ewig während beschrieben. Es hat selbst zwar keinen Anfang, aber es war schon von jeher als das organisierende und verwaltende Prinzip der Welt da. Was auch immer geschieht, ist bereits von Ewigkeit her festgelegt, bevor es geschieht Es ist das unabänderliche Weltgesetz und es ist die vorausblickende Fürsorge Gottes.Weil für die Stoiker der Verlauf der Welt zyklisch ist, führt die Vorstellung der Unabänderlichkeit des Fatums zur unbegrenzten Wiederholung aller Zustände und Ereignisse. Zu diesem unabänderlichen Weltgesetz gehört auch die stoische Vorstellung der ewigen Wiederkehr von Weltenbrand und Weltordnung.Das ist nun ein ganz besonderes Thema, über das mehr gesagt werden müsste. Aus diesem Grund wurde es ausführlich behandelt und in den Anhang unter Punkt 11 gestellt.Ein weiterer Aspekt des Fatums ist seine Unerbittlichkeit und Unvermeidlichkeit, was auf eine nicht vorhandene Freiwilligkeit hinweist. Die Unerbittlichkeit des Fatums lässt sich damit erklären, dass nichts, was von außen kommt oder unabhängig von seiner allumfassenden Natur ist, weder beinträchtigen noch verhindern kann, was geschieht, weil es nichts gibt, das von außen kommt oder unabhängig von ihm ist. Vor allem können Menschen in kein Geschehnis eingreifen, weil ihre Natur selbst Teil der gemeinsamen Natur bzw. des Fatums ist.Für Chrysipp verknüpft das Fatum ferner qua pneuma in allen Dingen diese durch Zeit und Raum. Durch die Zeit auf dem Weg der vorausgehenden Ursachen, durch den Raum auf dem Weg der unterstützenden Ursachen und der sympatheia. Es kann im stoischen Sinn keine Verkettung von Ursache und Wirkung vorliegen, da Ursache und Wirkung ontologisch verschiedene Kategorien sind.Ein anderer Aspekt betrifft das Fatum insofern, als es gemäß Chrysipp einzelne Dinge miteinander verflicht. Die Verflechtung wiederum erklärt er als Dinge, die auf andere Dinge folgen und die schon von jeher in anderen Dingen mit eingeschlossen sind und das von Ewigkeit her. Da jeder Körper, der eine Ursache in der Kette oder in einem partiellen Netzwerk ist, das zu einer späteren Wirkung führt, ist er kausal für diese Bewegung verantwortlich.Das Prinzip, dass alles in Übereinstimmung mit dem Fatum geschieht, wurde in der Folge das Fatumssprinzip genannt wurde und kein Stoiker scheint von diesem Prinzip abgewichen zu sein.Fasst man die bisherigen Ergebnisse zusammen, sieht man, dass die Stoiker das Fatum und sein Wirkweise auf zwei ontologisch unterschiedlichen Wegen konzipiert und beschrieben haben. Auf der Seite der körperlichen Dinge ist das Fatum verantwortlich für die Ausbildung der Individualität der Dinge, für ihre Beschaffenheit und ihre ununterbrochene Verknüpfung durch Raum und Zeit. Auf der Seite der unkörperlichen Dinge sind alle qualitativen Zustände und alle Veränderungen das Ergebnis oder die Wirkung des Fatums.Item Frosch und Kröte als Symbolgestalten in der kirchlichen Kunst(2002) Failing, JuttaFrosch und Kröte gehören zu den ältesten Symboltieren. Fast alle Kulturen haben sich mit ihnen beschäftigt, sie vielfach mit mythologischen, zuweilen phantastischen Zügen versehen und in religiöse Ausdeutungen gleichsam eingehüllt. In nahezu allen Gattungen der abendländischen Kunst fanden diese Amphibien (Froschlurche) Beachtung, gemessen an der Zahl der Denkmäler vornehmlich in der Bau- und Grabplastik sowie in der Tafelmalerei. In der kunsthistorischen Literatur fanden sich bislang nur vereinzelte Abhandlungen, die sich mit dem Thema 'Frosch und Kröte' befassten, dann meistens aufgrund der herausgehobenen Betrachtung einzelner Darstellungen an einzelnen Denkmälern. Auch Kulturanthropologen, Volkskundler und Medizinhistoriker haben sich vereinzelt mit dem Thema - aus ihrer spezifischen Sicht - befasst. Eine Vernetzung der Ergebnisse und damit der kulturhistorischen, kirchenhistorischen und sozialhistorischen Einsichten fand dabei aber praktisch nicht statt. Die nun erfolgte Zusammenstellung aller erreichbaren Zeugnisse innerhalb von Buchmalerei, Bauplastik, Grabplastik und Tafelmalerei zwischen dem 10. und 17. Jahrhundert soll nicht nur für Kunsthistoriker einen Überblick über einen bislang wenig beachteten Themenbereich geben und damit Ansätze für weitergehende Deutungen im Zusammenhang mit der Darstellung anderer Tiergruppen u.ä. geben, sondern sie soll auch den Kollegen der genannten Nachbardisziplinen eine Neubewertung respektive Ergänzung ihrer Einsichten und Ansätze ermöglichen. Ein erstes Mal trifft man auf den Frosch in den Apokalypse-Handschriften, wo er den Bericht vom Ende der Zeit illustriert (Aussendung der Froschgeister). In der Bauplastik erscheint die Kröte ausschließlich im Gerichtskontext und dort als Attribut des Teufels oder einer personifizierten Todsünde, 'Luxuria' (Wollust) und 'Gula' (Völlerei). Daneben gehört sie zu den Attributen des 'mundus', der personifizierten betrügerischen Welt. In der Tafelmalerei ist sie zunächst Attribut der 'Luxuria', später mehr Sinnbild der Vanitas. In der Grabmalkunst kommt die Kröte seit der Mitte des 14. Jahrhunderts als 'Aasfresserin' vor. Dort erscheint sie mit dem 'transi', der Darstellung des verwesenden Leichnams, später auch mit dem Skelett. Im Buch-Totentanz setzt sich diese Verwendung fort. Noch im 19. Jahrhundert zeigen volksfromme Objekte wie das alpenländische 'Betrachtungssärglein' (Miniatursarg zur Betrachtung der Vanitas) Kröten beim verwesenden Leichnam. Die genannten Todsünden sowie 'mundus' und 'transi' können daher als 'Trägerfiguren' der 'bös krott' angesprochen werden. Die zeitlich letzte Darstellungsform der 'dämonischen' Kröte ist das Krötenvotiv, das vor allem im 18. und 19. Jahrhundert vorkommt und die spezifischen Anschauungen des Volkes hinsichtlich der Kröte (Gift- und Krankheitstier) reflektiert. Das stärker als andere Votivformen magisch besetzte Krötenopfer wurde von kirchlicher Seite sanktioniert. Das Krötenvotiv (naturgetreue Nachbildung des Tieres aus Wachs oder Metall) war vermutlich bereits vor dem 16. Jahrhundert bekannt. Zu seiner Ausbildung hat die medizinische Lehre vom frei im Körper umherschweifenden, 'bissigen' Geburtsorgan ('Beermutter') sowie die Idee vom fruchtbaren, weiblich-sexuellen Tier beigetragen. Ausschließlich der Frosch kommt als Attribut von Heiligen vor. Und nur er wird in der Malerei mit dem Schmetterling dargestellt. Dann ist er Sinnbild der Regeneration und Zeichen der Erdgebundenheit des Menschen im Gegensatz zum Schmetterling, der die Auferstehung versinnbildlicht. Hierin finden positive Bewertungen des Frosches, etwa seitens des Physiologus - neben der Bibel die Hauptquelle für die mittelalterliche Tiersymbolik - Niederschlag. Für die Kröte liegen solche günstigen Beurteilungen generell nicht vor. Finden Vergleiche statt, wird der Frosch als das 'harmlosere' Tier eingestuft. Vorchristliche Artefakte belegen, dass die enge Verknüpfung der Froschlurche mit Sexualität und Fruchtbarkeit nicht erst im Mittelalter aufkam. Ebenso zeigen Wortzeugnisse griechischer und römischer Provenienz, wie früh man bereits den Frosch für Vergleiche mit moralischen Unzulänglichkeiten des Menschen (Feigheit, Hybris, Schwatzhaftigkeit) heranzog. Einige der von der Antike an ausgebildeten Implikationen erwiesen sich als so dauerhaft, dass sie bis heute - rudimentär - überlebt haben (Giftkröte, Hexen- und Zaubertier, Wetterprophet).Item Galerie als Werkstatt : Paul Maenz und die Neuerfindung der Galerie zwischen New York und Westdeutschland, 1965-1971(2018) Hinrichsen, KristinaDie Arbeit untersucht die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen jungen Kuratoren und Ausstellungsmachern in Westdeutschland und in New York. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die transatlantischen Beziehungen zwischen New York und Köln gelegt, die sich ab Mitte der 1960er Jahren stark intensivierten und damals noch unbekannte Künstler wie Carl Andre, Robert Smithson oder Dan Graham erstmals nach Europa brachten und Ausstellungen organisiert wurden.Als Fallbeispiel werden die Tätigkeiten als Ausstellungsmacher und Vermittler von Paul Maenz betrachtet, der ab 1965 amerikanische Künstler in Deutschland ausstellte und anschliessend Galerie Paul Maenz in Köln gründete. Neben weiteren Pionieren wie Konrad Fischer und René Block entwickelte er das Konzept der ortsspezifischen Ausstellung und somit auch das Prinzip des Galerieraums in seiner Doppelfunktion als Ausstellungsraum und als Werkstatt, in dem Kunst entwickelt und produziert wird.Methodologisch wird in der Arbeit mit oral history (Gespräche mit Paul Maenz und anderen Zeitzeugen) sowie mit schriftlichen Quellen aus dem Paul Maenz Archiv (Getty Research Institute, Los Angeles) und dem Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (Köln) gearbeitet.Item Hochschulpolitik und Hochschulgesetzgebung in Hessen in den 1960er und 1970er Jahren : Das Beispiel Giessen(2010) Sargk, CorinaDie Dissertation Hochschulpolitik und Hochschulgesetzgebung in Hessen in den 1960er und 1970er Jahren. Das Beispiel Gießen fokussiert ein Jahrzehnt, das aus universitätsgeschichtlicher Perspektive einen Wendepunkt darstellt: In diesem Zeitraum legte die Institution den Weg von der Ordinarien- zur Gruppenuniversität zurück. Die Hochschulen hatten sich nunmehr ihren strukturellen Problemen zu stellen und sich den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg anzupassen. Infolgedessen erhoben sie sich erstmals selbst zum Forschungsgegenstand. Parallel dazu erkannte die Gesellschaft Bildung als Schlüsselmoment für die eigene Zukunft, so dass eine Veränderung des kollektiven Bewusstseins erfolgte. Ein Bildungs- und Hochschulreform-Diskurs von bis dahin ungekannter Breite entstand, dessen Wurzeln bis in die Zeit des Sputnik-Schocks reichten. Wie sich dieser bundesrepublikanische Diskurs konkret auf die Entwicklungen im Bundesland Hessen bzw. in Gießen an der Justus-Liebig-Universität auswirkte, wird untersucht. Dabei stehen sowohl die Anstrengungen Kultusministers Schüttes mit dem Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Hessen von 1966 als auch die seines Amtsnachfolgers Ludwig von Friedeburg mit dem Hessischen Hochschul- und Universitätsgesetz von 1970 im Fokus des Interesses. Die Auseinandersetzungen um die verschiedenen Streitpunkte, wie die Amtszeit des Rektors oder die der Partizipation, die ihren Niederschlag in den Sitzungen der verschiedenen politischen Gremien fanden, werden in diesem Kontext nachgezeichnet.Am Fallbeispiel Gießens wird deutlich, dass der Analysezeitraum aus der Perspektive der hessischen Hochschulen als kontinuierlicher Akt der Selbstbehauptung charakterisiert werden kann: Die eine Universität meisterte diese Herausforderung erfolgreicher als die andere. Der Justus-Liebig-Universität gelang es in den 1960er und 1970er Jahren ihre anfängliche Schwäche in eine individuelle Stärke zu transformieren: Nachdem die Akteure der Justus-Liebig-Universität den Konnex zwischen Reformfähigkeit und Fortbestand der eigenen Institution internalisiert hatten, setzten sie dieses Wissen in die Praxis, wie beispielsweise mit einer Satzungsnovelle, um. Aktiv gestalteten u. a. auch Gießener Mediziner den Hochschulreform-Diskurs mit, indem sie eine Studienreform, die ihrer Zeit um Längen voraus war, initiierten und erfolgreich praktizierten. Dabei orientierten sich sowohl die Mediziner als auch die Juristen und Wirtschaftswissenschaftler an den gesellschaftlichen Forderungen, wie der eines stärkeren Praxisbezugs des Studiums. Obgleich für die Reformen insgesamt nicht das Argument der Nachhaltigkeit geltend gemacht werden kann, wurden im untersuchten Dezennium Ideen und Reformansätze entwickelt, die zuvor nicht sagbar waren und an denen sich die nachfolgenden Generationen abzuarbeiten hatten bzw. noch immer abzuarbeiten haben.Item Intellektuelle Reparationen und westdeutscher Wiederaufstieg : Die Chemische Industrie 1945 - 1955(2009) Zeller, MarcWohlstand für alle , Wirtschaftswunder und soziale Marktwirtschaft lauten die Schlagworte, die meist sofort präsent sind, wenn die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren umschrieben werden soll. Von den ökonomisch Interessierten wird diese Liste noch um den Begriff des Exportwunders ergänzt. Tatsächlich waren die Industriegüterausfuhren in der Dekade ab 1950 doppelt bzw. dreimal so hoch wie die Steigerungsraten der Industrieproduktion und des Bruttosozialproduktes. In einzelnen besonders exportstarken Branchen wie etwa der Chemieindustrie, lagen die entsprechenden Kennziffern sogar noch einmal deutlich höher. Dieser Erfolg beruhte, so die Aussage zahlreicher Wirtschaftshistoriker wie etwa von Abelshauser, auf der Fähigkeit der deutschen Wirtschaft, die besonders nachgefragten innovativen und diversifizierten Qualitätsprodukte erzeugen zu können. Kriegsfolgen wie Besatzung, zerstörte Infrastruktur und Reparationsleistungen hätten hierbei keine negativen Effekte ausgeübt. Im Gegenteil: Gerade durch die Demontagen sei eine Modernisierung des Kapitalstocks der Unternehmen erzwungen und damit der Aufschwung unterstützt worden. Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Erfolgs, in Wahrnehmung und Analyse weitestgehend ausgeklammert, bleibt, die im Kontext der Kriegsniederlage und Besatzung ausgeübte Einflussnahme auf das parallel zum Bilanzkapital in den Betrieben vorhandene intellektuelle Kapital. Zwar hatte John Gimbel bereits vor einigen Jahren den für die westdeutsche Wirtschaft angerichteten Schaden auf rd. 10. Mrd. Dollar taxiert diese Schätzung basierte jedoch nur auf einer deskriptiven Analyse der in den Archiven vorhandenen Akten. Mit dieser Dissertation wird ein Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke geleistet, indem Auswirkungen der unter intellektuellen Reparationen subsumierbaren Handlungen und Anordnungen der Alliierten direkt auf das Wissenskapital (Beziehungs-, Human- und Strukturkapital) ausgewählter Unternehmen der Chemieindustrie im Zeitraum 1945-1955 untersucht und deren Folgeeffekte bewertet werden.
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